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Humboldt, Alexander von: Ueber die Anwendung des Galvanischen Reizmittels auf die praktische Heilkunde. Ein Schreiben des Hrn. Obergerbraths von Humboldt an den Herausgeber. In: Journal für die Chirurgie, Geburtshülfe und gerichtliche Arzneykunde, Bd. 1 (1797), S. 447-471.

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und rheumatischen Uebeln Heilung? -- Die-
se Frage steht mit der vorigen in naher Verbindung.
So wie beym Ersticken das ganze Nerven- und Muskel-
system paralytisch ist; so kann die Lähmung sich auf ein-
zelne Organe, auf Magen, Augen, (in der Amauro-
sis) Extremitäten, Hautgefäße (in den Leberflecken) u.
s. f. einschränken. Hr. Pfaff wendet gegen die An-
wendung des Galvanischen Experiments bey paralyti-
schen Krankheiten ein, daß künstliche Elektricität, die
nach Willkühr erhöht oder vermindert werden könnte,
auch hier den Vorzug verdienen würde. Aber, liegt in
dieser Behauptung nicht mehr, als durch Erfahrung be-
gründet wird? Sind die Galvanischen und elektrischen
Erscheinungen nicht wesentlich von einander verschieden?
und mit welchem Rechte kann man daher auf gleiche
Wirkung schließen? Hrn. Reil's*) Erwartungen wer-
den durch manche Analogie begünstigt: und, da es so
gewöhnlich ist, Fontanellen in gelähmten Gliedern an-
zubringen; so werden thätige Aerzte Gelegenheit genug
finden, das wenigstens unschädliche Galvanische Experi-
ment auf diese schicklich anzuwenden. -- Noch mehr
scheint dasselbe bey rheumatischen Uebeln und in andern
Fällen zu versprechen, wo Feuchtigkeiten aus dem Kör-
per abgeleitet werden sollen. Jn den Versuchen, welche
ich wiederholt an mir selbst angestellt habe, dauerte die
Secretion der lymphatischserösen Feuchtigkeit so lan-

*) Gren's Journal der Physik B. 6. S. 414.

und rheumatiſchen Uebeln Heilung? — Die-
ſe Frage ſteht mit der vorigen in naher Verbindung.
So wie beym Erſticken das ganze Nerven- und Muſkel-
ſyſtem paralytiſch iſt; ſo kann die Laͤhmung ſich auf ein-
zelne Organe, auf Magen, Augen, (in der Amauro-
ſis) Extremitaͤten, Hautgefaͤße (in den Leberflecken) u.
ſ. f. einſchraͤnken. Hr. Pfaff wendet gegen die An-
wendung des Galvaniſchen Experiments bey paralyti-
ſchen Krankheiten ein, daß kuͤnſtliche Elektricitaͤt, die
nach Willkuͤhr erhoͤht oder vermindert werden koͤnnte,
auch hier den Vorzug verdienen wuͤrde. Aber, liegt in
dieſer Behauptung nicht mehr, als durch Erfahrung be-
gruͤndet wird? Sind die Galvaniſchen und elektriſchen
Erſcheinungen nicht weſentlich von einander verſchieden?
und mit welchem Rechte kann man daher auf gleiche
Wirkung ſchließen? Hrn. Reil's*) Erwartungen wer-
den durch manche Analogie beguͤnſtigt: und, da es ſo
gewoͤhnlich iſt, Fontanellen in gelaͤhmten Gliedern an-
zubringen; ſo werden thaͤtige Aerzte Gelegenheit genug
finden, das wenigſtens unſchaͤdliche Galvaniſche Experi-
ment auf dieſe ſchicklich anzuwenden. — Noch mehr
ſcheint daſſelbe bey rheumatiſchen Uebeln und in andern
Faͤllen zu verſprechen, wo Feuchtigkeiten aus dem Koͤr-
per abgeleitet werden ſollen. Jn den Verſuchen, welche
ich wiederholt an mir ſelbſt angeſtellt habe, dauerte die
Secretion der lymphatiſchſeroͤſen Feuchtigkeit ſo lan-

*) Gren's Journal der Phyſik B. 6. S. 414.
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[465/0020] und rheumatiſchen Uebeln Heilung? — Die- ſe Frage ſteht mit der vorigen in naher Verbindung. So wie beym Erſticken das ganze Nerven- und Muſkel- ſyſtem paralytiſch iſt; ſo kann die Laͤhmung ſich auf ein- zelne Organe, auf Magen, Augen, (in der Amauro- ſis) Extremitaͤten, Hautgefaͤße (in den Leberflecken) u. ſ. f. einſchraͤnken. Hr. Pfaff wendet gegen die An- wendung des Galvaniſchen Experiments bey paralyti- ſchen Krankheiten ein, daß kuͤnſtliche Elektricitaͤt, die nach Willkuͤhr erhoͤht oder vermindert werden koͤnnte, auch hier den Vorzug verdienen wuͤrde. Aber, liegt in dieſer Behauptung nicht mehr, als durch Erfahrung be- gruͤndet wird? Sind die Galvaniſchen und elektriſchen Erſcheinungen nicht weſentlich von einander verſchieden? und mit welchem Rechte kann man daher auf gleiche Wirkung ſchließen? Hrn. Reil's *) Erwartungen wer- den durch manche Analogie beguͤnſtigt: und, da es ſo gewoͤhnlich iſt, Fontanellen in gelaͤhmten Gliedern an- zubringen; ſo werden thaͤtige Aerzte Gelegenheit genug finden, das wenigſtens unſchaͤdliche Galvaniſche Experi- ment auf dieſe ſchicklich anzuwenden. — Noch mehr ſcheint daſſelbe bey rheumatiſchen Uebeln und in andern Faͤllen zu verſprechen, wo Feuchtigkeiten aus dem Koͤr- per abgeleitet werden ſollen. Jn den Verſuchen, welche ich wiederholt an mir ſelbſt angeſtellt habe, dauerte die Secretion der lymphatiſchſeroͤſen Feuchtigkeit ſo lan- *) Gren's Journal der Phyſik B. 6. S. 414.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Anwendung des Galvanischen Reizmittels auf die praktische Heilkunde. Ein Schreiben des Hrn. Obergerbraths von Humboldt an den Herausgeber. In: Journal für die Chirurgie, Geburtshülfe und gerichtliche Arzneykunde, Bd. 1 (1797), S. 447-471, hier S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_reizmittel_1797/20>, abgerufen am 28.04.2024.