chen Normen er sie regieren wolle. Die Gesetze sind nicht um des Einzelnen, nicht um des Regie- renden willen, sondern zum allgemeinen Besten der Gesellschaft da. Deshalb müssen sie auch von die- ser gegeben und vorgeschrieben werden, wie es ihr Bestes erfodert; nicht von dem Vorsteher, wie er es seiner Willkühr, seinen Launen, seinen Leiden- schaften ersprießlich und zuträglich findet. Er kann, von dem Standpunkte aus, auf welchem er steht, nicht so gut beurtheilen, und wenn er gleich ein Salomo wäre, was den einzelnen Klassen und dem Ganzen nützlich und vortheilhaft seyn, was ihnen schaden könne, als die Gesellschaft, deren Vorsteher er ist, selbst es vermag. Darum muß er -- wenn er anders nicht von Wahn und despotischer Will- kühr verblendet, wenn er kein Tyrann ist -- die Stimmen der einzelnen Klassen und der ganzen Gesellschaft vernehmen, und sich auf die Vollziehung ihrer Beschlüsse beschränken. Doch muß das Recht dergleichen Beschlüsse zu fassen, nie auf gewisse erbliche Kasten, auf Familien und auf Erdschollen beschränkt seyn; jeder Staatsbürger muß die Be- fugniß haben, für sein Bestes zu sprechen, oder durch seinen Vertreter sprechen zu lassen; sonst ist er kein Staatsbürger mehr, sondern ein elender Sklave fremder Willkühr.
Ein Fürstenerzieher, der als erster Kammer- diener oder Lakai demuthsvoll hinter dem Stuhle
16 *
chen Normen er ſie regieren wolle. Die Geſetze ſind nicht um des Einzelnen, nicht um des Regie- renden willen, ſondern zum allgemeinen Beſten der Geſellſchaft da. Deshalb muͤſſen ſie auch von die- ſer gegeben und vorgeſchrieben werden, wie es ihr Beſtes erfodert; nicht von dem Vorſteher, wie er es ſeiner Willkuͤhr, ſeinen Launen, ſeinen Leiden- ſchaften erſprießlich und zutraͤglich findet. Er kann, von dem Standpunkte aus, auf welchem er ſteht, nicht ſo gut beurtheilen, und wenn er gleich ein Salomo waͤre, was den einzelnen Klaſſen und dem Ganzen nuͤtzlich und vortheilhaft ſeyn, was ihnen ſchaden koͤnne, als die Geſellſchaft, deren Vorſteher er iſt, ſelbſt es vermag. Darum muß er — wenn er anders nicht von Wahn und despotiſcher Will- kuͤhr verblendet, wenn er kein Tyrann iſt — die Stimmen der einzelnen Klaſſen und der ganzen Geſellſchaft vernehmen, und ſich auf die Vollziehung ihrer Beſchluͤſſe beſchraͤnken. Doch muß das Recht dergleichen Beſchluͤſſe zu faſſen, nie auf gewiſſe erbliche Kaſten, auf Familien und auf Erdſchollen beſchraͤnkt ſeyn; jeder Staatsbuͤrger muß die Be- fugniß haben, fuͤr ſein Beſtes zu ſprechen, oder durch ſeinen Vertreter ſprechen zu laſſen; ſonſt iſt er kein Staatsbuͤrger mehr, ſondern ein elender Sklave fremder Willkuͤhr.
Ein Fuͤrſtenerzieher, der als erſter Kammer- diener oder Lakai demuthsvoll hinter dem Stuhle
16 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0187"n="187"/>
chen Normen er ſie regieren wolle. Die Geſetze<lb/>ſind nicht um des Einzelnen, nicht um des Regie-<lb/>
renden willen, ſondern zum allgemeinen Beſten der<lb/>
Geſellſchaft da. Deshalb muͤſſen ſie auch von die-<lb/>ſer gegeben und vorgeſchrieben werden, wie es ihr<lb/>
Beſtes erfodert; nicht von dem Vorſteher, wie er<lb/>
es ſeiner Willkuͤhr, ſeinen Launen, ſeinen Leiden-<lb/>ſchaften erſprießlich und zutraͤglich findet. Er kann,<lb/>
von dem Standpunkte aus, auf welchem er ſteht,<lb/>
nicht ſo gut beurtheilen, und wenn er gleich ein<lb/>
Salomo waͤre, was den einzelnen Klaſſen und dem<lb/>
Ganzen nuͤtzlich und vortheilhaft ſeyn, was ihnen<lb/>ſchaden koͤnne, als die Geſellſchaft, deren Vorſteher<lb/>
er iſt, ſelbſt es vermag. Darum muß er — wenn<lb/>
er anders nicht von Wahn und despotiſcher Will-<lb/>
kuͤhr verblendet, wenn er kein Tyrann iſt — die<lb/>
Stimmen der einzelnen Klaſſen und der ganzen<lb/>
Geſellſchaft vernehmen, und ſich auf die Vollziehung<lb/>
ihrer Beſchluͤſſe beſchraͤnken. Doch muß das Recht<lb/>
dergleichen Beſchluͤſſe zu faſſen, nie auf gewiſſe<lb/>
erbliche Kaſten, auf Familien und auf Erdſchollen<lb/>
beſchraͤnkt ſeyn; jeder Staatsbuͤrger muß die Be-<lb/>
fugniß haben, fuͤr ſein Beſtes zu ſprechen, oder<lb/>
durch ſeinen Vertreter ſprechen zu laſſen; ſonſt iſt<lb/>
er kein Staatsbuͤrger mehr, ſondern ein elender<lb/>
Sklave fremder Willkuͤhr.</p><lb/><p>Ein Fuͤrſtenerzieher, der als erſter Kammer-<lb/>
diener oder Lakai demuthsvoll hinter dem Stuhle<lb/><fwplace="bottom"type="sig">16 *</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[187/0187]
chen Normen er ſie regieren wolle. Die Geſetze
ſind nicht um des Einzelnen, nicht um des Regie-
renden willen, ſondern zum allgemeinen Beſten der
Geſellſchaft da. Deshalb muͤſſen ſie auch von die-
ſer gegeben und vorgeſchrieben werden, wie es ihr
Beſtes erfodert; nicht von dem Vorſteher, wie er
es ſeiner Willkuͤhr, ſeinen Launen, ſeinen Leiden-
ſchaften erſprießlich und zutraͤglich findet. Er kann,
von dem Standpunkte aus, auf welchem er ſteht,
nicht ſo gut beurtheilen, und wenn er gleich ein
Salomo waͤre, was den einzelnen Klaſſen und dem
Ganzen nuͤtzlich und vortheilhaft ſeyn, was ihnen
ſchaden koͤnne, als die Geſellſchaft, deren Vorſteher
er iſt, ſelbſt es vermag. Darum muß er — wenn
er anders nicht von Wahn und despotiſcher Will-
kuͤhr verblendet, wenn er kein Tyrann iſt — die
Stimmen der einzelnen Klaſſen und der ganzen
Geſellſchaft vernehmen, und ſich auf die Vollziehung
ihrer Beſchluͤſſe beſchraͤnken. Doch muß das Recht
dergleichen Beſchluͤſſe zu faſſen, nie auf gewiſſe
erbliche Kaſten, auf Familien und auf Erdſchollen
beſchraͤnkt ſeyn; jeder Staatsbuͤrger muß die Be-
fugniß haben, fuͤr ſein Beſtes zu ſprechen, oder
durch ſeinen Vertreter ſprechen zu laſſen; ſonſt iſt
er kein Staatsbuͤrger mehr, ſondern ein elender
Sklave fremder Willkuͤhr.
Ein Fuͤrſtenerzieher, der als erſter Kammer-
diener oder Lakai demuthsvoll hinter dem Stuhle
16 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/187>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.