Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

einem despotisch-regierten Staat sey; ist eine
Frage. Man sagt freilich: auch in dem despoti-
schen Staat sind den Einwohnern Leben und Ruhe
gesichert. Guter Gott, was helfen Leben und
Ruhe dem, der keiner Güter des Lebens, keiner
Rechte frei sich erfreuen darf; der jeden Augenblick
fürchten muß, von argwöhnischen, willkührlichen
Herrschern eingekerkert, oder gar zur ewigen Ruhe
befördert zu werden?

Doch genug und nicht zu viel, von weißjüdi-
schen Großvezieren! Danken wir Gott, daß wir
in einem Zeitalter leben, wo das Meiste, was wir
von ihnen wissen, zu den Sagen der Vorzeit gehört.

Jn der Rolle von Gesandten, Geschäftsträ-
gern (Charges d' Affaires), Consulen läßt sich
Abrahams weißer Saame gleichfalls häufig erblik-
ken. Viele, ich möchte fast sagen, die Mehrzahl
der Gesandten sind Spionen ihrer Höfe und Re-
gierungen; andere werden blos gesandt, um ihren
Herren auch im Auslande Ehre und unnütze Kosten
zu machen; dem Fürsten, an den sie geschickt sind,
zu seinen ehelichen und außerehelichen Freuden be-
hülflich zu seyn und Glück zu wünschen, mit ihm
von Rehen, Hasen, Füchsen, Mädchen und Wei-
bern zu schwatzen, und sich in die Ränke und Jn-
triguen der Hofschranzen zu mischen, um nach
ihrer Heimkehr ihrem durchlauchtigsten Gebieter

einem despotiſch-regierten Staat ſey; iſt eine
Frage. Man ſagt freilich: auch in dem despoti-
ſchen Staat ſind den Einwohnern Leben und Ruhe
geſichert. Guter Gott, was helfen Leben und
Ruhe dem, der keiner Guͤter des Lebens, keiner
Rechte frei ſich erfreuen darf; der jeden Augenblick
fuͤrchten muß, von argwoͤhniſchen, willkuͤhrlichen
Herrſchern eingekerkert, oder gar zur ewigen Ruhe
befoͤrdert zu werden?

Doch genug und nicht zu viel, von weißjuͤdi-
ſchen Großvezieren! Danken wir Gott, daß wir
in einem Zeitalter leben, wo das Meiſte, was wir
von ihnen wiſſen, zu den Sagen der Vorzeit gehoͤrt.

Jn der Rolle von Geſandten, Geſchaͤftstraͤ-
gern (Chargés d’ Affaires), Conſulen laͤßt ſich
Abrahams weißer Saame gleichfalls haͤufig erblik-
ken. Viele, ich moͤchte faſt ſagen, die Mehrzahl
der Geſandten ſind Spionen ihrer Hoͤfe und Re-
gierungen; andere werden blos geſandt, um ihren
Herren auch im Auslande Ehre und unnuͤtze Koſten
zu machen; dem Fuͤrſten, an den ſie geſchickt ſind,
zu ſeinen ehelichen und außerehelichen Freuden be-
huͤlflich zu ſeyn und Gluͤck zu wuͤnſchen, mit ihm
von Rehen, Haſen, Fuͤchſen, Maͤdchen und Wei-
bern zu ſchwatzen, und ſich in die Raͤnke und Jn-
triguen der Hofſchranzen zu miſchen, um nach
ihrer Heimkehr ihrem durchlauchtigſten Gebieter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0173" n="173"/>
einem despoti&#x017F;ch-regierten Staat &#x017F;ey; i&#x017F;t eine<lb/>
Frage. Man &#x017F;agt freilich: auch in dem despoti-<lb/>
&#x017F;chen Staat &#x017F;ind den Einwohnern Leben und Ruhe<lb/>
ge&#x017F;ichert. Guter Gott, was helfen Leben und<lb/>
Ruhe dem, der keiner Gu&#x0364;ter des Lebens, keiner<lb/>
Rechte frei &#x017F;ich erfreuen darf; der jeden Augenblick<lb/>
fu&#x0364;rchten muß, von argwo&#x0364;hni&#x017F;chen, willku&#x0364;hrlichen<lb/>
Herr&#x017F;chern eingekerkert, oder gar zur ewigen Ruhe<lb/>
befo&#x0364;rdert zu werden?</p><lb/>
        <p>Doch genug und nicht zu viel, von weißju&#x0364;di-<lb/>
&#x017F;chen Großvezieren! Danken wir Gott, daß wir<lb/>
in einem Zeitalter leben, wo das Mei&#x017F;te, was wir<lb/>
von ihnen wi&#x017F;&#x017F;en, zu den Sagen der Vorzeit geho&#x0364;rt.</p><lb/>
        <p>Jn der Rolle von Ge&#x017F;andten, Ge&#x017F;cha&#x0364;ftstra&#x0364;-<lb/>
gern (Charg<hi rendition="#aq">é</hi>s d&#x2019; Affaires), Con&#x017F;ulen la&#x0364;ßt &#x017F;ich<lb/>
Abrahams weißer Saame gleichfalls ha&#x0364;ufig erblik-<lb/>
ken. Viele, ich mo&#x0364;chte fa&#x017F;t &#x017F;agen, die Mehrzahl<lb/>
der Ge&#x017F;andten &#x017F;ind Spionen ihrer Ho&#x0364;fe und Re-<lb/>
gierungen; andere werden blos ge&#x017F;andt, um ihren<lb/>
Herren auch im Auslande Ehre und unnu&#x0364;tze Ko&#x017F;ten<lb/>
zu machen; dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten, an den &#x017F;ie ge&#x017F;chickt &#x017F;ind,<lb/>
zu &#x017F;einen ehelichen und außerehelichen Freuden be-<lb/>
hu&#x0364;lflich zu &#x017F;eyn und Glu&#x0364;ck zu wu&#x0364;n&#x017F;chen, mit ihm<lb/>
von Rehen, Ha&#x017F;en, Fu&#x0364;ch&#x017F;en, Ma&#x0364;dchen und Wei-<lb/>
bern zu &#x017F;chwatzen, und &#x017F;ich in die Ra&#x0364;nke und Jn-<lb/>
triguen der Hof&#x017F;chranzen zu mi&#x017F;chen, um nach<lb/>
ihrer Heimkehr ihrem durchlauchtig&#x017F;ten Gebieter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0173] einem despotiſch-regierten Staat ſey; iſt eine Frage. Man ſagt freilich: auch in dem despoti- ſchen Staat ſind den Einwohnern Leben und Ruhe geſichert. Guter Gott, was helfen Leben und Ruhe dem, der keiner Guͤter des Lebens, keiner Rechte frei ſich erfreuen darf; der jeden Augenblick fuͤrchten muß, von argwoͤhniſchen, willkuͤhrlichen Herrſchern eingekerkert, oder gar zur ewigen Ruhe befoͤrdert zu werden? Doch genug und nicht zu viel, von weißjuͤdi- ſchen Großvezieren! Danken wir Gott, daß wir in einem Zeitalter leben, wo das Meiſte, was wir von ihnen wiſſen, zu den Sagen der Vorzeit gehoͤrt. Jn der Rolle von Geſandten, Geſchaͤftstraͤ- gern (Chargés d’ Affaires), Conſulen laͤßt ſich Abrahams weißer Saame gleichfalls haͤufig erblik- ken. Viele, ich moͤchte faſt ſagen, die Mehrzahl der Geſandten ſind Spionen ihrer Hoͤfe und Re- gierungen; andere werden blos geſandt, um ihren Herren auch im Auslande Ehre und unnuͤtze Koſten zu machen; dem Fuͤrſten, an den ſie geſchickt ſind, zu ſeinen ehelichen und außerehelichen Freuden be- huͤlflich zu ſeyn und Gluͤck zu wuͤnſchen, mit ihm von Rehen, Haſen, Fuͤchſen, Maͤdchen und Wei- bern zu ſchwatzen, und ſich in die Raͤnke und Jn- triguen der Hofſchranzen zu miſchen, um nach ihrer Heimkehr ihrem durchlauchtigſten Gebieter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/173
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/173>, abgerufen am 26.11.2024.