man den Murrkopf vielleicht fragen: ob er eine andere, eine republikanische Verfassung und Regie- rung wünsche, würde man sie ihm wohl gar mit den Waffen anbieten, so wäre er vermuthlich der Erste, der sie mit den Waffen in der Hand zurück- wiese. Keine Regierung, keine Verfassung ist voll- kommen; aber dennoch muß man es wünschen, je- der den höchstmöglichsten Grad irdischer Vollkommen- heit zu geben; dies kann nur durch freien ungehin- derten Jdeentausch geschehen. Der beste und wei- seste Regent kann Fehler begehen, wodurch nicht allein der Einzelne, sondern sein ganzes Volk sehr gedrückt wird. Jst er wirklich ein edler und wei- ser Mensch, so muß es ihm sehr willkommen seyn, die Stimme Anderer, und klänge sie auch für den Augenblick nicht so lieblich und angenehm, wie der Silberton einer Catalani, über seine Handlungen zu vernehmen. Er fühlt dann, wo und wem er wehe gethan hat; er kann vergüten, und sich in der Fol- ge vor ähnlichen Mißgriffen in Acht nehmen.
Die Büchercensur, sowohl in sittlicher und theo- logischer, als in politischer Hinsicht ist folglich ei- ne der schlimmsten Erfindungen, die wir den Pfaf- fen verdanken. Frankreich, Spanien und Portugal würden schwerlich jemals gewaltsame Umwälzungen erfahren haben, wenn man keine Bastillen, keine Lettres de Cachet, keine Büchercensuren, keine Jn- quisitionsgerichte, keine Beichtväter und Pfaffen
III. Vändchen. 19
man den Murrkopf vielleicht fragen: ob er eine andere, eine republikaniſche Verfaſſung und Regie- rung wuͤnſche, wuͤrde man ſie ihm wohl gar mit den Waffen anbieten, ſo waͤre er vermuthlich der Erſte, der ſie mit den Waffen in der Hand zuruͤck- wieſe. Keine Regierung, keine Verfaſſung iſt voll- kommen; aber dennoch muß man es wuͤnſchen, je- der den hoͤchſtmoͤglichſten Grad irdiſcher Vollkommen- heit zu geben; dies kann nur durch freien ungehin- derten Jdeentauſch geſchehen. Der beſte und wei- ſeſte Regent kann Fehler begehen, wodurch nicht allein der Einzelne, ſondern ſein ganzes Volk ſehr gedruͤckt wird. Jſt er wirklich ein edler und wei- ſer Menſch, ſo muß es ihm ſehr willkommen ſeyn, die Stimme Anderer, und klaͤnge ſie auch fuͤr den Augenblick nicht ſo lieblich und angenehm, wie der Silberton einer Catalani, uͤber ſeine Handlungen zu vernehmen. Er fuͤhlt dann, wo und wem er wehe gethan hat; er kann verguͤten, und ſich in der Fol- ge vor aͤhnlichen Mißgriffen in Acht nehmen.
Die Buͤchercenſur, ſowohl in ſittlicher und theo- logiſcher, als in politiſcher Hinſicht iſt folglich ei- ne der ſchlimmſten Erfindungen, die wir den Pfaf- fen verdanken. Frankreich, Spanien und Portugal wuͤrden ſchwerlich jemals gewaltſame Umwaͤlzungen erfahren haben, wenn man keine Baſtillen, keine Lettres de Cachet, keine Buͤchercenſuren, keine Jn- quiſitionsgerichte, keine Beichtvaͤter und Pfaffen
III. Vaͤndchen. 19
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man den Murrkopf vielleicht fragen: ob er eine
andere, eine republikaniſche Verfaſſung und Regie-
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den Waffen anbieten, ſo waͤre er vermuthlich der
Erſte, der ſie mit den Waffen in der Hand zuruͤck-
wieſe. Keine Regierung, keine Verfaſſung iſt voll-
kommen; aber dennoch muß man es wuͤnſchen, je-
der den hoͤchſtmoͤglichſten Grad irdiſcher Vollkommen-
heit zu geben; dies kann nur durch freien ungehin-
derten Jdeentauſch geſchehen. Der beſte und wei-
ſeſte Regent kann Fehler begehen, wodurch nicht
allein der Einzelne, ſondern ſein ganzes Volk ſehr
gedruͤckt wird. Jſt er wirklich ein edler und wei-
ſer Menſch, ſo muß es ihm ſehr willkommen ſeyn,
die Stimme Anderer, und klaͤnge ſie auch fuͤr den
Augenblick nicht ſo lieblich und angenehm, wie der
Silberton einer Catalani, uͤber ſeine Handlungen zu
vernehmen. Er fuͤhlt dann, wo und wem er wehe
gethan hat; er kann verguͤten, und ſich in der Fol-
ge vor aͤhnlichen Mißgriffen in Acht nehmen.
Die Buͤchercenſur, ſowohl in ſittlicher und theo-
logiſcher, als in politiſcher Hinſicht iſt folglich ei-
ne der ſchlimmſten Erfindungen, die wir den Pfaf-
fen verdanken. Frankreich, Spanien und Portugal
wuͤrden ſchwerlich jemals gewaltſame Umwaͤlzungen
erfahren haben, wenn man keine Baſtillen, keine
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III. Vaͤndchen. 19
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/217>, abgerufen am 22.12.2024.
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