Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.dem Wirth, und scharrte sein Geld dort ein. Jn der Nacht träumte dem Kidor: er sollte zu dem Grabe seines Vaters gehen, und nachgraben; er würde einen großen Beutel voll Geld finden. Die- sen Traum erzählte er am Morgen dem Rabbi Meir gesegneten Andenkens; allein der erwiederte ihm: er sollte keinen Träumen der Freitagsnächte trauen; sie täuschen den Menschen. Hierauf schlich Rabbi Meir sich fort zu dem Grabe, und hütete dort seinen Geldsack bis zu Ende des Sabbaths, wo er ihn wieder zu sich nahm, um weiter zu ziehen. Rabbi Jose und Rabbi Juda, auf denen der Friede sey, foderten zugleich ihre Geldbeutel vom Wirth; aber dieser betheuerte: sie hätten ihm nichts zu verwahren gegeben. Um ihn mit Güte beim Trunk zu überreden, führten sie ihn endlich in ein Wein- haus; allein Kidor blieb bei seinem Leugnen. Da gewahrte einer von ihnen, daß Kidor noch Erbsen im Bart hatte. Sie liefen also eiligst zu der Frau des Wirths und sprachen: Dein Mann hat befoh- len, du sollst uns unsere Beutel geben, die er von uns in Verwahrung genommen, und damit du uns trauen möchtest, läßt er dir zum Wahrzeichen sa- gen, er hätte gestern mit dir Erbsen gegessen. Die Frau fand dies Wahrzeichen so wahr und glaub- haft, wie Hand und Siegel ihres Mannes, und gab ohne Bedenken die Beutel mit dem Gelde zu- rück. Als ihr Mann heim kam, und die Geldsäcke dem Wirth, und ſcharrte ſein Geld dort ein. Jn der Nacht traͤumte dem Kidor: er ſollte zu dem Grabe ſeines Vaters gehen, und nachgraben; er wuͤrde einen großen Beutel voll Geld finden. Die- ſen Traum erzaͤhlte er am Morgen dem Rabbi Meir geſegneten Andenkens; allein der erwiederte ihm: er ſollte keinen Traͤumen der Freitagsnaͤchte trauen; ſie taͤuſchen den Menſchen. Hierauf ſchlich Rabbi Meir ſich fort zu dem Grabe, und huͤtete dort ſeinen Geldſack bis zu Ende des Sabbaths, wo er ihn wieder zu ſich nahm, um weiter zu ziehen. Rabbi Joſe und Rabbi Juda, auf denen der Friede ſey, foderten zugleich ihre Geldbeutel vom Wirth; aber dieſer betheuerte: ſie haͤtten ihm nichts zu verwahren gegeben. Um ihn mit Guͤte beim Trunk zu uͤberreden, fuͤhrten ſie ihn endlich in ein Wein- haus; allein Kidor blieb bei ſeinem Leugnen. Da gewahrte einer von ihnen, daß Kidor noch Erbſen im Bart hatte. Sie liefen alſo eiligſt zu der Frau des Wirths und ſprachen: Dein Mann hat befoh- len, du ſollſt uns unſere Beutel geben, die er von uns in Verwahrung genommen, und damit du uns trauen moͤchteſt, laͤßt er dir zum Wahrzeichen ſa- gen, er haͤtte geſtern mit dir Erbſen gegeſſen. Die Frau fand dies Wahrzeichen ſo wahr und glaub- haft, wie Hand und Siegel ihres Mannes, und gab ohne Bedenken die Beutel mit dem Gelde zu- ruͤck. Als ihr Mann heim kam, und die Geldſaͤcke <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0162" n="162"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> dem Wirth, und ſcharrte ſein Geld dort ein. Jn<lb/> der Nacht traͤumte dem Kidor: er ſollte zu dem<lb/> Grabe ſeines Vaters gehen, und nachgraben; er<lb/> wuͤrde einen großen Beutel voll Geld finden. Die-<lb/> ſen Traum erzaͤhlte er am Morgen dem Rabbi<lb/> Meir geſegneten Andenkens; allein der erwiederte<lb/> ihm: er ſollte keinen Traͤumen der Freitagsnaͤchte<lb/> trauen; ſie taͤuſchen den Menſchen. Hierauf ſchlich<lb/> Rabbi Meir ſich fort zu dem Grabe, und huͤtete<lb/> dort ſeinen Geldſack bis zu Ende des Sabbaths, wo<lb/> er ihn wieder zu ſich nahm, um weiter zu ziehen.<lb/> Rabbi Joſe und Rabbi Juda, auf denen der Friede<lb/> ſey, foderten zugleich ihre Geldbeutel vom Wirth;<lb/> aber dieſer betheuerte: ſie haͤtten ihm nichts zu<lb/> verwahren gegeben. Um ihn mit Guͤte beim Trunk<lb/> zu uͤberreden, fuͤhrten ſie ihn endlich in ein Wein-<lb/> haus; allein Kidor blieb bei ſeinem Leugnen. Da<lb/> gewahrte einer von ihnen, daß Kidor noch Erbſen<lb/> im Bart hatte. Sie liefen alſo eiligſt zu der Frau<lb/> des Wirths und ſprachen: Dein Mann hat befoh-<lb/> len, du ſollſt uns unſere Beutel geben, die er von<lb/> uns in Verwahrung genommen, und damit du uns<lb/> trauen moͤchteſt, laͤßt er dir zum Wahrzeichen ſa-<lb/> gen, er haͤtte geſtern mit dir Erbſen gegeſſen. Die<lb/> Frau fand dies Wahrzeichen ſo wahr und glaub-<lb/> haft, wie Hand und Siegel ihres Mannes, und<lb/> gab ohne Bedenken die Beutel mit dem Gelde zu-<lb/> ruͤck. Als ihr Mann heim kam, und die Geldſaͤcke<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [162/0162]
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der Nacht traͤumte dem Kidor: er ſollte zu dem
Grabe ſeines Vaters gehen, und nachgraben; er
wuͤrde einen großen Beutel voll Geld finden. Die-
ſen Traum erzaͤhlte er am Morgen dem Rabbi
Meir geſegneten Andenkens; allein der erwiederte
ihm: er ſollte keinen Traͤumen der Freitagsnaͤchte
trauen; ſie taͤuſchen den Menſchen. Hierauf ſchlich
Rabbi Meir ſich fort zu dem Grabe, und huͤtete
dort ſeinen Geldſack bis zu Ende des Sabbaths, wo
er ihn wieder zu ſich nahm, um weiter zu ziehen.
Rabbi Joſe und Rabbi Juda, auf denen der Friede
ſey, foderten zugleich ihre Geldbeutel vom Wirth;
aber dieſer betheuerte: ſie haͤtten ihm nichts zu
verwahren gegeben. Um ihn mit Guͤte beim Trunk
zu uͤberreden, fuͤhrten ſie ihn endlich in ein Wein-
haus; allein Kidor blieb bei ſeinem Leugnen. Da
gewahrte einer von ihnen, daß Kidor noch Erbſen
im Bart hatte. Sie liefen alſo eiligſt zu der Frau
des Wirths und ſprachen: Dein Mann hat befoh-
len, du ſollſt uns unſere Beutel geben, die er von
uns in Verwahrung genommen, und damit du uns
trauen moͤchteſt, laͤßt er dir zum Wahrzeichen ſa-
gen, er haͤtte geſtern mit dir Erbſen gegeſſen. Die
Frau fand dies Wahrzeichen ſo wahr und glaub-
haft, wie Hand und Siegel ihres Mannes, und
gab ohne Bedenken die Beutel mit dem Gelde zu-
ruͤck. Als ihr Mann heim kam, und die Geldſaͤcke
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