Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite



lose Pharao, welchem die Hölle sey, unsere Väter
zur Arbeit zwang, die ihnen eben so bitter dünkte,
wie uns der Meerrettig. So geht das alberne
Geschwätz weiter, um nach Mosis Vorschrift die
Geschichte der Einsetzung des Osterlamms durch
mündliche Ueberlieferung auf ihre Kinder zu ver-
erben *).

Während dieses Gesprächs wird der Braten,
das Ey und die Schüssel mit dem Kuchen, welches,
beim Zerbrechen des letztern, sämmtlich vom Tisch
genommen war, wieder aufgesetzt, und Abrahams
hungriger Saame fällt jetzt mit beiden Händen über
das köstliche Backwerk her, indem er mit vollem
Munde und in lauten melodischen Tönen singt:
Ceha lachma, di anjalu u. s. w., das heißt: So
war das Brod der Armuth, das unsere Väter in
Aegypten aßen. Jhr Hungrigen kommet und esset!
Jhr Dürftigen, kommet, und sättiget euch von dem
Opfer des Osterlamms. Dieses Jahr sind wir
noch hier; im künftigen werden wir, wenn der hei-
lige, hochgelobte Gott es nur will, im Lande Ka-
naan seyn! Jetzt sind wir Knechte; in Zukunft,
wenn Gott es nur will, freie Kinder und Herren.
Dies Gebet wird in chaldäischer Sprache gesungen,
damit es der Teufel nicht verstehen und sich nicht
gleichfalls zu Gaste bitten möge.

*) M. s. 2 Buch Mos. 12. V. 26 und 27.



loſe Pharao, welchem die Hoͤlle ſey, unſere Vaͤter
zur Arbeit zwang, die ihnen eben ſo bitter duͤnkte,
wie uns der Meerrettig. So geht das alberne
Geſchwaͤtz weiter, um nach Moſis Vorſchrift die
Geſchichte der Einſetzung des Oſterlamms durch
muͤndliche Ueberlieferung auf ihre Kinder zu ver-
erben *).

Waͤhrend dieſes Geſpraͤchs wird der Braten,
das Ey und die Schuͤſſel mit dem Kuchen, welches,
beim Zerbrechen des letztern, ſaͤmmtlich vom Tiſch
genommen war, wieder aufgeſetzt, und Abrahams
hungriger Saame faͤllt jetzt mit beiden Haͤnden uͤber
das koͤſtliche Backwerk her, indem er mit vollem
Munde und in lauten melodiſchen Toͤnen ſingt:
Ceha lachma, di anjalu u. ſ. w., das heißt: So
war das Brod der Armuth, das unſere Vaͤter in
Aegypten aßen. Jhr Hungrigen kommet und eſſet!
Jhr Duͤrftigen, kommet, und ſaͤttiget euch von dem
Opfer des Oſterlamms. Dieſes Jahr ſind wir
noch hier; im kuͤnftigen werden wir, wenn der hei-
lige, hochgelobte Gott es nur will, im Lande Ka-
naan ſeyn! Jetzt ſind wir Knechte; in Zukunft,
wenn Gott es nur will, freie Kinder und Herren.
Dies Gebet wird in chaldaͤiſcher Sprache geſungen,
damit es der Teufel nicht verſtehen und ſich nicht
gleichfalls zu Gaſte bitten moͤge.

*) M. ſ. 2 Buch Moſ. 12. V. 26 und 27.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0311" n="311"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
lo&#x017F;e Pharao, welchem die Ho&#x0364;lle &#x017F;ey, un&#x017F;ere Va&#x0364;ter<lb/>
zur Arbeit zwang, die ihnen eben &#x017F;o bitter du&#x0364;nkte,<lb/>
wie uns der Meerrettig. So geht das alberne<lb/>
Ge&#x017F;chwa&#x0364;tz weiter, um nach Mo&#x017F;is Vor&#x017F;chrift die<lb/>
Ge&#x017F;chichte der Ein&#x017F;etzung des O&#x017F;terlamms durch<lb/>
mu&#x0364;ndliche Ueberlieferung auf ihre Kinder zu ver-<lb/>
erben <note place="foot" n="*)">M. &#x017F;. 2 Buch Mo&#x017F;. 12. V. 26 und 27.</note>.</p><lb/>
        <p>Wa&#x0364;hrend die&#x017F;es Ge&#x017F;pra&#x0364;chs wird der Braten,<lb/>
das Ey und die Schu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el mit dem Kuchen, welches,<lb/>
beim Zerbrechen des letztern, &#x017F;a&#x0364;mmtlich vom Ti&#x017F;ch<lb/>
genommen war, wieder aufge&#x017F;etzt, und Abrahams<lb/>
hungriger Saame fa&#x0364;llt jetzt mit beiden Ha&#x0364;nden u&#x0364;ber<lb/>
das ko&#x0364;&#x017F;tliche Backwerk her, indem er mit vollem<lb/>
Munde und in lauten melodi&#x017F;chen To&#x0364;nen &#x017F;ingt:<lb/>
Ceha lachma, di anjalu u. &#x017F;. w., das heißt: So<lb/>
war das Brod der Armuth, das un&#x017F;ere Va&#x0364;ter in<lb/>
Aegypten aßen. Jhr Hungrigen kommet und e&#x017F;&#x017F;et!<lb/>
Jhr Du&#x0364;rftigen, kommet, und &#x017F;a&#x0364;ttiget euch von dem<lb/>
Opfer des O&#x017F;terlamms. Die&#x017F;es Jahr &#x017F;ind wir<lb/>
noch hier; im ku&#x0364;nftigen werden wir, wenn der hei-<lb/>
lige, hochgelobte Gott es nur will, im Lande Ka-<lb/>
naan &#x017F;eyn! Jetzt &#x017F;ind wir Knechte; in Zukunft,<lb/>
wenn Gott es nur will, freie Kinder und Herren.<lb/>
Dies Gebet wird in chalda&#x0364;i&#x017F;cher Sprache ge&#x017F;ungen,<lb/>
damit es der Teufel nicht ver&#x017F;tehen und &#x017F;ich nicht<lb/>
gleichfalls zu Ga&#x017F;te bitten mo&#x0364;ge.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0311] loſe Pharao, welchem die Hoͤlle ſey, unſere Vaͤter zur Arbeit zwang, die ihnen eben ſo bitter duͤnkte, wie uns der Meerrettig. So geht das alberne Geſchwaͤtz weiter, um nach Moſis Vorſchrift die Geſchichte der Einſetzung des Oſterlamms durch muͤndliche Ueberlieferung auf ihre Kinder zu ver- erben *). Waͤhrend dieſes Geſpraͤchs wird der Braten, das Ey und die Schuͤſſel mit dem Kuchen, welches, beim Zerbrechen des letztern, ſaͤmmtlich vom Tiſch genommen war, wieder aufgeſetzt, und Abrahams hungriger Saame faͤllt jetzt mit beiden Haͤnden uͤber das koͤſtliche Backwerk her, indem er mit vollem Munde und in lauten melodiſchen Toͤnen ſingt: Ceha lachma, di anjalu u. ſ. w., das heißt: So war das Brod der Armuth, das unſere Vaͤter in Aegypten aßen. Jhr Hungrigen kommet und eſſet! Jhr Duͤrftigen, kommet, und ſaͤttiget euch von dem Opfer des Oſterlamms. Dieſes Jahr ſind wir noch hier; im kuͤnftigen werden wir, wenn der hei- lige, hochgelobte Gott es nur will, im Lande Ka- naan ſeyn! Jetzt ſind wir Knechte; in Zukunft, wenn Gott es nur will, freie Kinder und Herren. Dies Gebet wird in chaldaͤiſcher Sprache geſungen, damit es der Teufel nicht verſtehen und ſich nicht gleichfalls zu Gaſte bitten moͤge. *) M. ſ. 2 Buch Moſ. 12. V. 26 und 27.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/311
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/311>, abgerufen am 22.11.2024.