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Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206.

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Besteigung des Chimborazo.
Messungen im Llano de Tapia, sehr vermehrt worden
war. Der geringe Zusammenhang des Gesteins auf dem
Kamm machte nun grössere Vorsicht nöthig, da viele
Massen, die wir für anstehend hielten, lose in Sand
gehüllt lagen. Wir schritten hinter einander und
um so langsamer fort, als man die Stellen prüfen
musste, die unsicher schienen. Glücklicherweise war
der Versuch, den Gipfel des Chimborazo zu erreichen,
die letzte unserer Bergreisen in Südamerika, daher
die früher gesammelten Erfahrungen uns leiten und
mehr Zuversicht auf unsere Kräfte geben konnten.
Es ist ein eigener Charakter aller Excursionen in
der Andeskette, dass oberhalb der ewigen Schnee-
grenze weisse Menschen sich in den bedenklichsten
Lagen stets ohne Führer, ja ohne alle Kenntniss der
Oertlichkeit befinden. Man ist hier überall zuerst.

Wir konnten den Gipfel auch auf Augenblicke
nicht mehr sehen, und waren daher doppelt neugie-
rig zu wissen, wie viel uns zu ersteigen übrig blei-
ben möchte. Wir öffneten das Gefässbarometer an
einem Punkte, wo die Breite des Kammes erlaubte,
dass zwei Personen bequem neben einander stehen
konnten. Wir waren erst 17300 Fuss hoch, also
kaum zweihundert Fuss höher, als wir drei Monate
zuvor, einen ähnlichen Kamm erklimmend, auf dem
Antisana gewesen waren. Es ist mit Höhenbestim-
mungen bei dem Bergsteigen, wie mit Wärmebe-
stimmungen im heissen Sommer. Man findet mit
Verdruss das Thermometer nicht so hoch, den Baro-
meterstand nicht so niedrig, als man es erwartete.
Da die Luft, trotz der Höhe, ganz mit Feuchtigkeit
gesättigt war, so trafen wir nun das lose Gestein
und den Sand, der die Zwischenräume desselben

Besteigung des Chimborazo.
Messungen im Llano de Tapia, sehr vermehrt worden
war. Der geringe Zusammenhang des Gesteins auf dem
Kamm machte nun grössere Vorsicht nöthig, da viele
Massen, die wir für anstehend hielten, lose in Sand
gehüllt lagen. Wir schritten hinter einander und
um so langsamer fort, als man die Stellen prüfen
musste, die unsicher schienen. Glücklicherweise war
der Versuch, den Gipfel des Chimborazo zu erreichen,
die letzte unserer Bergreisen in Südamerika, daher
die früher gesammelten Erfahrungen uns leiten und
mehr Zuversicht auf unsere Kräfte geben konnten.
Es ist ein eigener Charakter aller Excursionen in
der Andeskette, dass oberhalb der ewigen Schnee-
grenze weisse Menschen sich in den bedenklichsten
Lagen stets ohne Führer, ja ohne alle Kenntniss der
Oertlichkeit befinden. Man ist hier überall zuerst.

Wir konnten den Gipfel auch auf Augenblicke
nicht mehr sehen, und waren daher doppelt neugie-
rig zu wissen, wie viel uns zu ersteigen übrig blei-
ben möchte. Wir öffneten das Gefässbarometer an
einem Punkte, wo die Breite des Kammes erlaubte,
dass zwei Personen bequem neben einander stehen
konnten. Wir waren erst 17300 Fuss hoch, also
kaum zweihundert Fuss höher, als wir drei Monate
zuvor, einen ähnlichen Kamm erklimmend, auf dem
Antisana gewesen waren. Es ist mit Höhenbestim-
mungen bei dem Bergsteigen, wie mit Wärmebe-
stimmungen im heissen Sommer. Man findet mit
Verdruss das Thermometer nicht so hoch, den Baro-
meterstand nicht so niedrig, als man es erwartete.
Da die Luft, trotz der Höhe, ganz mit Feuchtigkeit
gesättigt war, so trafen wir nun das lose Gestein
und den Sand, der die Zwischenräume desselben

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[190/0017] Besteigung des Chimborazo. Messungen im Llano de Tapia, sehr vermehrt worden war. Der geringe Zusammenhang des Gesteins auf dem Kamm machte nun grössere Vorsicht nöthig, da viele Massen, die wir für anstehend hielten, lose in Sand gehüllt lagen. Wir schritten hinter einander und um so langsamer fort, als man die Stellen prüfen musste, die unsicher schienen. Glücklicherweise war der Versuch, den Gipfel des Chimborazo zu erreichen, die letzte unserer Bergreisen in Südamerika, daher die früher gesammelten Erfahrungen uns leiten und mehr Zuversicht auf unsere Kräfte geben konnten. Es ist ein eigener Charakter aller Excursionen in der Andeskette, dass oberhalb der ewigen Schnee- grenze weisse Menschen sich in den bedenklichsten Lagen stets ohne Führer, ja ohne alle Kenntniss der Oertlichkeit befinden. Man ist hier überall zuerst. Wir konnten den Gipfel auch auf Augenblicke nicht mehr sehen, und waren daher doppelt neugie- rig zu wissen, wie viel uns zu ersteigen übrig blei- ben möchte. Wir öffneten das Gefässbarometer an einem Punkte, wo die Breite des Kammes erlaubte, dass zwei Personen bequem neben einander stehen konnten. Wir waren erst 17300 Fuss hoch, also kaum zweihundert Fuss höher, als wir drei Monate zuvor, einen ähnlichen Kamm erklimmend, auf dem Antisana gewesen waren. Es ist mit Höhenbestim- mungen bei dem Bergsteigen, wie mit Wärmebe- stimmungen im heissen Sommer. Man findet mit Verdruss das Thermometer nicht so hoch, den Baro- meterstand nicht so niedrig, als man es erwartete. Da die Luft, trotz der Höhe, ganz mit Feuchtigkeit gesättigt war, so trafen wir nun das lose Gestein und den Sand, der die Zwischenräume desselben

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206, hier S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/17>, abgerufen am 24.04.2024.