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Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206.

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Besteigung des Chimborazo.
geringern Höhe am Monte Rosa zu bluten angefangen.
Spanische Krieger kamen bei Eroberung der Aequi-
noctialregion von Amerika (während der Conquista)
nicht über die untere Grenze des ewigen Schnees,
also wenig über die Höhe des Montblanc hinaus,
und doch spricht schon Acosta in seiner Historia
natural de las Indias
, einer Art physischer Erd-
beschreibung, die man ein Meisterwerk des 16ten
Jahrhunderts nennen kann, umständlich "von Ueblich-
keiten und Magenkrampf" als schmerzhaften Symp-
tomen der Bergkrankheit, die darin der Seekrankheit
analog ist. Auf dem Vulcan von Pichincha fühlte ich
einmal, ohne zu bluten, ein so heftiges Magenübel
von Schwindel begleitet, dass ich besinnungslos auf
der Erde gefunden wurde, als ich mich eben auf
einer Felsmauer über der Schlucht von Verde-Cuchu,
von meinen Begleitern getrennt hatte, um electrome-
trische Versuche an einem recht freien Punkte anzu-
stellen. Die Höhe war gering, unter 13800 Fuss.
Am Antisana aber, auf der beträchtlichen Erhebung
von 17022 Fuss, blutete unser junge Reisegefährte
Don Carlos Montufar sehr stark aus den Lippen.
Alle diese Erscheinungen sind nach Beschaffenheit
des Alters, der Constitution, der Zartheit der Haut,
der vorhergegangenen Anstrengung der Muskelkraft
sehr verschieden, doch für einzelne Individuen sind
sie eine Art Maass der Luftverdünnung und absolu-
ten Höhe, zu welcher man gelangt ist. Nach meinen
Beobachtungen in den Cordilleren zeigen sie sich an
weissen Menschen bei einem Barometerstande zwi-
schen 14 Zoll und 15 Zoll 10 Linien. Es ist bekannt,
dass die Angaben der Höhen, zu denen die Luft-
schiffer behaupten sich erhoben zu haben, gewöhnlich


Besteigung des Chimborazo.
geringern Höhe am Monte Rosa zu bluten angefangen.
Spanische Krieger kamen bei Eroberung der Aequi-
noctialregion von Amerika (während der Conquista)
nicht über die untere Grenze des ewigen Schnees,
also wenig über die Höhe des Montblanc hinaus,
und doch spricht schon Acosta in seiner Historia
natural de las Indias
, einer Art physischer Erd-
beschreibung, die man ein Meisterwerk des 16ten
Jahrhunderts nennen kann, umständlich „von Ueblich-
keiten und Magenkrampf“ als schmerzhaften Symp-
tomen der Bergkrankheit, die darin der Seekrankheit
analog ist. Auf dem Vulcan von Pichincha fühlte ich
einmal, ohne zu bluten, ein so heftiges Magenübel
von Schwindel begleitet, dass ich besinnungslos auf
der Erde gefunden wurde, als ich mich eben auf
einer Felsmauer über der Schlucht von Verde-Cuchu,
von meinen Begleitern getrennt hatte, um electrome-
trische Versuche an einem recht freien Punkte anzu-
stellen. Die Höhe war gering, unter 13800 Fuss.
Am Antisana aber, auf der beträchtlichen Erhebung
von 17022 Fuss, blutete unser junge Reisegefährte
Don Carlos Montufar sehr stark aus den Lippen.
Alle diese Erscheinungen sind nach Beschaffenheit
des Alters, der Constitution, der Zartheit der Haut,
der vorhergegangenen Anstrengung der Muskelkraft
sehr verschieden, doch für einzelne Individuen sind
sie eine Art Maass der Luftverdünnung und absolu-
ten Höhe, zu welcher man gelangt ist. Nach meinen
Beobachtungen in den Cordilleren zeigen sie sich an
weissen Menschen bei einem Barometerstande zwi-
schen 14 Zoll und 15 Zoll 10 Linien. Es ist bekannt,
dass die Angaben der Höhen, zu denen die Luft-
schiffer behaupten sich erhoben zu haben, gewöhnlich

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[192/0019] Besteigung des Chimborazo. geringern Höhe am Monte Rosa zu bluten angefangen. Spanische Krieger kamen bei Eroberung der Aequi- noctialregion von Amerika (während der Conquista) nicht über die untere Grenze des ewigen Schnees, also wenig über die Höhe des Montblanc hinaus, und doch spricht schon Acosta in seiner Historia natural de las Indias, einer Art physischer Erd- beschreibung, die man ein Meisterwerk des 16ten Jahrhunderts nennen kann, umständlich „von Ueblich- keiten und Magenkrampf“ als schmerzhaften Symp- tomen der Bergkrankheit, die darin der Seekrankheit analog ist. Auf dem Vulcan von Pichincha fühlte ich einmal, ohne zu bluten, ein so heftiges Magenübel von Schwindel begleitet, dass ich besinnungslos auf der Erde gefunden wurde, als ich mich eben auf einer Felsmauer über der Schlucht von Verde-Cuchu, von meinen Begleitern getrennt hatte, um electrome- trische Versuche an einem recht freien Punkte anzu- stellen. Die Höhe war gering, unter 13800 Fuss. Am Antisana aber, auf der beträchtlichen Erhebung von 17022 Fuss, blutete unser junge Reisegefährte Don Carlos Montufar sehr stark aus den Lippen. Alle diese Erscheinungen sind nach Beschaffenheit des Alters, der Constitution, der Zartheit der Haut, der vorhergegangenen Anstrengung der Muskelkraft sehr verschieden, doch für einzelne Individuen sind sie eine Art Maass der Luftverdünnung und absolu- ten Höhe, zu welcher man gelangt ist. Nach meinen Beobachtungen in den Cordilleren zeigen sie sich an weissen Menschen bei einem Barometerstande zwi- schen 14 Zoll und 15 Zoll 10 Linien. Es ist bekannt, dass die Angaben der Höhen, zu denen die Luft- schiffer behaupten sich erhoben zu haben, gewöhnlich

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206, hier S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/19>, abgerufen am 29.03.2024.