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Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206.

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Besteigung des Chimborazo.
beträchtlich abgeplattet. Zwanzig Minuten ehe wir
die untere Grenze des ewigen Schnees erreichten,
wurde der Hagel durch Schnee ersetzt. Die Flocken
waren so dicht, dass der Schnee bald viele Zoll tief
den Felskamm bedeckte. Wir wären gewiss in grosse
Gefahr gekommen, hätte uns der Schnee auf 18000
Fuss Höhe überrascht. Um 2 Uhr und einige Minuten
erreichten wir den Punkt, wo unsere Maulthiere stan-
den. Die zurückgebliebenen Eingebornen waren mehr
als nöthig um uns besorgt gewesen.

Der Theil unserer Expedition oberhalb des ewi-
gen Schnees hatte nur 31/2 Stunden gedauert, während
welchen wir, trotz der Luftverdünnung, uns nie durch
Niedersetzen zu ruhen brauchten. Die Dicke des dom-
förmigen Gipfels hat in dieser Höhe der ewigen
Schneegrenze, also in 2460 Toisen Höhe, noch einen
Durchmesser von 3437 Toisen und nahe am höchsten
Gipfel, fast 150 Toisen unterhalb demselben, einen
Durchmesser von 672 Toisen. Die letztere Zahl ist
also der Durchmesser des oberen Theils des Doms
oder der Glocke; die erstere drückt die Breite aus, in
der die ganze Schneemasse des Chimborazo, in Rio-
bamba Nuevo gesehen, dem Auge erscheint, eine Schnee-
masse, die sich mit ihren nördlich anliegenden zwei Kup-
pen auf den 16ten und 25ten Tafeln meines Kupferwerkes:
Vues des Cordilleres abgebildet findet. Ich habe sorg-
fältig mit dem Sextanten die einzelnen Theile des Um-
risses gemessen, wie derselbe sich in der Hochebene
von Tapia, gegen das tiefe Blau des Tropenhimmels,
an einem heiteren Tage, prachtvoll abhebt. Solche
Bestimmungen dienen dazu, das Volum des Colosses
zu ergründen, so weit es eine Fläche übersteigt, in
der Bouguer seine Versuche über die Anziehung des

Besteigung des Chimborazo.
beträchtlich abgeplattet. Zwanzig Minuten ehe wir
die untere Grenze des ewigen Schnees erreichten,
wurde der Hagel durch Schnee ersetzt. Die Flocken
waren so dicht, dass der Schnee bald viele Zoll tief
den Felskamm bedeckte. Wir wären gewiss in grosse
Gefahr gekommen, hätte uns der Schnee auf 18000
Fuss Höhe überrascht. Um 2 Uhr und einige Minuten
erreichten wir den Punkt, wo unsere Maulthiere stan-
den. Die zurückgebliebenen Eingebornen waren mehr
als nöthig um uns besorgt gewesen.

Der Theil unserer Expedition oberhalb des ewi-
gen Schnees hatte nur 3½ Stunden gedauert, während
welchen wir, trotz der Luftverdünnung, uns nie durch
Niedersetzen zu ruhen brauchten. Die Dicke des dom-
förmigen Gipfels hat in dieser Höhe der ewigen
Schneegrenze, also in 2460 Toisen Höhe, noch einen
Durchmesser von 3437 Toisen und nahe am höchsten
Gipfel, fast 150 Toisen unterhalb demselben, einen
Durchmesser von 672 Toisen. Die letztere Zahl ist
also der Durchmesser des oberen Theils des Doms
oder der Glocke; die erstere drückt die Breite aus, in
der die ganze Schneemasse des Chimborazo, in Rio-
bamba Nuevo gesehen, dem Auge erscheint, eine Schnee-
masse, die sich mit ihren nördlich anliegenden zwei Kup-
pen auf den 16ten und 25ten Tafeln meines Kupferwerkes:
Vues des Cordilleres abgebildet findet. Ich habe sorg-
fältig mit dem Sextanten die einzelnen Theile des Um-
risses gemessen, wie derselbe sich in der Hochebene
von Tapia, gegen das tiefe Blau des Tropenhimmels,
an einem heiteren Tage, prachtvoll abhebt. Solche
Bestimmungen dienen dazu, das Volum des Colosses
zu ergründen, so weit es eine Fläche übersteigt, in
der Bouguer seine Versuche über die Anziehung des

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[198/0025] Besteigung des Chimborazo. beträchtlich abgeplattet. Zwanzig Minuten ehe wir die untere Grenze des ewigen Schnees erreichten, wurde der Hagel durch Schnee ersetzt. Die Flocken waren so dicht, dass der Schnee bald viele Zoll tief den Felskamm bedeckte. Wir wären gewiss in grosse Gefahr gekommen, hätte uns der Schnee auf 18000 Fuss Höhe überrascht. Um 2 Uhr und einige Minuten erreichten wir den Punkt, wo unsere Maulthiere stan- den. Die zurückgebliebenen Eingebornen waren mehr als nöthig um uns besorgt gewesen. Der Theil unserer Expedition oberhalb des ewi- gen Schnees hatte nur 3½ Stunden gedauert, während welchen wir, trotz der Luftverdünnung, uns nie durch Niedersetzen zu ruhen brauchten. Die Dicke des dom- förmigen Gipfels hat in dieser Höhe der ewigen Schneegrenze, also in 2460 Toisen Höhe, noch einen Durchmesser von 3437 Toisen und nahe am höchsten Gipfel, fast 150 Toisen unterhalb demselben, einen Durchmesser von 672 Toisen. Die letztere Zahl ist also der Durchmesser des oberen Theils des Doms oder der Glocke; die erstere drückt die Breite aus, in der die ganze Schneemasse des Chimborazo, in Rio- bamba Nuevo gesehen, dem Auge erscheint, eine Schnee- masse, die sich mit ihren nördlich anliegenden zwei Kup- pen auf den 16ten und 25ten Tafeln meines Kupferwerkes: Vues des Cordilleres abgebildet findet. Ich habe sorg- fältig mit dem Sextanten die einzelnen Theile des Um- risses gemessen, wie derselbe sich in der Hochebene von Tapia, gegen das tiefe Blau des Tropenhimmels, an einem heiteren Tage, prachtvoll abhebt. Solche Bestimmungen dienen dazu, das Volum des Colosses zu ergründen, so weit es eine Fläche übersteigt, in der Bouguer seine Versuche über die Anziehung des

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206, hier S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/25>, abgerufen am 29.03.2024.