Die Censur, ursprünglich eine der saubern Erfindungen der weißen Rabbiner, um den mensch- lichen Geist in Fesseln zu erhalten, ist nachmals an die Despoten übergegangen, als eine Schutzwehr ihrer wurmstichigen und baufälligen Throne gegen demagogische Angriffe und Ansichten. Manche übri- gens freisinnige Männer haben es gewagt, die Cen- sur zu vertheidigen, als ein Mittel der Verbreitung unsittlicher und irreligiöser Schriften zu wehren. Hätten die Büchercensuren keinen andern Zweck, und auch nie einen andern gehabt, als das Er- scheinen wirklich unsittlicher Werke, d. h. sol- cher zu verhindern, in denen das Laster mit sehr gefälligen und reitzenden Farben geschildert wird; so möchte man vielleicht geneigt seyn, sie gelten zu lassen. Nur müßte keinem engbrüstigen Censor es erlaubt seyn, den Jnhalt eines Buchs zu durchstrei- chen und unleserlich zu machen, weil ihm einige Stellen darin anstößig waren; er müßte es unver- letzt dem Verfasser zurückgeben, und diesem müßte es frei stehen, sich an eine andere liberalere Behörde zu wenden. Die Begriffe vom Sittlichen und Un- sittlichen sind ja überdies so verschieden, daß einem Censor darüber gar keine bestimmte Vorschriften von der Behörde gegeben werden können; der Schriftsteller ist folglich immer der guten oder übeln Laune eines oft unwissenden, eigensinnigen und al- bernen Menschen überlassen, der aus den schönsten
Blumen
Die Cenſur, urſpruͤnglich eine der ſaubern Erfindungen der weißen Rabbiner, um den menſch- lichen Geiſt in Feſſeln zu erhalten, iſt nachmals an die Despoten uͤbergegangen, als eine Schutzwehr ihrer wurmſtichigen und baufaͤlligen Throne gegen demagogiſche Angriffe und Anſichten. Manche uͤbri- gens freiſinnige Maͤnner haben es gewagt, die Cen- ſur zu vertheidigen, als ein Mittel der Verbreitung unſittlicher und irreligioͤſer Schriften zu wehren. Haͤtten die Buͤchercenſuren keinen andern Zweck, und auch nie einen andern gehabt, als das Er- ſcheinen wirklich unſittlicher Werke, d. h. ſol- cher zu verhindern, in denen das Laſter mit ſehr gefaͤlligen und reitzenden Farben geſchildert wird; ſo moͤchte man vielleicht geneigt ſeyn, ſie gelten zu laſſen. Nur muͤßte keinem engbruͤſtigen Cenſor es erlaubt ſeyn, den Jnhalt eines Buchs zu durchſtrei- chen und unleſerlich zu machen, weil ihm einige Stellen darin anſtoͤßig waren; er muͤßte es unver- letzt dem Verfaſſer zuruͤckgeben, und dieſem muͤßte es frei ſtehen, ſich an eine andere liberalere Behoͤrde zu wenden. Die Begriffe vom Sittlichen und Un- ſittlichen ſind ja uͤberdies ſo verſchieden, daß einem Cenſor daruͤber gar keine beſtimmte Vorſchriften von der Behoͤrde gegeben werden koͤnnen; der Schriftſteller iſt folglich immer der guten oder uͤbeln Laune eines oft unwiſſenden, eigenſinnigen und al- bernen Menſchen uͤberlaſſen, der aus den ſchoͤnſten
Blumen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0208"n="208"/><p>Die <hirendition="#g">Cenſur</hi>, urſpruͤnglich eine der ſaubern<lb/>
Erfindungen der weißen Rabbiner, um den menſch-<lb/>
lichen Geiſt in Feſſeln zu erhalten, iſt nachmals an<lb/>
die Despoten uͤbergegangen, als eine Schutzwehr<lb/>
ihrer wurmſtichigen und baufaͤlligen Throne gegen<lb/>
demagogiſche Angriffe und Anſichten. Manche uͤbri-<lb/>
gens freiſinnige Maͤnner haben es gewagt, die Cen-<lb/>ſur zu vertheidigen, als ein Mittel der Verbreitung<lb/>
unſittlicher und irreligioͤſer Schriften zu wehren.<lb/>
Haͤtten die Buͤchercenſuren keinen andern Zweck,<lb/>
und auch nie einen andern gehabt, als das Er-<lb/>ſcheinen wirklich <hirendition="#g">unſittlicher</hi> Werke, d. h. ſol-<lb/>
cher zu verhindern, in denen das Laſter mit ſehr<lb/>
gefaͤlligen und reitzenden Farben geſchildert wird;<lb/>ſo moͤchte man vielleicht geneigt ſeyn, ſie gelten zu<lb/>
laſſen. Nur muͤßte keinem engbruͤſtigen Cenſor es<lb/>
erlaubt ſeyn, den Jnhalt eines Buchs zu durchſtrei-<lb/>
chen und unleſerlich zu machen, weil <hirendition="#g">ihm</hi> einige<lb/>
Stellen darin anſtoͤßig waren; er muͤßte es unver-<lb/>
letzt dem Verfaſſer zuruͤckgeben, und dieſem muͤßte<lb/>
es frei ſtehen, ſich an eine andere liberalere Behoͤrde<lb/>
zu wenden. Die Begriffe vom Sittlichen und Un-<lb/>ſittlichen ſind ja uͤberdies ſo verſchieden, daß einem<lb/>
Cenſor daruͤber gar keine beſtimmte Vorſchriften<lb/>
von der Behoͤrde gegeben werden koͤnnen; der<lb/>
Schriftſteller iſt folglich immer der guten oder uͤbeln<lb/>
Laune eines oft unwiſſenden, eigenſinnigen und al-<lb/>
bernen Menſchen uͤberlaſſen, der aus den ſchoͤnſten<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Blumen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[208/0208]
Die Cenſur, urſpruͤnglich eine der ſaubern
Erfindungen der weißen Rabbiner, um den menſch-
lichen Geiſt in Feſſeln zu erhalten, iſt nachmals an
die Despoten uͤbergegangen, als eine Schutzwehr
ihrer wurmſtichigen und baufaͤlligen Throne gegen
demagogiſche Angriffe und Anſichten. Manche uͤbri-
gens freiſinnige Maͤnner haben es gewagt, die Cen-
ſur zu vertheidigen, als ein Mittel der Verbreitung
unſittlicher und irreligioͤſer Schriften zu wehren.
Haͤtten die Buͤchercenſuren keinen andern Zweck,
und auch nie einen andern gehabt, als das Er-
ſcheinen wirklich unſittlicher Werke, d. h. ſol-
cher zu verhindern, in denen das Laſter mit ſehr
gefaͤlligen und reitzenden Farben geſchildert wird;
ſo moͤchte man vielleicht geneigt ſeyn, ſie gelten zu
laſſen. Nur muͤßte keinem engbruͤſtigen Cenſor es
erlaubt ſeyn, den Jnhalt eines Buchs zu durchſtrei-
chen und unleſerlich zu machen, weil ihm einige
Stellen darin anſtoͤßig waren; er muͤßte es unver-
letzt dem Verfaſſer zuruͤckgeben, und dieſem muͤßte
es frei ſtehen, ſich an eine andere liberalere Behoͤrde
zu wenden. Die Begriffe vom Sittlichen und Un-
ſittlichen ſind ja uͤberdies ſo verſchieden, daß einem
Cenſor daruͤber gar keine beſtimmte Vorſchriften
von der Behoͤrde gegeben werden koͤnnen; der
Schriftſteller iſt folglich immer der guten oder uͤbeln
Laune eines oft unwiſſenden, eigenſinnigen und al-
bernen Menſchen uͤberlaſſen, der aus den ſchoͤnſten
Blumen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/208>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.