Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Augustiner von Wittenberg ließ sich vom Pfaffen-
geist eben so sehr leiten, wie die meisten seiner
Gegner, und überdies war er sklavischer Despoten-
knecht; hätte er 1525, statt die unglücklichen Bau-
ern zur Hölle zu verdammen, die mit der Bibel in
der Hand und mit Thränen in den Augen ihre ty-
rannischen Henker um Mitleid anflehten, hätte er
damals als freisinniger und biederer Mann laut
und ernst zu den Fürsten für die Rechte der Men-
schen gesprochen, so würde man ihn nicht allein zu
den großen Kirchenreformatoren, sondern vielleicht
auch zu den Wohlthätern des Menschengeschlechts
rechnen; aber ein Mensch, der den rohen, barba-
rischen, und ohnehin gegen die Bauern auf das
Äusserste erbitterten Despoten gar rathen konnte,
jene Unglücklichen mit Weibern und Kindern von
der Erde zu vertilgen, erscheint uns als ein wilder,
herz- und sinnloser, fanatischer Pfaffe, der alles
Gute, was durch ihn etwa geschah, mehr aus Zu-
fall, als mit vernünftiger Ueberlegung vollbrachte.

Unter allen Mitteln der weißen Leviten ihre
Gewalt und ihr Ansehen zu sichern, und zu ver-
größern; sind jene, welche den freien Geistes- und
Gedankenverkehr zu hemmen suchen, unstreitig die
verderblichsten. Geheime Polizeien, Jnquisitions-
gerichte und Büchercensuren verdanken ihre Entste-
hung dem Pfaffenthum, denn

wo ist eine List, die nicht ein Pfaff' ersann?

sagt Haller, der Großvater des kleinen Haller.

Auguſtiner von Wittenberg ließ ſich vom Pfaffen-
geiſt eben ſo ſehr leiten, wie die meiſten ſeiner
Gegner, und uͤberdies war er ſklaviſcher Despoten-
knecht; haͤtte er 1525, ſtatt die ungluͤcklichen Bau-
ern zur Hoͤlle zu verdammen, die mit der Bibel in
der Hand und mit Thraͤnen in den Augen ihre ty-
ranniſchen Henker um Mitleid anflehten, haͤtte er
damals als freiſinniger und biederer Mann laut
und ernſt zu den Fuͤrſten fuͤr die Rechte der Men-
ſchen geſprochen, ſo wuͤrde man ihn nicht allein zu
den großen Kirchenreformatoren, ſondern vielleicht
auch zu den Wohlthaͤtern des Menſchengeſchlechts
rechnen; aber ein Menſch, der den rohen, barba-
riſchen, und ohnehin gegen die Bauern auf das
Äuſſerſte erbitterten Despoten gar rathen konnte,
jene Ungluͤcklichen mit Weibern und Kindern von
der Erde zu vertilgen, erſcheint uns als ein wilder,
herz- und ſinnloſer, fanatiſcher Pfaffe, der alles
Gute, was durch ihn etwa geſchah, mehr aus Zu-
fall, als mit vernuͤnftiger Ueberlegung vollbrachte.

Unter allen Mitteln der weißen Leviten ihre
Gewalt und ihr Anſehen zu ſichern, und zu ver-
groͤßern; ſind jene, welche den freien Geiſtes- und
Gedankenverkehr zu hemmen ſuchen, unſtreitig die
verderblichſten. Geheime Polizeien, Jnquiſitions-
gerichte und Buͤchercenſuren verdanken ihre Entſte-
hung dem Pfaffenthum, denn

wo iſt eine Liſt, die nicht ein Pfaff’ erſann?

ſagt Haller, der Großvater des kleinen Haller.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0205" n="205"/>
Augu&#x017F;tiner von Wittenberg ließ &#x017F;ich vom Pfaffen-<lb/>
gei&#x017F;t eben &#x017F;o &#x017F;ehr leiten, wie die mei&#x017F;ten &#x017F;einer<lb/>
Gegner, und u&#x0364;berdies war er &#x017F;klavi&#x017F;cher Despoten-<lb/>
knecht; ha&#x0364;tte er 1525, &#x017F;tatt die unglu&#x0364;cklichen Bau-<lb/>
ern zur Ho&#x0364;lle zu verdammen, die mit der Bibel in<lb/>
der Hand und mit Thra&#x0364;nen in den Augen ihre ty-<lb/>
ranni&#x017F;chen Henker um Mitleid anflehten, ha&#x0364;tte er<lb/>
damals als frei&#x017F;inniger und biederer Mann laut<lb/>
und ern&#x017F;t zu den Fu&#x0364;r&#x017F;ten fu&#x0364;r die Rechte der Men-<lb/>
&#x017F;chen ge&#x017F;prochen, &#x017F;o wu&#x0364;rde man ihn nicht allein zu<lb/>
den großen Kirchenreformatoren, &#x017F;ondern vielleicht<lb/>
auch zu den Wohltha&#x0364;tern des Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts<lb/>
rechnen; aber ein Men&#x017F;ch, der den rohen, barba-<lb/>
ri&#x017F;chen, und ohnehin gegen die Bauern auf das<lb/>
Äu&#x017F;&#x017F;er&#x017F;te erbitterten Despoten gar rathen konnte,<lb/>
jene Unglu&#x0364;cklichen mit Weibern und Kindern von<lb/>
der Erde zu vertilgen, er&#x017F;cheint uns als ein wilder,<lb/>
herz- und &#x017F;innlo&#x017F;er, fanati&#x017F;cher Pfaffe, der alles<lb/>
Gute, was durch ihn etwa ge&#x017F;chah, mehr aus Zu-<lb/>
fall, als mit vernu&#x0364;nftiger Ueberlegung vollbrachte.</p><lb/>
        <p>Unter allen Mitteln der weißen Leviten ihre<lb/>
Gewalt und ihr An&#x017F;ehen zu &#x017F;ichern, und zu ver-<lb/>
gro&#x0364;ßern; &#x017F;ind jene, welche den freien Gei&#x017F;tes- und<lb/>
Gedankenverkehr zu hemmen &#x017F;uchen, un&#x017F;treitig die<lb/>
verderblich&#x017F;ten. Geheime Polizeien, Jnqui&#x017F;itions-<lb/>
gerichte und Bu&#x0364;chercen&#x017F;uren verdanken ihre Ent&#x017F;te-<lb/>
hung dem Pfaffenthum, denn</p><lb/>
        <cit>
          <quote>wo i&#x017F;t eine Li&#x017F;t, die nicht ein Pfaff&#x2019; er&#x017F;ann?</quote>
        </cit><lb/>
        <p>&#x017F;agt Haller, der Großvater des kleinen Haller.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0205] Auguſtiner von Wittenberg ließ ſich vom Pfaffen- geiſt eben ſo ſehr leiten, wie die meiſten ſeiner Gegner, und uͤberdies war er ſklaviſcher Despoten- knecht; haͤtte er 1525, ſtatt die ungluͤcklichen Bau- ern zur Hoͤlle zu verdammen, die mit der Bibel in der Hand und mit Thraͤnen in den Augen ihre ty- ranniſchen Henker um Mitleid anflehten, haͤtte er damals als freiſinniger und biederer Mann laut und ernſt zu den Fuͤrſten fuͤr die Rechte der Men- ſchen geſprochen, ſo wuͤrde man ihn nicht allein zu den großen Kirchenreformatoren, ſondern vielleicht auch zu den Wohlthaͤtern des Menſchengeſchlechts rechnen; aber ein Menſch, der den rohen, barba- riſchen, und ohnehin gegen die Bauern auf das Äuſſerſte erbitterten Despoten gar rathen konnte, jene Ungluͤcklichen mit Weibern und Kindern von der Erde zu vertilgen, erſcheint uns als ein wilder, herz- und ſinnloſer, fanatiſcher Pfaffe, der alles Gute, was durch ihn etwa geſchah, mehr aus Zu- fall, als mit vernuͤnftiger Ueberlegung vollbrachte. Unter allen Mitteln der weißen Leviten ihre Gewalt und ihr Anſehen zu ſichern, und zu ver- groͤßern; ſind jene, welche den freien Geiſtes- und Gedankenverkehr zu hemmen ſuchen, unſtreitig die verderblichſten. Geheime Polizeien, Jnquiſitions- gerichte und Buͤchercenſuren verdanken ihre Entſte- hung dem Pfaffenthum, denn wo iſt eine Liſt, die nicht ein Pfaff’ erſann? ſagt Haller, der Großvater des kleinen Haller.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/205
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/205>, abgerufen am 22.12.2024.