hindern; Christus Lehre würde sich in ihrer ur- sprünglichen Reinheit und Einfachheit erhalten ha- ben, und nicht von Päbsten und Synoden verfälscht seyn. Allein jene Einmischung der weltlichen Ge- walthaber in die kirchlichen und religiösen Angele- genheiten der Christen, ihre Verbindungen mit den Bischöfen und Kirchenlehrern, die Herabwürdigung der Religion zum Deckmantel aller Bosheiten und zum Werkzeuge des Despotismus, des Eigennutzes und Hochmuths; dies Alles raubte dem Christen- thum fast allen sittlichen und höhern Werth und verwandelte es aus einem Segen in eine Strafe für die Menschheit. Am tiefsten wurde tiese Stra- fe empfunden, als das Pfaffenthum den höchsten Gipfel seiner Macht erreicht hatte. Ob das Bre- chen dieser Macht durch die Reformation eine Wohlthat war, möge dahin gestellt seyn. Wäre Luther auch nie gekommen, so wäre das schreckliche Prunkgebäude des geistlichen und weltlichen Despo- tismus dennoch zusammengestürzt, u. vielleicht schuel- ler u. vollständiger mit weniger Geräusch und weniger Blutvergießen! Luther und seine Gehülfen arbeite- ten oft ohne Zweck darauf los; ohne festen und bestimmten Plan rißen sie ein, was ihren augen- blicklichen Ansichten und Leidenschaften entgegen und häufig das Minderschädliche war; ließen stehen und befestigten wohl gar, was auf das Schicksal der Völker den verderblichsten Einfluß hatte. Der
hindern; Chriſtus Lehre wuͤrde ſich in ihrer ur- ſpruͤnglichen Reinheit und Einfachheit erhalten ha- ben, und nicht von Paͤbſten und Synoden verfaͤlſcht ſeyn. Allein jene Einmiſchung der weltlichen Ge- walthaber in die kirchlichen und religioͤſen Angele- genheiten der Chriſten, ihre Verbindungen mit den Biſchoͤfen und Kirchenlehrern, die Herabwuͤrdigung der Religion zum Deckmantel aller Bosheiten und zum Werkzeuge des Despotismus, des Eigennutzes und Hochmuths; dies Alles raubte dem Chriſten- thum faſt allen ſittlichen und hoͤhern Werth und verwandelte es aus einem Segen in eine Strafe fuͤr die Menſchheit. Am tiefſten wurde tieſe Stra- fe empfunden, als das Pfaffenthum den hoͤchſten Gipfel ſeiner Macht erreicht hatte. Ob das Bre- chen dieſer Macht durch die Reformation eine Wohlthat war, moͤge dahin geſtellt ſeyn. Waͤre Luther auch nie gekommen, ſo waͤre das ſchreckliche Prunkgebaͤude des geiſtlichen und weltlichen Despo- tismus dennoch zuſammengeſtuͤrzt, u. vielleicht ſchuel- ler u. vollſtaͤndiger mit weniger Geraͤuſch und weniger Blutvergießen! Luther und ſeine Gehuͤlfen arbeite- ten oft ohne Zweck darauf los; ohne feſten und beſtimmten Plan rißen ſie ein, was ihren augen- blicklichen Anſichten und Leidenſchaften entgegen und haͤufig das Minderſchaͤdliche war; ließen ſtehen und befeſtigten wohl gar, was auf das Schickſal der Voͤlker den verderblichſten Einfluß hatte. Der
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hindern; Chriſtus Lehre wuͤrde ſich in ihrer ur-
ſpruͤnglichen Reinheit und Einfachheit erhalten ha-
ben, und nicht von Paͤbſten und Synoden verfaͤlſcht
ſeyn. Allein jene Einmiſchung der weltlichen Ge-
walthaber in die kirchlichen und religioͤſen Angele-
genheiten der Chriſten, ihre Verbindungen mit den
Biſchoͤfen und Kirchenlehrern, die Herabwuͤrdigung
der Religion zum Deckmantel aller Bosheiten und
zum Werkzeuge des Despotismus, des Eigennutzes
und Hochmuths; dies Alles raubte dem Chriſten-
thum faſt allen ſittlichen und hoͤhern Werth und
verwandelte es aus einem Segen in eine Strafe
fuͤr die Menſchheit. Am tiefſten wurde tieſe Stra-
fe empfunden, als das Pfaffenthum den hoͤchſten
Gipfel ſeiner Macht erreicht hatte. Ob das Bre-
chen dieſer Macht durch die Reformation eine
Wohlthat war, moͤge dahin geſtellt ſeyn. Waͤre
Luther auch nie gekommen, ſo waͤre das ſchreckliche
Prunkgebaͤude des geiſtlichen und weltlichen Despo-
tismus dennoch zuſammengeſtuͤrzt, u. vielleicht ſchuel-
ler u. vollſtaͤndiger mit weniger Geraͤuſch und weniger
Blutvergießen! Luther und ſeine Gehuͤlfen arbeite-
ten oft ohne Zweck darauf los; ohne feſten und
beſtimmten Plan rißen ſie ein, was ihren augen-
blicklichen Anſichten und Leidenſchaften entgegen
und haͤufig das Minderſchaͤdliche war; ließen ſtehen
und befeſtigten wohl gar, was auf das Schickſal
der Voͤlker den verderblichſten Einfluß hatte. Der
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/204>, abgerufen am 22.12.2024.
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