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Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206.

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Besteigung des Chimborazo.
einer herrlichen Ansicht des glocken- oder domförmi-
gen Gipfels des Chimborazo bei dem heitersten, eine
trigonometrische Messung begünstigenden, Wetter.
Durch ein grosses Fernrohr hatten wir den noch
15700 Toisen entfernten Schneemantel des Berges
durchforscht und mehrere Felsgrathe entdeckt, die
wie dürre schwarze Streifen aus dem ewigen Schnee
hervorragend, dem Gipfel zuliefen und einige Hoffnung
gaben, dass man auf ihnen in der Schneeregion festen
Fuss würde fassen können. Riobamba Nuevo liegt
im Angesicht des ungeheuren jetzt zackigen Gebirgs-
stocks Capac-Urcu, von den Spaniern el Altar ge-
nannt, der (laut einer Tradition der Eingebornen)
einst höher als der Chimborazo war, und, nachdem
er viele Jahre lang gespieen, einstürzte. Dieses
Schrecken verbreitende Naturereigniss fällt in die
Zeit kurz vor der Eroberung von Quito durch den
Inca Tupac-Yupanqui. Riobamba Nuevo ist nicht mit
dem alten Riobamba der grossen Karte von La Conda-
mine
und Don Pedro Maldonado zu verwechseln.
Letztere Stadt ist gänzlich zerstört worden durch die
grosse Catastrophe vom 4. Februar 1797, die in weni-
gen Minuten über 45000 Menschen tödtete. Das neue
Riobamba liegt, nach meiner Chronometerbestimmung,
42 Zeitsecunden östlicher als das alte Riobamba, aber
fast unter derselben Breite (1° 41' 46" südlich). Wir
befanden uns in der Ebene von Tapia, aus der wir am
22. Junius unsere Expedition nach dem Chimborazo
antraten, schon 8898 Pariser Fuss* (1483 Toisen)
hoch über dem Spiegel der Südsee. Diese Hochebene,

* Also 2890 Meter; Boussingault fand 2870 Meter und nach der
Erdwärme die mittlere Temperatur der Hochebene von Tapia 16°,4 C.

Besteigung des Chimborazo.
einer herrlichen Ansicht des glocken- oder domförmi-
gen Gipfels des Chimborazo bei dem heitersten, eine
trigonometrische Messung begünstigenden, Wetter.
Durch ein grosses Fernrohr hatten wir den noch
15700 Toisen entfernten Schneemantel des Berges
durchforscht und mehrere Felsgrathe entdeckt, die
wie dürre schwarze Streifen aus dem ewigen Schnee
hervorragend, dem Gipfel zuliefen und einige Hoffnung
gaben, dass man auf ihnen in der Schneeregion festen
Fuss würde fassen können. Riobamba Nuevo liegt
im Angesicht des ungeheuren jetzt zackigen Gebirgs-
stocks Capac-Urcu, von den Spaniern el Altar ge-
nannt, der (laut einer Tradition der Eingebornen)
einst höher als der Chimborazo war, und, nachdem
er viele Jahre lang gespieen, einstürzte. Dieses
Schrecken verbreitende Naturereigniss fällt in die
Zeit kurz vor der Eroberung von Quito durch den
Inca Tupac-Yupanqui. Riobamba Nuevo ist nicht mit
dem alten Riobamba der grossen Karte von La Conda-
mine
und Don Pedro Maldonado zu verwechseln.
Letztere Stadt ist gänzlich zerstört worden durch die
grosse Catastrophe vom 4. Februar 1797, die in weni-
gen Minuten über 45000 Menschen tödtete. Das neue
Riobamba liegt, nach meiner Chronometerbestimmung,
42 Zeitsecunden östlicher als das alte Riobamba, aber
fast unter derselben Breite (1° 41′ 46″ südlich). Wir
befanden uns in der Ebene von Tapia, aus der wir am
22. Junius unsere Expedition nach dem Chimborazo
antraten, schon 8898 Pariser Fuss* (1483 Toisen)
hoch über dem Spiegel der Südsee. Diese Hochebene,

* Also 2890 Meter; Boussingault fand 2870 Meter und nach der
Erdwärme die mittlere Temperatur der Hochebene von Tapia 16°,4 C.
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[180/0007] Besteigung des Chimborazo. einer herrlichen Ansicht des glocken- oder domförmi- gen Gipfels des Chimborazo bei dem heitersten, eine trigonometrische Messung begünstigenden, Wetter. Durch ein grosses Fernrohr hatten wir den noch 15700 Toisen entfernten Schneemantel des Berges durchforscht und mehrere Felsgrathe entdeckt, die wie dürre schwarze Streifen aus dem ewigen Schnee hervorragend, dem Gipfel zuliefen und einige Hoffnung gaben, dass man auf ihnen in der Schneeregion festen Fuss würde fassen können. Riobamba Nuevo liegt im Angesicht des ungeheuren jetzt zackigen Gebirgs- stocks Capac-Urcu, von den Spaniern el Altar ge- nannt, der (laut einer Tradition der Eingebornen) einst höher als der Chimborazo war, und, nachdem er viele Jahre lang gespieen, einstürzte. Dieses Schrecken verbreitende Naturereigniss fällt in die Zeit kurz vor der Eroberung von Quito durch den Inca Tupac-Yupanqui. Riobamba Nuevo ist nicht mit dem alten Riobamba der grossen Karte von La Conda- mine und Don Pedro Maldonado zu verwechseln. Letztere Stadt ist gänzlich zerstört worden durch die grosse Catastrophe vom 4. Februar 1797, die in weni- gen Minuten über 45000 Menschen tödtete. Das neue Riobamba liegt, nach meiner Chronometerbestimmung, 42 Zeitsecunden östlicher als das alte Riobamba, aber fast unter derselben Breite (1° 41′ 46″ südlich). Wir befanden uns in der Ebene von Tapia, aus der wir am 22. Junius unsere Expedition nach dem Chimborazo antraten, schon 8898 Pariser Fuss * (1483 Toisen) hoch über dem Spiegel der Südsee. Diese Hochebene, * Also 2890 Meter; Boussingault fand 2870 Meter und nach der Erdwärme die mittlere Temperatur der Hochebene von Tapia 16°,4 C.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206, hier S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/7>, abgerufen am 20.04.2024.