Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

gründlich belehren will: der lese die Werke Herders
und anderer vortrefflicher Männer darüber.

Daß die Sittensprüche des guten Sirach nicht
gleichfalls in den Kanon aufgenommen wurden,
kam vielleicht daher, weil er sagt: unweise Leute
betrügen sich selbst mit thörichten Hoffnungen, und
Narren verlassen sich auf Träume. Wer auf Träu-
me hält, greift nach dem Schatten und will den
Wind haschen. Träume sind nichts als Bilder ohne
Wesen. Kap. 34. V. 1, 2, 3. Dieser Ausspruch
konnte weder jüdischen, noch christlichen Freunden
von Träumereien sehr willkommen seyn.

Jhren Gesetzgeber Moses halten die Hebräer
für den größten und vortrefflichsten unter allen ih-
ren Propheten. Er hat den höchsten Grad mensch-
licher Weisheit und Vollkommenheit erreicht und
muß den Engeln gleich geschätzt werden, und zwar
aus folgenden, in ihrem Glaubensbekenntnisse ent-
haltenen Gründen: 1) Gott redete mündlich, von
Angesicht zu Angesicht mit Moses, hingegen mit
den andern Propheten sprach er nur durch einen
Engel oder eine Mittelsperson. 2) Moses empfieng
seine Weissagungen von Gott bei Tage, von Mund
zu Mund, und in Gegenwart der Cherubim 2 B.
Mos. 25. V. 22. Den übrigen Propheten wurden
ihre Offenbarungen durch einen Traum in der
Nacht, oder durch einen tiefen Schlaf am Tage,
wo der ganze Leib erstarrte, und blos die Seele
ihre Kräfte behielt, zu Theil. 3) Wenn der Geist

gruͤndlich belehren will: der leſe die Werke Herders
und anderer vortrefflicher Maͤnner daruͤber.

Daß die Sittenſpruͤche des guten Sirach nicht
gleichfalls in den Kanon aufgenommen wurden,
kam vielleicht daher, weil er ſagt: unweiſe Leute
betruͤgen ſich ſelbſt mit thoͤrichten Hoffnungen, und
Narren verlaſſen ſich auf Traͤume. Wer auf Traͤu-
me haͤlt, greift nach dem Schatten und will den
Wind haſchen. Traͤume ſind nichts als Bilder ohne
Weſen. Kap. 34. V. 1, 2, 3. Dieſer Ausſpruch
konnte weder juͤdiſchen, noch chriſtlichen Freunden
von Traͤumereien ſehr willkommen ſeyn.

Jhren Geſetzgeber Moſes halten die Hebraͤer
fuͤr den groͤßten und vortrefflichſten unter allen ih-
ren Propheten. Er hat den hoͤchſten Grad menſch-
licher Weisheit und Vollkommenheit erreicht und
muß den Engeln gleich geſchaͤtzt werden, und zwar
aus folgenden, in ihrem Glaubensbekenntniſſe ent-
haltenen Gruͤnden: 1) Gott redete muͤndlich, von
Angeſicht zu Angeſicht mit Moſes, hingegen mit
den andern Propheten ſprach er nur durch einen
Engel oder eine Mittelsperſon. 2) Moſes empfieng
ſeine Weiſſagungen von Gott bei Tage, von Mund
zu Mund, und in Gegenwart der Cherubim 2 B.
Moſ. 25. V. 22. Den uͤbrigen Propheten wurden
ihre Offenbarungen durch einen Traum in der
Nacht, oder durch einen tiefen Schlaf am Tage,
wo der ganze Leib erſtarrte, und blos die Seele
ihre Kraͤfte behielt, zu Theil. 3) Wenn der Geiſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0303" n="269"/>
gru&#x0364;ndlich belehren will: der le&#x017F;e die Werke Herders<lb/>
und anderer vortrefflicher Ma&#x0364;nner daru&#x0364;ber.</p><lb/>
        <p>Daß die Sitten&#x017F;pru&#x0364;che des guten Sirach nicht<lb/>
gleichfalls in den Kanon aufgenommen wurden,<lb/>
kam vielleicht daher, weil er &#x017F;agt: unwei&#x017F;e Leute<lb/>
betru&#x0364;gen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t mit tho&#x0364;richten Hoffnungen, und<lb/>
Narren verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich auf Tra&#x0364;ume. Wer auf Tra&#x0364;u-<lb/>
me ha&#x0364;lt, greift nach dem Schatten und will den<lb/>
Wind ha&#x017F;chen. Tra&#x0364;ume &#x017F;ind nichts als Bilder ohne<lb/>
We&#x017F;en. Kap. 34. V. 1, 2, 3. Die&#x017F;er Aus&#x017F;pruch<lb/>
konnte weder ju&#x0364;di&#x017F;chen, noch chri&#x017F;tlichen Freunden<lb/>
von Tra&#x0364;umereien &#x017F;ehr willkommen &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Jhren Ge&#x017F;etzgeber Mo&#x017F;es halten die Hebra&#x0364;er<lb/>
fu&#x0364;r den gro&#x0364;ßten und vortrefflich&#x017F;ten unter allen ih-<lb/>
ren Propheten. Er hat den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad men&#x017F;ch-<lb/>
licher Weisheit und Vollkommenheit erreicht und<lb/>
muß den Engeln gleich ge&#x017F;cha&#x0364;tzt werden, und zwar<lb/>
aus folgenden, in ihrem Glaubensbekenntni&#x017F;&#x017F;e ent-<lb/>
haltenen Gru&#x0364;nden: 1) Gott redete mu&#x0364;ndlich, von<lb/>
Ange&#x017F;icht zu Ange&#x017F;icht mit Mo&#x017F;es, hingegen mit<lb/>
den andern Propheten &#x017F;prach er nur durch einen<lb/>
Engel oder eine Mittelsper&#x017F;on. 2) Mo&#x017F;es empfieng<lb/>
&#x017F;eine Wei&#x017F;&#x017F;agungen von Gott bei Tage, von Mund<lb/>
zu Mund, und in Gegenwart der Cherubim 2 B.<lb/>
Mo&#x017F;. 25. V. 22. Den u&#x0364;brigen Propheten wurden<lb/>
ihre Offenbarungen durch einen Traum in der<lb/>
Nacht, oder durch einen tiefen Schlaf am Tage,<lb/>
wo der ganze Leib er&#x017F;tarrte, und blos die Seele<lb/>
ihre Kra&#x0364;fte behielt, zu Theil. 3) Wenn der Gei&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0303] gruͤndlich belehren will: der leſe die Werke Herders und anderer vortrefflicher Maͤnner daruͤber. Daß die Sittenſpruͤche des guten Sirach nicht gleichfalls in den Kanon aufgenommen wurden, kam vielleicht daher, weil er ſagt: unweiſe Leute betruͤgen ſich ſelbſt mit thoͤrichten Hoffnungen, und Narren verlaſſen ſich auf Traͤume. Wer auf Traͤu- me haͤlt, greift nach dem Schatten und will den Wind haſchen. Traͤume ſind nichts als Bilder ohne Weſen. Kap. 34. V. 1, 2, 3. Dieſer Ausſpruch konnte weder juͤdiſchen, noch chriſtlichen Freunden von Traͤumereien ſehr willkommen ſeyn. Jhren Geſetzgeber Moſes halten die Hebraͤer fuͤr den groͤßten und vortrefflichſten unter allen ih- ren Propheten. Er hat den hoͤchſten Grad menſch- licher Weisheit und Vollkommenheit erreicht und muß den Engeln gleich geſchaͤtzt werden, und zwar aus folgenden, in ihrem Glaubensbekenntniſſe ent- haltenen Gruͤnden: 1) Gott redete muͤndlich, von Angeſicht zu Angeſicht mit Moſes, hingegen mit den andern Propheten ſprach er nur durch einen Engel oder eine Mittelsperſon. 2) Moſes empfieng ſeine Weiſſagungen von Gott bei Tage, von Mund zu Mund, und in Gegenwart der Cherubim 2 B. Moſ. 25. V. 22. Den uͤbrigen Propheten wurden ihre Offenbarungen durch einen Traum in der Nacht, oder durch einen tiefen Schlaf am Tage, wo der ganze Leib erſtarrte, und blos die Seele ihre Kraͤfte behielt, zu Theil. 3) Wenn der Geiſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/303
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/303>, abgerufen am 14.05.2024.