Humboldt, Alexander von: Schreiben des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn van Mons in Brüssel über den chemischen Prozeß der Vitalität. In: Neues Journal der Physik, Bd. 4, H. 2 (1797), S. 171-179.
sung von Arsenikkalk und nun gab er Contractionen, wird *) Was berechtigt denn aber hier gleich zu dem Schluß, daß
nur der Sauerstoff die Rolle gespielt haben müsse? Geht denn in der Faser dabey nichts weiter vor, als daß sie mehr Sauerstoff empfängt? Kann man behaupten, daß ihr kein Kohlenstoff, kein Wasserstoff, kein Phosphor, durch den Sauerstoff entzogen werde? Und darf man aus so unvollkommenen Versuchen gleich auf das, Wie, mit Be- stimmtheit schließen? Warum soll man sich nicht vorerst da- bey beruhigen, nur die Gesetze der Lebenskraft zu erforschen, und also nur bey der Thatsache stehen bleiben, daß die oxy- genirte Salzsäure für die reitzbare Faser noch ein Reitzungs- mittel sey, wenn mehrere andere Substanzen es nicht mehr sind? -- Jn Ansehung des angeführten Maaßes für die Reitzfähigkeit, (nemlich des Galvanismus,) ist auch noch zu erinnern, daß die heterogenen Metalle an die reitz- fähige Faser für sich angewandt ein anderes Reitzungsmittel dem ſung von Arſenikkalk und nun gab er Contractionen, wird *) Was berechtigt denn aber hier gleich zu dem Schluß, daß
nur der Sauerſtoff die Rolle geſpielt haben muͤſſe? Geht denn in der Faſer dabey nichts weiter vor, als daß ſie mehr Sauerſtoff empfaͤngt? Kann man behaupten, daß ihr kein Kohlenſtoff, kein Waſſerſtoff, kein Phosphor, durch den Sauerſtoff entzogen werde? Und darf man aus ſo unvollkommenen Verſuchen gleich auf das, Wie, mit Be- ſtimmtheit ſchließen? Warum ſoll man ſich nicht vorerſt da- bey beruhigen, nur die Geſetze der Lebenskraft zu erforſchen, und alſo nur bey der Thatſache ſtehen bleiben, daß die oxy- genirte Salzſaͤure fuͤr die reitzbare Faſer noch ein Reitzungs- mittel ſey, wenn mehrere andere Subſtanzen es nicht mehr ſind? — Jn Anſehung des angefuͤhrten Maaßes fuͤr die Reitzfaͤhigkeit, (nemlich des Galvanismus,) iſt auch noch zu erinnern, daß die heterogenen Metalle an die reitz- faͤhige Faſer fuͤr ſich angewandt ein anderes Reitzungsmittel dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0009" n="178"/> ſung von Arſenikkalk und nun gab er Contractionen,<lb/> aber ſehr ſchwache. Hier ſind vier Verſuche, von denen<lb/> zwey gelangen, und zwey die Lebenskraͤfte nicht wieder<lb/> erweckten. Jch glaube, daß man nach einer guten Lo-<lb/> gik ſich doch an die affirmativen Verſuche halten muͤſſe.<lb/> Unterſuchen Sie die Bedingungen, und Sie werden ſie<lb/> ſehr verſchieden wahrnehmen. Der linke Schenkel blieb<lb/> ſehr lange (9 Minuten lang) in Alcohol. Der rechte<lb/> Fuß war ſchon ſehr ſchwach als der Verſuch anfieng.<lb/> Wer koͤnnte ſich ruͤhmen, von den Todten aufzuerwecken!<lb/> Wenn von zwey Chemiſten der eine beym Erhitzen des<lb/> rothen Queckſilberkalks Sauerſtoff erhielt, und der an-<lb/> dere nichts, ſo wuͤrden wir doch immer glauben, daß<lb/> der Apparat des letztern nicht luftdicht geweſen ſey. Jch<lb/> ſehe niemals bey einem, durch Alcohol unempfindlich ge-<lb/> machten, Organe die Reitzbarkeit wiederkehren, wenn<lb/> es ſich ſelbſt uͤberlaſſen blieb. Alſo muß bey den Jhnen<lb/> gemeldeten Verſuchen, dergleichen mein Werk noch eine<lb/> große Anzahl enthaͤlt, der Sauerſtoff der oxygenirten<lb/> Salzſaͤure eine Rolle geſpielt haben<note xml:id="fn1" next="#fn1.1" place="foot" n="*)">Was berechtigt denn aber hier gleich zu dem Schluß, daß<lb/> nur der <hi rendition="#g">Sauerſtoff</hi> die Rolle geſpielt haben muͤſſe? Geht<lb/> denn in der Faſer dabey nichts weiter vor, als daß ſie mehr<lb/> Sauerſtoff <hi rendition="#g">empfaͤngt</hi>? Kann man behaupten, daß ihr<lb/> kein Kohlenſtoff, kein Waſſerſtoff, kein Phosphor, durch<lb/> den Sauerſtoff <hi rendition="#g">entzogen</hi> werde? Und darf man aus ſo<lb/> unvollkommenen Verſuchen gleich auf das, <hi rendition="#g">Wie</hi>, mit Be-<lb/> ſtimmtheit ſchließen? Warum ſoll man ſich nicht vorerſt da-<lb/> bey beruhigen, nur die Geſetze der Lebenskraft zu erforſchen,<lb/> und alſo nur bey der Thatſache ſtehen bleiben, daß die oxy-<lb/> genirte Salzſaͤure fuͤr die reitzbare Faſer noch ein Reitzungs-<lb/> mittel ſey, wenn mehrere andere Subſtanzen es nicht mehr<lb/> ſind? — Jn Anſehung des angefuͤhrten Maaßes fuͤr<lb/> die Reitzfaͤhigkeit, (nemlich des Galvanismus,) iſt auch<lb/> noch zu erinnern, daß die heterogenen Metalle an die reitz-<lb/> faͤhige Faſer fuͤr ſich angewandt ein anderes Reitzungsmittel<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></note>. — Die Medizin<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wird</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0009]
ſung von Arſenikkalk und nun gab er Contractionen,
aber ſehr ſchwache. Hier ſind vier Verſuche, von denen
zwey gelangen, und zwey die Lebenskraͤfte nicht wieder
erweckten. Jch glaube, daß man nach einer guten Lo-
gik ſich doch an die affirmativen Verſuche halten muͤſſe.
Unterſuchen Sie die Bedingungen, und Sie werden ſie
ſehr verſchieden wahrnehmen. Der linke Schenkel blieb
ſehr lange (9 Minuten lang) in Alcohol. Der rechte
Fuß war ſchon ſehr ſchwach als der Verſuch anfieng.
Wer koͤnnte ſich ruͤhmen, von den Todten aufzuerwecken!
Wenn von zwey Chemiſten der eine beym Erhitzen des
rothen Queckſilberkalks Sauerſtoff erhielt, und der an-
dere nichts, ſo wuͤrden wir doch immer glauben, daß
der Apparat des letztern nicht luftdicht geweſen ſey. Jch
ſehe niemals bey einem, durch Alcohol unempfindlich ge-
machten, Organe die Reitzbarkeit wiederkehren, wenn
es ſich ſelbſt uͤberlaſſen blieb. Alſo muß bey den Jhnen
gemeldeten Verſuchen, dergleichen mein Werk noch eine
große Anzahl enthaͤlt, der Sauerſtoff der oxygenirten
Salzſaͤure eine Rolle geſpielt haben *). — Die Medizin
wird
*) Was berechtigt denn aber hier gleich zu dem Schluß, daß
nur der Sauerſtoff die Rolle geſpielt haben muͤſſe? Geht
denn in der Faſer dabey nichts weiter vor, als daß ſie mehr
Sauerſtoff empfaͤngt? Kann man behaupten, daß ihr
kein Kohlenſtoff, kein Waſſerſtoff, kein Phosphor, durch
den Sauerſtoff entzogen werde? Und darf man aus ſo
unvollkommenen Verſuchen gleich auf das, Wie, mit Be-
ſtimmtheit ſchließen? Warum ſoll man ſich nicht vorerſt da-
bey beruhigen, nur die Geſetze der Lebenskraft zu erforſchen,
und alſo nur bey der Thatſache ſtehen bleiben, daß die oxy-
genirte Salzſaͤure fuͤr die reitzbare Faſer noch ein Reitzungs-
mittel ſey, wenn mehrere andere Subſtanzen es nicht mehr
ſind? — Jn Anſehung des angefuͤhrten Maaßes fuͤr
die Reitzfaͤhigkeit, (nemlich des Galvanismus,) iſt auch
noch zu erinnern, daß die heterogenen Metalle an die reitz-
faͤhige Faſer fuͤr ſich angewandt ein anderes Reitzungsmittel
dem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_vitalitaet_1797 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_vitalitaet_1797/9 |
| Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Schreiben des Herrn Oberbergraths von Humboldt an Herrn van Mons in Brüssel über den chemischen Prozeß der Vitalität. In: Neues Journal der Physik, Bd. 4, H. 2 (1797), S. 171-179, hier S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_vitalitaet_1797/9>, abgerufen am 23.11.2024. |
