furcht denkt. Giebt man doch in der äußersten Noth, bei dem drückendsten Mangel das werthloseste und lästigste Geschenk, welches man von seinen Aeltern, seinem Freunde oder seiner Geliebten em- pfieng, für keinen Preis der Welt hin, so lange nur irgend ein Strahl von Hoffnung da ist, sich ohne ein solches Opfer das Leben zu fristen!
Daher glaub' ich mit Recht zu behaupten, daß eine Umwandelung der Juden, die sie in den Stand setzte, unter den Christen gute Staatsbürger zu werden, oder gar selbst wieder einen unabhängigen Staat zu gründen, nie das schnelle Werk eines plötzlich gefaßten Entschlusses seyn wird.
Jhre Religionslehre ist mit einer Menge von Grundsätzen und Formen überladen, die für den jetzigen Stand der politischen und sittlichen Angele- genheiten schlechterdings unpassend sind. Schon das einzige, von allen Jsraeliten unerschütterlich fest geglaubte Dogma: daß sie das auserwählte Volk Gottes, daß alle übrigen Menschen Kinder des Teu- fels sind, würde sie, wenn sie jemals so glücklich wären, wieder einen Theil der Erde als ihr Land in Besitz zu nehmen, mit jeder andern Nation in ein äußerst feindseliges Verhältniß bringen. Jetzt da sie zerstreuet, oder, wie sie es sehr uneigentlich nen- nen, in der Gefangenschaft leben, sind sie schlau genug, jenen Grundsatz so wenig als möglich zu äußern. Bildeten sie aber wieder einen Staat, dann
II. Bändchen. 3
furcht denkt. Giebt man doch in der aͤußerſten Noth, bei dem druͤckendſten Mangel das werthloſeſte und laͤſtigſte Geſchenk, welches man von ſeinen Aeltern, ſeinem Freunde oder ſeiner Geliebten em- pfieng, fuͤr keinen Preis der Welt hin, ſo lange nur irgend ein Strahl von Hoffnung da iſt, ſich ohne ein ſolches Opfer das Leben zu friſten!
Daher glaub’ ich mit Recht zu behaupten, daß eine Umwandelung der Juden, die ſie in den Stand ſetzte, unter den Chriſten gute Staatsbuͤrger zu werden, oder gar ſelbſt wieder einen unabhaͤngigen Staat zu gruͤnden, nie das ſchnelle Werk eines ploͤtzlich gefaßten Entſchluſſes ſeyn wird.
Jhre Religionslehre iſt mit einer Menge von Grundſaͤtzen und Formen uͤberladen, die fuͤr den jetzigen Stand der politiſchen und ſittlichen Angele- genheiten ſchlechterdings unpaſſend ſind. Schon das einzige, von allen Jſraeliten unerſchuͤtterlich feſt geglaubte Dogma: daß ſie das auserwaͤhlte Volk Gottes, daß alle uͤbrigen Menſchen Kinder des Teu- fels ſind, wuͤrde ſie, wenn ſie jemals ſo gluͤcklich waͤren, wieder einen Theil der Erde als ihr Land in Beſitz zu nehmen, mit jeder andern Nation in ein aͤußerſt feindſeliges Verhaͤltniß bringen. Jetzt da ſie zerſtreuet, oder, wie ſie es ſehr uneigentlich nen- nen, in der Gefangenſchaft leben, ſind ſie ſchlau genug, jenen Grundſatz ſo wenig als moͤglich zu aͤußern. Bildeten ſie aber wieder einen Staat, dann
II. Baͤndchen. 3
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furcht denkt. Giebt man doch in der aͤußerſten
Noth, bei dem druͤckendſten Mangel das werthloſeſte
und laͤſtigſte Geſchenk, welches man von ſeinen
Aeltern, ſeinem Freunde oder ſeiner Geliebten em-
pfieng, fuͤr keinen Preis der Welt hin, ſo lange
nur irgend ein Strahl von Hoffnung da iſt, ſich
ohne ein ſolches Opfer das Leben zu friſten!
Daher glaub’ ich mit Recht zu behaupten, daß
eine Umwandelung der Juden, die ſie in den Stand
ſetzte, unter den Chriſten gute Staatsbuͤrger zu
werden, oder gar ſelbſt wieder einen unabhaͤngigen
Staat zu gruͤnden, nie das ſchnelle Werk eines
ploͤtzlich gefaßten Entſchluſſes ſeyn wird.
Jhre Religionslehre iſt mit einer Menge von
Grundſaͤtzen und Formen uͤberladen, die fuͤr den
jetzigen Stand der politiſchen und ſittlichen Angele-
genheiten ſchlechterdings unpaſſend ſind. Schon das
einzige, von allen Jſraeliten unerſchuͤtterlich feſt
geglaubte Dogma: daß ſie das auserwaͤhlte Volk
Gottes, daß alle uͤbrigen Menſchen Kinder des Teu-
fels ſind, wuͤrde ſie, wenn ſie jemals ſo gluͤcklich
waͤren, wieder einen Theil der Erde als ihr Land
in Beſitz zu nehmen, mit jeder andern Nation in ein
aͤußerſt feindſeliges Verhaͤltniß bringen. Jetzt da ſie
zerſtreuet, oder, wie ſie es ſehr uneigentlich nen-
nen, in der Gefangenſchaft leben, ſind ſie ſchlau
genug, jenen Grundſatz ſo wenig als moͤglich zu
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II. Baͤndchen. 3
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/25>, abgerufen am 27.07.2024.
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