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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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mit gefrorener Erde gemengt waren; dann begann dichtes Eis, das in 10 Fuß Tiefe noch nicht durchsenkt wurde.

Die geographische Erstreckung des Eisbodens: d. i. der Verlauf der Grenze, an der man im hohen Norden von der skandinavischen Halbinsel an bis gegen die östlichen Küsten Asiens im August und also das ganze Jahr hindurch in gewisser Tiefe Eis und gefrorenes Erdreich findet; ist nach Middendorff's scharfsinniger Verallgemeinerung des Beobachteten, wie alle geothermischen Verhältnisse, noch mehr von örtlichen Einflüssen abhängig als die Temperatur des Luftkreises. Der Einfluß der letzteren ist im ganzen gewiß der entscheidendste; aber die Isogeothermen sind, wie schon Kupffer bemerkt hat, in ihren convexen und concaven Krümmungen nicht den klimatischen Isothermen, welche von den Temperatur-Mitteln der Atmosphäre bestimmt werden, parallel. Das Eindringen der aus der Atmosphäre tropfbar niedergeschlagenen Dämpfe, das Aufsteigen warmer Quellwasser aus der Tiefe, und die so verschiedene wärmeleitende Kraft des Bodens50 scheinen besonders wirksam zu sein. "An der nördlichsten Spitze des europäischen Continents, in Finmarken, unter 70° und 71° Breite, ist noch kein zusammenhangender Eisboden vorhanden. Ostwärts in das Flußthal des Obi eintretend, 5 Grade südlicher als das Nordcap, findet man Eisboden in Obdorsk und Beresow. Gegen Ost und Südost nimmt die Kälte des Bodens zu: mit Ausnahme von Tobolsk am Irtisch, wo die Temperatur des Bodens kälter ist als bei dem 1° nördlicheren Witimsk im Lena-Thale. Turuchansk (65° 54') am Jenisei liegt noch auf ungefrorenem Boden, aber ganz nahe der Grenze des Eisbodens. Amginsk, südöstlich von Jakutsk, hat einen eben so kalten Boden als das 5° nördlichere Obdorsk; eben so ist

mit gefrorener Erde gemengt waren; dann begann dichtes Eis, das in 10 Fuß Tiefe noch nicht durchsenkt wurde.

Die geographische Erstreckung des Eisbodens: d. i. der Verlauf der Grenze, an der man im hohen Norden von der skandinavischen Halbinsel an bis gegen die östlichen Küsten Asiens im August und also das ganze Jahr hindurch in gewisser Tiefe Eis und gefrorenes Erdreich findet; ist nach Middendorff's scharfsinniger Verallgemeinerung des Beobachteten, wie alle geothermischen Verhältnisse, noch mehr von örtlichen Einflüssen abhängig als die Temperatur des Luftkreises. Der Einfluß der letzteren ist im ganzen gewiß der entscheidendste; aber die Isogeothermen sind, wie schon Kupffer bemerkt hat, in ihren convexen und concaven Krümmungen nicht den klimatischen Isothermen, welche von den Temperatur-Mitteln der Atmosphäre bestimmt werden, parallel. Das Eindringen der aus der Atmosphäre tropfbar niedergeschlagenen Dämpfe, das Aufsteigen warmer Quellwasser aus der Tiefe, und die so verschiedene wärmeleitende Kraft des Bodens50 scheinen besonders wirksam zu sein. „An der nördlichsten Spitze des europäischen Continents, in Finmarken, unter 70° und 71° Breite, ist noch kein zusammenhangender Eisboden vorhanden. Ostwärts in das Flußthal des Obi eintretend, 5 Grade südlicher als das Nordcap, findet man Eisboden in Obdorsk und Beresow. Gegen Ost und Südost nimmt die Kälte des Bodens zu: mit Ausnahme von Tobolsk am Irtisch, wo die Temperatur des Bodens kälter ist als bei dem 1° nördlicheren Witimsk im Lena-Thale. Turuchansk (65° 54′) am Jenisei liegt noch auf ungefrorenem Boden, aber ganz nahe der Grenze des Eisbodens. Amginsk, südöstlich von Jakutsk, hat einen eben so kalten Boden als das 5° nördlichere Obdorsk; eben so ist

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[46/0051] mit gefrorener Erde gemengt waren; dann begann dichtes Eis, das in 10 Fuß Tiefe noch nicht durchsenkt wurde. Die geographische Erstreckung des Eisbodens: d. i. der Verlauf der Grenze, an der man im hohen Norden von der skandinavischen Halbinsel an bis gegen die östlichen Küsten Asiens im August und also das ganze Jahr hindurch in gewisser Tiefe Eis und gefrorenes Erdreich findet; ist nach Middendorff's scharfsinniger Verallgemeinerung des Beobachteten, wie alle geothermischen Verhältnisse, noch mehr von örtlichen Einflüssen abhängig als die Temperatur des Luftkreises. Der Einfluß der letzteren ist im ganzen gewiß der entscheidendste; aber die Isogeothermen sind, wie schon Kupffer bemerkt hat, in ihren convexen und concaven Krümmungen nicht den klimatischen Isothermen, welche von den Temperatur-Mitteln der Atmosphäre bestimmt werden, parallel. Das Eindringen der aus der Atmosphäre tropfbar niedergeschlagenen Dämpfe, das Aufsteigen warmer Quellwasser aus der Tiefe, und die so verschiedene wärmeleitende Kraft des Bodens ⁵⁰ scheinen besonders wirksam zu sein. „An der nördlichsten Spitze des europäischen Continents, in Finmarken, unter 70° und 71° Breite, ist noch kein zusammenhangender Eisboden vorhanden. Ostwärts in das Flußthal des Obi eintretend, 5 Grade südlicher als das Nordcap, findet man Eisboden in Obdorsk und Beresow. Gegen Ost und Südost nimmt die Kälte des Bodens zu: mit Ausnahme von Tobolsk am Irtisch, wo die Temperatur des Bodens kälter ist als bei dem 1° nördlicheren Witimsk im Lena-Thale. Turuchansk (65° 54′) am Jenisei liegt noch auf ungefrorenem Boden, aber ganz nahe der Grenze des Eisbodens. Amginsk, südöstlich von Jakutsk, hat einen eben so kalten Boden als das 5° nördlichere Obdorsk; eben so ist

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/51>, abgerufen am 03.05.2024.