Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

Juden, an diesen beiden Tagen mehr, als an den
übrigen zu beten."

Jndessen findet man, wie dies auch in andern
heiligen Büchern der Fall ist, manche Widersprüche
unter den Talmudisten. Rabbi Elieser zum Bei-
spiel läßt den Moses nicht in einer Wolke gen Him-
mel fahren, sondern als Gott sich auf dem Sinai
den Jsraeliten offenbarte, wurde der Berg aus
seiner Lage herausgerissen, der Himmel öffnete sich,
und der Gipfel des Sinai stieg mit Moses in den
Himmel hinein. Gott selbst saß auf seinem Thron,
und seine Füße ruheten auf der Finsterniß, womit
der Berg bedeckt war. Rach Rabbi Jsmaels Ver-
sicherung, dem es der Engel Metatron selbst er-
zählt hat, lernte Moses während der vierzig Tage
im Himmel nicht allein das Gesetz, sondern auch
die sämtlichen Schriften des alten Testaments in
siebenzig Sprachen und auf siebenzig verschiedene
Arten auswendig. Er vergaß aber alles in einer
einzigen Stunde, und Gott sandte ihm den Engel
Jefifja, um ihn aufs Neue in die Schule zu neh-
men. Man weiß nicht, ob man mehr die schnelle
Faßungskraft oder das kurze Gedächtniß des heili-
gen Mannes bewundern soll.

Das Gesetz war übrigens schon lange vor Er-
schaffung der Welt vorhanden. Als Moses in den
Himmel kam, fragten nämlich die Engel den Herrn:
Was will der von einem Weibe geborne unter uns?

Juden, an dieſen beiden Tagen mehr, als an den
uͤbrigen zu beten.‟

Jndeſſen findet man, wie dies auch in andern
heiligen Buͤchern der Fall iſt, manche Widerſpruͤche
unter den Talmudiſten. Rabbi Elieſer zum Bei-
ſpiel laͤßt den Moſes nicht in einer Wolke gen Him-
mel fahren, ſondern als Gott ſich auf dem Sinai
den Jſraeliten offenbarte, wurde der Berg aus
ſeiner Lage herausgeriſſen, der Himmel oͤffnete ſich,
und der Gipfel des Sinai ſtieg mit Moſes in den
Himmel hinein. Gott ſelbſt ſaß auf ſeinem Thron,
und ſeine Fuͤße ruheten auf der Finſterniß, womit
der Berg bedeckt war. Rach Rabbi Jsmaels Ver-
ſicherung, dem es der Engel Metatron ſelbſt er-
zaͤhlt hat, lernte Moſes waͤhrend der vierzig Tage
im Himmel nicht allein das Geſetz, ſondern auch
die ſaͤmtlichen Schriften des alten Teſtaments in
ſiebenzig Sprachen und auf ſiebenzig verſchiedene
Arten auswendig. Er vergaß aber alles in einer
einzigen Stunde, und Gott ſandte ihm den Engel
Jefifja, um ihn aufs Neue in die Schule zu neh-
men. Man weiß nicht, ob man mehr die ſchnelle
Faßungskraft oder das kurze Gedaͤchtniß des heili-
gen Mannes bewundern ſoll.

Das Geſetz war uͤbrigens ſchon lange vor Er-
ſchaffung der Welt vorhanden. Als Moſes in den
Himmel kam, fragten naͤmlich die Engel den Herrn:
Was will der von einem Weibe geborne unter uns?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="62"/>
Juden, an die&#x017F;en beiden Tagen mehr, als an den<lb/>
u&#x0364;brigen zu beten.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en findet man, wie dies auch in andern<lb/>
heiligen Bu&#x0364;chern der Fall i&#x017F;t, manche Wider&#x017F;pru&#x0364;che<lb/>
unter den Talmudi&#x017F;ten. Rabbi Elie&#x017F;er zum Bei-<lb/>
&#x017F;piel la&#x0364;ßt den Mo&#x017F;es nicht in einer Wolke gen Him-<lb/>
mel fahren, &#x017F;ondern als Gott &#x017F;ich auf dem Sinai<lb/>
den J&#x017F;raeliten offenbarte, wurde der Berg aus<lb/>
&#x017F;einer Lage herausgeri&#x017F;&#x017F;en, der Himmel o&#x0364;ffnete &#x017F;ich,<lb/>
und der Gipfel des Sinai &#x017F;tieg mit Mo&#x017F;es in den<lb/>
Himmel hinein. Gott &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;aß auf &#x017F;einem Thron,<lb/>
und &#x017F;eine Fu&#x0364;ße ruheten auf der Fin&#x017F;terniß, womit<lb/>
der Berg bedeckt war. Rach Rabbi Jsmaels Ver-<lb/>
&#x017F;icherung, dem es der Engel Metatron &#x017F;elb&#x017F;t er-<lb/>
za&#x0364;hlt hat, lernte Mo&#x017F;es wa&#x0364;hrend der vierzig Tage<lb/>
im Himmel nicht allein das Ge&#x017F;etz, &#x017F;ondern auch<lb/>
die &#x017F;a&#x0364;mtlichen Schriften des alten Te&#x017F;taments in<lb/>
&#x017F;iebenzig Sprachen und auf &#x017F;iebenzig ver&#x017F;chiedene<lb/>
Arten auswendig. Er vergaß aber alles in einer<lb/>
einzigen Stunde, und Gott &#x017F;andte ihm den Engel<lb/>
Jefifja, um ihn aufs Neue in die Schule zu neh-<lb/>
men. Man weiß nicht, ob man mehr die &#x017F;chnelle<lb/>
Faßungskraft oder das kurze Geda&#x0364;chtniß des heili-<lb/>
gen Mannes bewundern &#x017F;oll.</p><lb/>
        <p>Das Ge&#x017F;etz war u&#x0364;brigens &#x017F;chon lange vor Er-<lb/>
&#x017F;chaffung der Welt vorhanden. Als Mo&#x017F;es in den<lb/>
Himmel kam, fragten na&#x0364;mlich die Engel den Herrn:<lb/>
Was will der von einem Weibe geborne unter uns?<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0096] Juden, an dieſen beiden Tagen mehr, als an den uͤbrigen zu beten.‟ Jndeſſen findet man, wie dies auch in andern heiligen Buͤchern der Fall iſt, manche Widerſpruͤche unter den Talmudiſten. Rabbi Elieſer zum Bei- ſpiel laͤßt den Moſes nicht in einer Wolke gen Him- mel fahren, ſondern als Gott ſich auf dem Sinai den Jſraeliten offenbarte, wurde der Berg aus ſeiner Lage herausgeriſſen, der Himmel oͤffnete ſich, und der Gipfel des Sinai ſtieg mit Moſes in den Himmel hinein. Gott ſelbſt ſaß auf ſeinem Thron, und ſeine Fuͤße ruheten auf der Finſterniß, womit der Berg bedeckt war. Rach Rabbi Jsmaels Ver- ſicherung, dem es der Engel Metatron ſelbſt er- zaͤhlt hat, lernte Moſes waͤhrend der vierzig Tage im Himmel nicht allein das Geſetz, ſondern auch die ſaͤmtlichen Schriften des alten Teſtaments in ſiebenzig Sprachen und auf ſiebenzig verſchiedene Arten auswendig. Er vergaß aber alles in einer einzigen Stunde, und Gott ſandte ihm den Engel Jefifja, um ihn aufs Neue in die Schule zu neh- men. Man weiß nicht, ob man mehr die ſchnelle Faßungskraft oder das kurze Gedaͤchtniß des heili- gen Mannes bewundern ſoll. Das Geſetz war uͤbrigens ſchon lange vor Er- ſchaffung der Welt vorhanden. Als Moſes in den Himmel kam, fragten naͤmlich die Engel den Herrn: Was will der von einem Weibe geborne unter uns?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/96
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/96>, abgerufen am 25.11.2024.