Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

sie nachher durch eigentlich dazu angestellte Spione
entsiegeln zu lassen, um zu erfahren, ob nicht viel-
leicht etwas gegen seine erhabene Person darin ent-
halten sei; da sind alle bürgerlichen und Familien-
bande aufgelöst, und der Staat wird nicht mehr
durch Liebe der Bürger zum Vaterlande, nicht durch
Anhänglichkeit an Verfassung und Regenten, sondern
bloß durch Schergen zusammengehalten; die recht-
lichen Männer, einer solchen Hölle überdrüssig,
werden sich trotz aller Spione und Verräther, su-
chen und finden, sich vereinigen, und ehe noch die
Machthaber es denken, ihrer gemißbrauchten Ge-
walt ein Ende machen. Selbst eine religiöse Posse,
welche die Pfaffen anfangs vielleicht aus bloßer
Neugier einfuhrten, die Ohrenbeichte mußte
den weltlichen Despoten häufig zum Sicherungs-
mittel gegen Verschwörungen und geheime Verbin-
dungen ihrer hartbedrängten Unterthanen dienen.
Möchte man diese nützliche Erfindung dort, wo sie
durch den protestantischen Lehrbegriff ausser Ge-
brauch gekommen ist, und wo man sich so mächtig
vor Verschwörungen ängstigt, doch wieder herstellen.
Man könnte dann fuglich die Spione zu Beichtvä-
tern, und die Beichtväter zu Spionen machen. Mit-
tel der Art sind übrigens immer ein Beweis, wie
tief eine Regierung ihre Schwäche und Nichts-
würdigkeit empfindet, und wie sehr sie es fühlt,
daß sie die Verachtung, den Unwillen und Abscheu
des Volks verdient habe.

ſie nachher durch eigentlich dazu angeſtellte Spione
entſiegeln zu laſſen, um zu erfahren, ob nicht viel-
leicht etwas gegen ſeine erhabene Perſon darin ent-
halten ſei; da ſind alle buͤrgerlichen und Familien-
bande aufgeloͤſt, und der Staat wird nicht mehr
durch Liebe der Buͤrger zum Vaterlande, nicht durch
Anhaͤnglichkeit an Verfaſſung und Regenten, ſondern
bloß durch Schergen zuſammengehalten; die recht-
lichen Maͤnner, einer ſolchen Hoͤlle uͤberdruͤſſig,
werden ſich trotz aller Spione und Verraͤther, ſu-
chen und finden, ſich vereinigen, und ehe noch die
Machthaber es denken, ihrer gemißbrauchten Ge-
walt ein Ende machen. Selbſt eine religioͤſe Poſſe,
welche die Pfaffen anfangs vielleicht aus bloßer
Neugier einfuhrten, die Ohrenbeichte mußte
den weltlichen Despoten haͤufig zum Sicherungs-
mittel gegen Verſchwoͤrungen und geheime Verbin-
dungen ihrer hartbedraͤngten Unterthanen dienen.
Moͤchte man dieſe nuͤtzliche Erfindung dort, wo ſie
durch den proteſtantiſchen Lehrbegriff auſſer Ge-
brauch gekommen iſt, und wo man ſich ſo maͤchtig
vor Verſchwoͤrungen aͤngſtigt, doch wieder herſtellen.
Man koͤnnte dann fuglich die Spione zu Beichtvaͤ-
tern, und die Beichtvaͤter zu Spionen machen. Mit-
tel der Art ſind uͤbrigens immer ein Beweis, wie
tief eine Regierung ihre Schwaͤche und Nichts-
wuͤrdigkeit empfindet, und wie ſehr ſie es fuͤhlt,
daß ſie die Verachtung, den Unwillen und Abſcheu
des Volks verdient habe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0207" n="207"/>
&#x017F;ie nachher durch eigentlich dazu ange&#x017F;tellte Spione<lb/>
ent&#x017F;iegeln zu la&#x017F;&#x017F;en, um zu erfahren, ob nicht viel-<lb/>
leicht etwas gegen &#x017F;eine erhabene Per&#x017F;on darin ent-<lb/>
halten &#x017F;ei; da &#x017F;ind alle bu&#x0364;rgerlichen und Familien-<lb/>
bande aufgelo&#x0364;&#x017F;t, und der Staat wird nicht mehr<lb/>
durch Liebe der Bu&#x0364;rger zum Vaterlande, nicht durch<lb/>
Anha&#x0364;nglichkeit an Verfa&#x017F;&#x017F;ung und Regenten, &#x017F;ondern<lb/>
bloß durch Schergen zu&#x017F;ammengehalten; die recht-<lb/>
lichen Ma&#x0364;nner, einer &#x017F;olchen Ho&#x0364;lle u&#x0364;berdru&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig,<lb/>
werden &#x017F;ich trotz aller Spione und Verra&#x0364;ther, &#x017F;u-<lb/>
chen und finden, &#x017F;ich vereinigen, und ehe noch die<lb/>
Machthaber es denken, ihrer gemißbrauchten Ge-<lb/>
walt ein Ende machen. Selb&#x017F;t eine religio&#x0364;&#x017F;e Po&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
welche die Pfaffen anfangs vielleicht aus bloßer<lb/>
Neugier einfuhrten, die <hi rendition="#g">Ohrenbeichte</hi> mußte<lb/>
den weltlichen Despoten ha&#x0364;ufig zum Sicherungs-<lb/>
mittel gegen Ver&#x017F;chwo&#x0364;rungen und geheime Verbin-<lb/>
dungen ihrer hartbedra&#x0364;ngten Unterthanen dienen.<lb/>
Mo&#x0364;chte man die&#x017F;e nu&#x0364;tzliche Erfindung dort, wo &#x017F;ie<lb/>
durch den prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Lehrbegriff au&#x017F;&#x017F;er Ge-<lb/>
brauch gekommen i&#x017F;t, und wo man &#x017F;ich &#x017F;o ma&#x0364;chtig<lb/>
vor Ver&#x017F;chwo&#x0364;rungen a&#x0364;ng&#x017F;tigt, doch wieder her&#x017F;tellen.<lb/>
Man ko&#x0364;nnte dann fuglich die Spione zu Beichtva&#x0364;-<lb/>
tern, und die Beichtva&#x0364;ter zu Spionen machen. Mit-<lb/>
tel der Art &#x017F;ind u&#x0364;brigens immer ein Beweis, wie<lb/>
tief eine Regierung ihre Schwa&#x0364;che und Nichts-<lb/>
wu&#x0364;rdigkeit empfindet, und wie &#x017F;ehr &#x017F;ie es fu&#x0364;hlt,<lb/>
daß &#x017F;ie die Verachtung, den Unwillen und Ab&#x017F;cheu<lb/>
des Volks verdient habe.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[207/0207] ſie nachher durch eigentlich dazu angeſtellte Spione entſiegeln zu laſſen, um zu erfahren, ob nicht viel- leicht etwas gegen ſeine erhabene Perſon darin ent- halten ſei; da ſind alle buͤrgerlichen und Familien- bande aufgeloͤſt, und der Staat wird nicht mehr durch Liebe der Buͤrger zum Vaterlande, nicht durch Anhaͤnglichkeit an Verfaſſung und Regenten, ſondern bloß durch Schergen zuſammengehalten; die recht- lichen Maͤnner, einer ſolchen Hoͤlle uͤberdruͤſſig, werden ſich trotz aller Spione und Verraͤther, ſu- chen und finden, ſich vereinigen, und ehe noch die Machthaber es denken, ihrer gemißbrauchten Ge- walt ein Ende machen. Selbſt eine religioͤſe Poſſe, welche die Pfaffen anfangs vielleicht aus bloßer Neugier einfuhrten, die Ohrenbeichte mußte den weltlichen Despoten haͤufig zum Sicherungs- mittel gegen Verſchwoͤrungen und geheime Verbin- dungen ihrer hartbedraͤngten Unterthanen dienen. Moͤchte man dieſe nuͤtzliche Erfindung dort, wo ſie durch den proteſtantiſchen Lehrbegriff auſſer Ge- brauch gekommen iſt, und wo man ſich ſo maͤchtig vor Verſchwoͤrungen aͤngſtigt, doch wieder herſtellen. Man koͤnnte dann fuglich die Spione zu Beichtvaͤ- tern, und die Beichtvaͤter zu Spionen machen. Mit- tel der Art ſind uͤbrigens immer ein Beweis, wie tief eine Regierung ihre Schwaͤche und Nichts- wuͤrdigkeit empfindet, und wie ſehr ſie es fuͤhlt, daß ſie die Verachtung, den Unwillen und Abſcheu des Volks verdient habe.

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/207
Zitationshilfe:	Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/207>, abgerufen am 04.05.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.