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Humboldt, Alexander von: Ueber den neusten Zustand des Freistaats von Centro-Amerika oder Guatemala. In: Herta, Bd. 6 (1826), S. 131-161.

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A. v. Humboldt, über den neuesten Zustand
Nicaragua*) große Leichtigkeit zum inneren Handelsverkehr. Die
Hauptrichtung zu Ein- und Ausfuhr der Waaren ist jetzt von der
Stadt Granada über den See von Nicaragua bis zur kleinen
Festung von San Carlos, sechs Tagereisen, und von da den Rio
San Juan herab bis zum antillischen Meere, vier Tagereisen.
Der Rückweg stromaufwärts dauert 12 Tage. Die öffentlichen
Einkünfte der beiden Provinzen Nicaragua und Costa Rica waren
nach Abzug von 30000 Piastern Hebungskosten, nach einem Durch-
schnittsjahr von 1815 bis 1819, an 146,000 Piaster, die aber
noch nicht zu der Unterhaltung des Militärs, der kleinen Festungs-
werke und anderer Staatsausgaben hinreichten.

Jn Hinsicht auf Ackerbau und Kultur der Kolonialprodukte
hat in diesen letzten Jahren der Staat von Honduras vorzüglich
die Aufmerksamkeit der Fremden auf sich gezogen. Dort laden
die Ufer des Rio Ulua zum Anbau von Zuckerrohr und Kaffee
ein. Reisende, welche die schönsten Fluren der Jnsel Cuba und
diesen Theil des Staats von Honduras kennen, sind der Meinung,
daß der letztere in seinen wasserreichen Gefilden und seinem Reich-
thum an Rindvieh viele Kolonialprodukte wohlfeiler wird liefern
können als die Antillen. Zwei beträchtliche Ströme, der Rio
Comayagua und Rio Chamelecon bilden durch ihre Vereinigung
bei dem Dorfe Santiago (32 Leguas nördlich von der Stadt
Valladolid oder Comayagua) den Fluß Ulua. Dieser durchläuft
eine fruchtbare Ebene von 40 Meilen Länge und seine Wasser-
menge ist so beträchtlich, daß Fahrzeuge von 70--100 Tonnen,
welche eigends zu dieser Schifffahrt gebaut sind, bis zu dem Dorfe
Santiago aufwärts schiffen können.

Unter allen Ueberbleibseln der Kunst und früheren Kultur
amerikanischer Urvölker verdienen ohne Zweifel die von Guatemala
und dem nahe gelegenen mexikanischen Staate von Merida den
Vorzug. Sie haben einen eigenen Karakter, der sie von allem,
was ich von der aztekischen Bildhauerei bekannt gemacht habe,

*) Es giebt noch keinen Landweg von Carthagena oder von Choco aus
nach Panama; aber Kuriere gehen zu Lande von Nicaragua über
Carthago und die Missiones de Talamanca nach Panama. Von
Nueva Guatemala führt der Landweg über die Ginetta oder, um
diesen hohen Bergpaß zu vermeiden, über el Chilillo.

A. v. Humboldt, uͤber den neueſten Zuſtand
Nicaragua*) große Leichtigkeit zum inneren Handelsverkehr. Die
Hauptrichtung zu Ein- und Ausfuhr der Waaren iſt jetzt von der
Stadt Granada uͤber den See von Nicaragua bis zur kleinen
Feſtung von San Carlos, ſechs Tagereiſen, und von da den Rio
San Juan herab bis zum antilliſchen Meere, vier Tagereiſen.
Der Ruͤckweg ſtromaufwaͤrts dauert 12 Tage. Die oͤffentlichen
Einkuͤnfte der beiden Provinzen Nicaragua und Coſta Rica waren
nach Abzug von 30000 Piaſtern Hebungskoſten, nach einem Durch-
ſchnittsjahr von 1815 bis 1819, an 146,000 Piaſter, die aber
noch nicht zu der Unterhaltung des Militaͤrs, der kleinen Feſtungs-
werke und anderer Staatsausgaben hinreichten.

Jn Hinſicht auf Ackerbau und Kultur der Kolonialprodukte
hat in dieſen letzten Jahren der Staat von Honduras vorzuͤglich
die Aufmerkſamkeit der Fremden auf ſich gezogen. Dort laden
die Ufer des Rio Ulua zum Anbau von Zuckerrohr und Kaffee
ein. Reiſende, welche die ſchoͤnſten Fluren der Jnſel Cuba und
dieſen Theil des Staats von Honduras kennen, ſind der Meinung,
daß der letztere in ſeinen waſſerreichen Gefilden und ſeinem Reich-
thum an Rindvieh viele Kolonialprodukte wohlfeiler wird liefern
koͤnnen als die Antillen. Zwei betraͤchtliche Stroͤme, der Rio
Comayagua und Rio Chamelecon bilden durch ihre Vereinigung
bei dem Dorfe Santiago (32 Leguas noͤrdlich von der Stadt
Valladolid oder Comayagua) den Fluß Ulua. Dieſer durchlaͤuft
eine fruchtbare Ebene von 40 Meilen Laͤnge und ſeine Waſſer-
menge iſt ſo betraͤchtlich, daß Fahrzeuge von 70—100 Tonnen,
welche eigends zu dieſer Schifffahrt gebaut ſind, bis zu dem Dorfe
Santiago aufwaͤrts ſchiffen koͤnnen.

Unter allen Ueberbleibſeln der Kunſt und fruͤheren Kultur
amerikaniſcher Urvoͤlker verdienen ohne Zweifel die von Guatemala
und dem nahe gelegenen mexikaniſchen Staate von Merida den
Vorzug. Sie haben einen eigenen Karakter, der ſie von allem,
was ich von der aztekiſchen Bildhauerei bekannt gemacht habe,

*) Es giebt noch keinen Landweg von Carthagena oder von Choco aus
nach Panama; aber Kuriere gehen zu Lande von Nicaragua uͤber
Carthago und die Miſſiones de Talamanca nach Panama. Von
Nueva Guatemala fuͤhrt der Landweg uͤber die Ginetta oder, um
dieſen hohen Bergpaß zu vermeiden, uͤber el Chilillo.
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[158/0030] A. v. Humboldt, uͤber den neueſten Zuſtand Nicaragua *) große Leichtigkeit zum inneren Handelsverkehr. Die Hauptrichtung zu Ein- und Ausfuhr der Waaren iſt jetzt von der Stadt Granada uͤber den See von Nicaragua bis zur kleinen Feſtung von San Carlos, ſechs Tagereiſen, und von da den Rio San Juan herab bis zum antilliſchen Meere, vier Tagereiſen. Der Ruͤckweg ſtromaufwaͤrts dauert 12 Tage. Die oͤffentlichen Einkuͤnfte der beiden Provinzen Nicaragua und Coſta Rica waren nach Abzug von 30000 Piaſtern Hebungskoſten, nach einem Durch- ſchnittsjahr von 1815 bis 1819, an 146,000 Piaſter, die aber noch nicht zu der Unterhaltung des Militaͤrs, der kleinen Feſtungs- werke und anderer Staatsausgaben hinreichten. Jn Hinſicht auf Ackerbau und Kultur der Kolonialprodukte hat in dieſen letzten Jahren der Staat von Honduras vorzuͤglich die Aufmerkſamkeit der Fremden auf ſich gezogen. Dort laden die Ufer des Rio Ulua zum Anbau von Zuckerrohr und Kaffee ein. Reiſende, welche die ſchoͤnſten Fluren der Jnſel Cuba und dieſen Theil des Staats von Honduras kennen, ſind der Meinung, daß der letztere in ſeinen waſſerreichen Gefilden und ſeinem Reich- thum an Rindvieh viele Kolonialprodukte wohlfeiler wird liefern koͤnnen als die Antillen. Zwei betraͤchtliche Stroͤme, der Rio Comayagua und Rio Chamelecon bilden durch ihre Vereinigung bei dem Dorfe Santiago (32 Leguas noͤrdlich von der Stadt Valladolid oder Comayagua) den Fluß Ulua. Dieſer durchlaͤuft eine fruchtbare Ebene von 40 Meilen Laͤnge und ſeine Waſſer- menge iſt ſo betraͤchtlich, daß Fahrzeuge von 70—100 Tonnen, welche eigends zu dieſer Schifffahrt gebaut ſind, bis zu dem Dorfe Santiago aufwaͤrts ſchiffen koͤnnen. Unter allen Ueberbleibſeln der Kunſt und fruͤheren Kultur amerikaniſcher Urvoͤlker verdienen ohne Zweifel die von Guatemala und dem nahe gelegenen mexikaniſchen Staate von Merida den Vorzug. Sie haben einen eigenen Karakter, der ſie von allem, was ich von der aztekiſchen Bildhauerei bekannt gemacht habe, *) Es giebt noch keinen Landweg von Carthagena oder von Choco aus nach Panama; aber Kuriere gehen zu Lande von Nicaragua uͤber Carthago und die Miſſiones de Talamanca nach Panama. Von Nueva Guatemala fuͤhrt der Landweg uͤber die Ginetta oder, um dieſen hohen Bergpaß zu vermeiden, uͤber el Chilillo.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber den neusten Zustand des Freistaats von Centro-Amerika oder Guatemala. In: Herta, Bd. 6 (1826), S. 131-161, hier S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_zustand_1826/30>, abgerufen am 29.03.2024.