Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.höchsten Grad von Unreinlichkeit gewöhnt, dünkte ihnen selbst das nicht eckelhaft, was den rohesten weder, daß man dieselben in den Mundarten aller
andern Zigeuner gleichfalls antrifft, noch daß dies Volk überhaupt von den Hindostanern abstammt. War es nicht möglich, daß die in der Türkei leben- den Zigeunerhorden, die wie alle übrigen, aus ei- nem Lande ins andere ziehen, sich auch einmal nach Hindostan verirrten, und dort, wie überall, eine Menge von Wörtern aus der Landessprache auf- nahmen? Was beweist das in Hinsicht ihrer Ab- stammung? Wollte man diese daraus herleiten, so ließe sich mit eben so vielem Recht behaupten, daß unsere Zigeuner ein ursprünglich deutscher Volks- stamm wären, da man gewiß mehr deutsche als hindostanische Wörter in ihrer Sprache findet. Wa- genseil, dessen Schriften (Pera libror. juvenil. Al- torf 1695. 8. und Vorrede zu der Schrift: Von der Meister - Singer holdseliger Kunst zusammen gedruckt mit der: de civitate Noribergensi Altorf. 1697. 8.) ich aber blos ans Grellmanns Buche kenne, behaup- tet: die Zigeuner wären Nachkommen deutscher Juden, die sich, um den Verfolgungen der Christen zu entgehen, gegen die Mitte des vierzehnten Jahr- hunderts in Wälder, Einöden und unterirdische Höhlen verkrochen hätten. Daher ihr plötzliches Er- scheinen, als diese Gefahren vorüber waren. Er beruft sich dabei auf die vielen hebräischen und neu- jüdischen Wörter der Zigeunersprache, und er hat -- nach meiner Ansicht -- völlig Recht; nur hätte er die Abstammung der Zigeuner nicht blos auf hoͤchſten Grad von Unreinlichkeit gewoͤhnt, duͤnkte ihnen ſelbſt das nicht eckelhaft, was den roheſten weder, daß man dieſelben in den Mundarten aller
andern Zigeuner gleichfalls antrifft, noch daß dies Volk uͤberhaupt von den Hindoſtanern abſtammt. War es nicht moͤglich, daß die in der Tuͤrkei leben- den Zigeunerhorden, die wie alle uͤbrigen, aus ei- nem Lande ins andere ziehen, ſich auch einmal nach Hindoſtan verirrten, und dort, wie uͤberall, eine Menge von Woͤrtern aus der Landesſprache auf- nahmen? Was beweist das in Hinſicht ihrer Ab- ſtammung? Wollte man dieſe daraus herleiten, ſo ließe ſich mit eben ſo vielem Recht behaupten, daß unſere Zigeuner ein urſpruͤnglich deutſcher Volks- ſtamm waͤren, da man gewiß mehr deutſche als hindoſtaniſche Woͤrter in ihrer Sprache findet. Wa- genſeil, deſſen Schriften (Pera libror. juvenil. Al- torf 1695. 8. und Vorrede zu der Schrift: Von der Meiſter - Singer holdſeliger Kunſt zuſammen gedruckt mit der: de civitate Noribergensi Altorf. 1697. 8.) ich aber blos ans Grellmanns Buche kenne, behaup- tet: die Zigeuner waͤren Nachkommen deutſcher Juden, die ſich, um den Verfolgungen der Chriſten zu entgehen, gegen die Mitte des vierzehnten Jahr- hunderts in Waͤlder, Einoͤden und unterirdiſche Hoͤhlen verkrochen haͤtten. Daher ihr ploͤtzliches Er- ſcheinen, als dieſe Gefahren voruͤber waren. Er beruft ſich dabei auf die vielen hebraͤiſchen und neu- juͤdiſchen Woͤrter der Zigeunerſprache, und er hat — nach meiner Anſicht — voͤllig Recht; nur haͤtte er die Abſtammung der Zigeuner nicht blos auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="15"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> hoͤchſten Grad von Unreinlichkeit gewoͤhnt, duͤnkte<lb/> ihnen ſelbſt das nicht eckelhaft, was den roheſten<lb/><note next="#seg2pn_1_3" xml:id="seg2pn_1_2" prev="#seg2pn_1_1" place="foot" n="*)">weder, daß man dieſelben in den Mundarten aller<lb/> andern Zigeuner gleichfalls antrifft, noch daß dies<lb/> Volk uͤberhaupt von den Hindoſtanern abſtammt.<lb/> War es nicht moͤglich, daß die in der Tuͤrkei leben-<lb/> den Zigeunerhorden, die wie alle uͤbrigen, aus ei-<lb/> nem Lande ins andere ziehen, ſich auch einmal nach<lb/> Hindoſtan verirrten, und dort, wie uͤberall, eine<lb/> Menge von Woͤrtern aus der Landesſprache auf-<lb/> nahmen? Was beweist das in Hinſicht ihrer Ab-<lb/> ſtammung? Wollte man dieſe daraus herleiten, ſo<lb/> ließe ſich mit eben ſo vielem Recht behaupten, daß<lb/> unſere Zigeuner ein urſpruͤnglich deutſcher Volks-<lb/> ſtamm waͤren, da man gewiß mehr deutſche als<lb/> hindoſtaniſche Woͤrter in ihrer Sprache findet. Wa-<lb/> genſeil, deſſen Schriften (<hi rendition="#aq">Pera libror. juvenil. Al-<lb/> torf</hi> 1695. 8. und Vorrede zu der Schrift: Von der<lb/> Meiſter - Singer holdſeliger Kunſt zuſammen gedruckt<lb/> mit der: <hi rendition="#aq">de civitate Noribergensi Altorf.</hi> 1697. 8.)<lb/> ich aber blos ans Grellmanns Buche kenne, behaup-<lb/> tet: die Zigeuner waͤren Nachkommen deutſcher<lb/> Juden, die ſich, um den Verfolgungen der Chriſten<lb/> zu entgehen, gegen die Mitte des vierzehnten Jahr-<lb/> hunderts in Waͤlder, Einoͤden und unterirdiſche<lb/> Hoͤhlen verkrochen haͤtten. Daher ihr ploͤtzliches Er-<lb/> ſcheinen, als dieſe Gefahren voruͤber waren. Er<lb/> beruft ſich dabei auf die vielen hebraͤiſchen und neu-<lb/> juͤdiſchen Woͤrter der Zigeunerſprache, und er hat<lb/> — nach meiner Anſicht — voͤllig Recht; nur haͤtte<lb/> er die Abſtammung der Zigeuner nicht blos auf</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0015]
hoͤchſten Grad von Unreinlichkeit gewoͤhnt, duͤnkte
ihnen ſelbſt das nicht eckelhaft, was den roheſten
*)
*) weder, daß man dieſelben in den Mundarten aller
andern Zigeuner gleichfalls antrifft, noch daß dies
Volk uͤberhaupt von den Hindoſtanern abſtammt.
War es nicht moͤglich, daß die in der Tuͤrkei leben-
den Zigeunerhorden, die wie alle uͤbrigen, aus ei-
nem Lande ins andere ziehen, ſich auch einmal nach
Hindoſtan verirrten, und dort, wie uͤberall, eine
Menge von Woͤrtern aus der Landesſprache auf-
nahmen? Was beweist das in Hinſicht ihrer Ab-
ſtammung? Wollte man dieſe daraus herleiten, ſo
ließe ſich mit eben ſo vielem Recht behaupten, daß
unſere Zigeuner ein urſpruͤnglich deutſcher Volks-
ſtamm waͤren, da man gewiß mehr deutſche als
hindoſtaniſche Woͤrter in ihrer Sprache findet. Wa-
genſeil, deſſen Schriften (Pera libror. juvenil. Al-
torf 1695. 8. und Vorrede zu der Schrift: Von der
Meiſter - Singer holdſeliger Kunſt zuſammen gedruckt
mit der: de civitate Noribergensi Altorf. 1697. 8.)
ich aber blos ans Grellmanns Buche kenne, behaup-
tet: die Zigeuner waͤren Nachkommen deutſcher
Juden, die ſich, um den Verfolgungen der Chriſten
zu entgehen, gegen die Mitte des vierzehnten Jahr-
hunderts in Waͤlder, Einoͤden und unterirdiſche
Hoͤhlen verkrochen haͤtten. Daher ihr ploͤtzliches Er-
ſcheinen, als dieſe Gefahren voruͤber waren. Er
beruft ſich dabei auf die vielen hebraͤiſchen und neu-
juͤdiſchen Woͤrter der Zigeunerſprache, und er hat
— nach meiner Anſicht — voͤllig Recht; nur haͤtte
er die Abſtammung der Zigeuner nicht blos auf
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |