Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Erdreichs, am nächsten ist. Sie würde in dem Schergin-Schacht nach Middendorff's Angabe, welche mit der viel früheren Erman's ganz übereinstimmt, erst in 612 oder 642 Fuß Tiefe gefunden werden. Dagegen schiene nach der Temperatur-Zunahme, welche in den, freilich noch nicht 60 Fuß tiefen und kaum eine Meile von Irkutsk entfernten Mangan-, Schilow- und Dawydow-Gruben, in der hügeligen Kette des linken Lena-Ufers, beobachtet wurde, die Normal-Schicht von 0° schon in 300 Fuß, ja in noch geringerer Tiefe zu liegen.47 Ist diese Ungleichheit der Lage nur scheinbar, weil eine numerische Bestimmung, auf so unbedeutende Schachttiefen gegründet, überaus unsicher ist und die Temperatur-Zunahme nicht immer demselben Gesetze gehorcht? Ist es gewiß, daß, wenn man aus dem Tiefsten des Schergin-Schachtes eine horizontale (söhlige) Strecke viele hundert Lachter weit ins Feld triebe, man in jeder Richtung und Entfernung gefrornes Erdreich und dieses gar mit einer Temperatur von 21/2 Grad unter dem Nullpunkt finden würde?

Schrenk hat das Bodeneis in 67°1/2 Breite im Lande der Samojeden untersucht. Um Pustojenskoy Gorodok wird das Brunnengraben durch Anwendung des Feuers beschleunigt. Mitten im Sommer fand man die Eisschicht schon in 5 Fuß Tiefe. Man konnte sie in der Dicke von 63 Fuß verfolgen, als plötzlich die Arbeit gestört ward. Ueber den nahen Landsee von Ustje konnte man 1813 den ganzen Sommer hindurch in Schlitten fahren.48 Auf meiner sibirischen Expedition mit Ehrenberg und Gustav Rose ließen wir bei Bogoslowsk (Br. 59° 44'), an dem Wege nach den Turjin'schen Gruben49, im Ural einen Schurf in einem torfigen Boden graben. In 5 Fuß Tiefe traf man schon auf Eisstücke, die breccienartig

Erdreichs, am nächsten ist. Sie würde in dem Schergin-Schacht nach Middendorff's Angabe, welche mit der viel früheren Erman's ganz übereinstimmt, erst in 612 oder 642 Fuß Tiefe gefunden werden. Dagegen schiene nach der Temperatur-Zunahme, welche in den, freilich noch nicht 60 Fuß tiefen und kaum eine Meile von Irkutsk entfernten Mangan-, Schilow- und Dawydow-Gruben, in der hügeligen Kette des linken Lena-Ufers, beobachtet wurde, die Normal-Schicht von 0° schon in 300 Fuß, ja in noch geringerer Tiefe zu liegen.47 Ist diese Ungleichheit der Lage nur scheinbar, weil eine numerische Bestimmung, auf so unbedeutende Schachttiefen gegründet, überaus unsicher ist und die Temperatur-Zunahme nicht immer demselben Gesetze gehorcht? Ist es gewiß, daß, wenn man aus dem Tiefsten des Schergin-Schachtes eine horizontale (söhlige) Strecke viele hundert Lachter weit ins Feld triebe, man in jeder Richtung und Entfernung gefrornes Erdreich und dieses gar mit einer Temperatur von 2½ Grad unter dem Nullpunkt finden würde?

Schrenk hat das Bodeneis in 67°½ Breite im Lande der Samojeden untersucht. Um Pustojenskoy Gorodok wird das Brunnengraben durch Anwendung des Feuers beschleunigt. Mitten im Sommer fand man die Eisschicht schon in 5 Fuß Tiefe. Man konnte sie in der Dicke von 63 Fuß verfolgen, als plötzlich die Arbeit gestört ward. Ueber den nahen Landsee von Ustje konnte man 1813 den ganzen Sommer hindurch in Schlitten fahren.48 Auf meiner sibirischen Expedition mit Ehrenberg und Gustav Rose ließen wir bei Bogoslowsk (Br. 59° 44′), an dem Wege nach den Turjin'schen Gruben49, im Ural einen Schurf in einem torfigen Boden graben. In 5 Fuß Tiefe traf man schon auf Eisstücke, die breccienartig

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0050" n="45"/>
Erdreichs, am nächsten ist. Sie würde in dem Schergin-Schacht nach Middendorff's Angabe, welche mit der viel früheren Erman's ganz übereinstimmt, erst in 612 oder 642 Fuß Tiefe gefunden werden. Dagegen schiene nach der Temperatur-Zunahme, welche in den, freilich noch nicht 60 Fuß tiefen und kaum eine Meile von Irkutsk entfernten Mangan-, Schilow- und Dawydow-Gruben, in der hügeligen Kette des linken Lena-Ufers, beobachtet wurde, die Normal-Schicht von 0° schon in 300 Fuß, ja in noch geringerer Tiefe zu liegen.<note xml:id="ftn47" next="ftn47-text" place="end" n="47"/> Ist diese Ungleichheit der Lage nur scheinbar, weil eine numerische Bestimmung, auf so unbedeutende Schachttiefen gegründet, überaus unsicher ist und die Temperatur-Zunahme nicht immer demselben Gesetze gehorcht? Ist es gewiß, daß, wenn man aus dem Tiefsten des Schergin-Schachtes eine horizontale (söhlige) Strecke viele hundert Lachter weit ins Feld triebe, man in jeder Richtung und Entfernung gefrornes Erdreich und dieses gar mit einer Temperatur von 2½ Grad unter dem Nullpunkt finden würde?</p>
                <p>Schrenk hat das Bodeneis in 67°½ Breite im Lande der Samojeden untersucht. Um Pustojenskoy Gorodok wird das Brunnengraben durch Anwendung des Feuers beschleunigt. Mitten im Sommer fand man die Eisschicht schon in 5 Fuß Tiefe. Man konnte sie in der Dicke von 63 Fuß verfolgen, als plötzlich die Arbeit gestört ward. Ueber den nahen Landsee von Ustje konnte man 1813 den ganzen Sommer hindurch in Schlitten fahren.<note xml:id="ftn48" next="ftn48-text" place="end" n="48"/> Auf meiner sibirischen Expedition mit Ehrenberg und Gustav Rose ließen wir bei Bogoslowsk (Br. 59° 44&#x2032;), an dem Wege nach den Turjin'schen Gruben<note xml:id="ftn49" next="ftn49-text" place="end" n="49"/>, im Ural einen Schurf in einem torfigen Boden graben. In 5 Fuß Tiefe traf man schon auf Eisstücke, die breccienartig
</p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0050] Erdreichs, am nächsten ist. Sie würde in dem Schergin-Schacht nach Middendorff's Angabe, welche mit der viel früheren Erman's ganz übereinstimmt, erst in 612 oder 642 Fuß Tiefe gefunden werden. Dagegen schiene nach der Temperatur-Zunahme, welche in den, freilich noch nicht 60 Fuß tiefen und kaum eine Meile von Irkutsk entfernten Mangan-, Schilow- und Dawydow-Gruben, in der hügeligen Kette des linken Lena-Ufers, beobachtet wurde, die Normal-Schicht von 0° schon in 300 Fuß, ja in noch geringerer Tiefe zu liegen. ⁴⁷ Ist diese Ungleichheit der Lage nur scheinbar, weil eine numerische Bestimmung, auf so unbedeutende Schachttiefen gegründet, überaus unsicher ist und die Temperatur-Zunahme nicht immer demselben Gesetze gehorcht? Ist es gewiß, daß, wenn man aus dem Tiefsten des Schergin-Schachtes eine horizontale (söhlige) Strecke viele hundert Lachter weit ins Feld triebe, man in jeder Richtung und Entfernung gefrornes Erdreich und dieses gar mit einer Temperatur von 2½ Grad unter dem Nullpunkt finden würde? Schrenk hat das Bodeneis in 67°½ Breite im Lande der Samojeden untersucht. Um Pustojenskoy Gorodok wird das Brunnengraben durch Anwendung des Feuers beschleunigt. Mitten im Sommer fand man die Eisschicht schon in 5 Fuß Tiefe. Man konnte sie in der Dicke von 63 Fuß verfolgen, als plötzlich die Arbeit gestört ward. Ueber den nahen Landsee von Ustje konnte man 1813 den ganzen Sommer hindurch in Schlitten fahren. ⁴⁸ Auf meiner sibirischen Expedition mit Ehrenberg und Gustav Rose ließen wir bei Bogoslowsk (Br. 59° 44′), an dem Wege nach den Turjin'schen Gruben ⁴⁹ , im Ural einen Schurf in einem torfigen Boden graben. In 5 Fuß Tiefe traf man schon auf Eisstücke, die breccienartig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/50
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/50>, abgerufen am 20.04.2024.