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Humboldt, Alexander von: Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome. [Druck vorgesehen für: Kleinere Schriften von Alexander von Humboldt. Zweiter Band (nicht erschienen).] Korrekturbogen aus dem Schiller Nationalmuseum, Deutsches Literaturarchiv in Marbach a. N.: Cotta-Archiv, s. e., [1833-ca. 1855], S. 31-145.

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eigenthümlichen Nutzen in einer verständigen Anwendung des Thermometers aufgefunden. "Ehe man noch die Eismassen von der Spitze des höchsten Mastes entdecken konnte, wurde die Nähe der Gefahr durch schnelle Verminderung der Temperatur des Seewassers angezeigt" (Rennell, Currents p. 73). Dieser Umstand erinnert an eine fast analoge Beobachtung, die ich in Südamerika am Magdalenenstrome zu machen Gelegenheit hatte, während der zwei Monate, in denen ich, von Mahates nach Honda den Strom aufwärts fahrend, an der Karte des großen Flußthals arbeitete. Es glückte mir mehrmals, auch wenn in der meteorologischen Beschaffenheit des Luftkreises keine Veränderung bemerkbar war, das Steigen des Flusses mehrere Stunden vorherzusagen. Die gewöhnliche Wärme des Flußwassers, welche 20°-21° R. war1, sank plötzlich auf 18°,7 und 19°,2 herab. Wasser geschmolzenen Schnees und kalte Regengüsse in den Zuflüssen und Gebirgsthälern zwischen Neiva und Timana verursachen das Steigen der Magdalena; und (um mich eines alten atomistischen Ausdrucks zu bedienen) der Wärmestoff geht schneller stromaufwärts gegen Süden, als die Fluth (creciente) gegen Norden hinabkommt. Da diese Fluth für die kleinen Fahrzeuge, welche unbemannt in gewissen Theilen des Flusses nahe am Ufer liegen, wie für das Gepäck von Reisenden, welche die Nacht auf niedrigen Inseln zubringen, gefährlich sein kann; so ist die Vorherbestimmung der Erscheinung nicht ohne

1 Wenn bei Fluß-Ueberschwemmungen, wie ich z. B. im Littoral der Südsee, im Rio de Guayaquil und im Daule beobachtet, die weingelbe oder caffeebraune, mit faulenden Gramineen und Algen angeschwängerte und Schwefel-Wasserstoffgas aushauchende Flüssigkeit bei 4 bis 6 Fuß Tiefe einen weit höheren Grad der Temperatur (26°,8 R.) annahm; so war die Ursach davon die Erwärmung des Grundes durch die wenig geschwächt eindringenden Sonnenstrahlen.

eigenthümlichen Nutzen in einer verständigen Anwendung des Thermometers aufgefunden. „Ehe man noch die Eismassen von der Spitze des höchsten Mastes entdecken konnte, wurde die Nähe der Gefahr durch schnelle Verminderung der Temperatur des Seewassers angezeigt“ (Rennell, Currents p. 73). Dieser Umstand erinnert an eine fast analoge Beobachtung, die ich in Südamerika am Magdalenenstrome zu machen Gelegenheit hatte, während der zwei Monate, in denen ich, von Mahates nach Honda den Strom aufwärts fahrend, an der Karte des großen Flußthals arbeitete. Es glückte mir mehrmals, auch wenn in der meteorologischen Beschaffenheit des Luftkreises keine Veränderung bemerkbar war, das Steigen des Flusses mehrere Stunden vorherzusagen. Die gewöhnliche Wärme des Flußwassers, welche 20°–21° R. war1, sank plötzlich auf 18°,7 und 19°,2 herab. Wasser geschmolzenen Schnees und kalte Regengüsse in den Zuflüssen und Gebirgsthälern zwischen Neiva und Timana verursachen das Steigen der Magdalena; und (um mich eines alten atomistischen Ausdrucks zu bedienen) der Wärmestoff geht schneller stromaufwärts gegen Süden, als die Fluth (creciente) gegen Norden hinabkommt. Da diese Fluth für die kleinen Fahrzeuge, welche unbemannt in gewissen Theilen des Flusses nahe am Ufer liegen, wie für das Gepäck von Reisenden, welche die Nacht auf niedrigen Inseln zubringen, gefährlich sein kann; so ist die Vorherbestimmung der Erscheinung nicht ohne

1 Wenn bei Fluß-Ueberschwemmungen, wie ich z. B. im Littoral der Südsee, im Rio de Guayaquil und im Daule beobachtet, die weingelbe oder caffeebraune, mit faulenden Gramineen und Algen angeschwängerte und Schwefel-Wasserstoffgas aushauchende Flüssigkeit bei 4 bis 6 Fuß Tiefe einen weit höheren Grad der Temperatur (26°,8 R.) annahm; so war die Ursach davon die Erwärmung des Grundes durch die wenig geschwächt eindringenden Sonnenstrahlen.
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[47/0017] eigenthümlichen Nutzen in einer verständigen Anwendung des Thermometers aufgefunden. „Ehe man noch die Eismassen von der Spitze des höchsten Mastes entdecken konnte, wurde die Nähe der Gefahr durch schnelle Verminderung der Temperatur des Seewassers angezeigt“ (Rennell, Currents p. 73). Dieser Umstand erinnert an eine fast analoge Beobachtung, die ich in Südamerika am Magdalenenstrome zu machen Gelegenheit hatte, während der zwei Monate, in denen ich, von Mahates nach Honda den Strom aufwärts fahrend, an der Karte des großen Flußthals arbeitete. Es glückte mir mehrmals, auch wenn in der meteorologischen Beschaffenheit des Luftkreises keine Veränderung bemerkbar war, das Steigen des Flusses mehrere Stunden vorherzusagen. Die gewöhnliche Wärme des Flußwassers, welche 20°–21° R. war 1, sank plötzlich auf 18°,7 und 19°,2 herab. Wasser geschmolzenen Schnees und kalte Regengüsse in den Zuflüssen und Gebirgsthälern zwischen Neiva und Timana verursachen das Steigen der Magdalena; und (um mich eines alten atomistischen Ausdrucks zu bedienen) der Wärmestoff geht schneller stromaufwärts gegen Süden, als die Fluth (creciente) gegen Norden hinabkommt. Da diese Fluth für die kleinen Fahrzeuge, welche unbemannt in gewissen Theilen des Flusses nahe am Ufer liegen, wie für das Gepäck von Reisenden, welche die Nacht auf niedrigen Inseln zubringen, gefährlich sein kann; so ist die Vorherbestimmung der Erscheinung nicht ohne 1 Wenn bei Fluß-Ueberschwemmungen, wie ich z. B. im Littoral der Südsee, im Rio de Guayaquil und im Daule beobachtet, die weingelbe oder caffeebraune, mit faulenden Gramineen und Algen angeschwängerte und Schwefel-Wasserstoffgas aushauchende Flüssigkeit bei 4 bis 6 Fuß Tiefe einen weit höheren Grad der Temperatur (26°,8 R.) annahm; so war die Ursach davon die Erwärmung des Grundes durch die wenig geschwächt eindringenden Sonnenstrahlen.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome. [Druck vorgesehen für: Kleinere Schriften von Alexander von Humboldt. Zweiter Band (nicht erschienen).] Korrekturbogen aus dem Schiller Nationalmuseum, Deutsches Literaturarchiv in Marbach a. N.: Cotta-Archiv, s. e., [1833-ca. 1855], S. 31-145, hier S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_meer_1833/17>, abgerufen am 25.04.2024.