Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

des Kraters: nicht im Atrio del Cavallo, nicht in der Einsiedelei del Salvatore. Die Periodicität der Erschütterung bezeugt, daß sie abhängig war von einem bestimmten Spannungsgrade, welchen die Dämpfe erreichen müssen, um in dem Inneren des Schlackenkegels die geschmolzene Masse zu durchbrechen. Eben so als man in dem eben beschriebenen Falle keine Erschütterungen am Abfall des Aschenkegels des Vesuvs fühlte; wurde auch bei einem ganz analogen, aber viel großartigeren Phänomen: am Aschenkegel des Vulkans Sangai, der südöstlich von der Stadt Quito sich bis zu 15984 Fuß erhebt, von einem sehr ausgezeichneten Beobachter, Herrn Wisse, als er sich (im December 1849) dem Gipfel und Krater bis auf tausend Fuß näherte, kein Erzittern des Bodens28 bemerkt; dennoch waren in der Stunde bis 267 Explosionen (Schlacken-Auswürfe) gezählt worden.

Eine zweite, unendlich wichtigere Gattung von Erdbeben ist die sehr häufige, welche große Ausbrüche von Vulkanen zu begleiten oder ihnen voranzugehen pflegt: sei es, daß die Vulkane, wie unsere europäischen, Lavaströme ergießen; oder, wie Cotopaxi, Pichincha und Tunguragua der Andeskette, nur verschlackte Massen, Asche und Dämpfe ausstoßen. Für diese Gattung sind vorzugsweise die Vulkane als Sicherheits-Ventile zu betrachten, schon nach dem Ausspruche Strabo's über die lava-ergießende Spalte bei Lelante auf Euböa. Die Erdbeben hören auf, wenn der große Ausbruch erfolgt ist.

Am weitesten29 verbreitet sind aber die Verheerungen von Erschütterungswellen, welche theils ganz untrachytische, unvulkanische Länder; theils trachytische, vulkanische, wie die Cordilleren von Südamerika und Mexico: durchziehen, ohne irgend einen Einfluß auf die nahen Vulkane auszuüben. Das ist

des Kraters: nicht im Atrio del Cavallo, nicht in der Einsiedelei del Salvatore. Die Periodicität der Erschütterung bezeugt, daß sie abhängig war von einem bestimmten Spannungsgrade, welchen die Dämpfe erreichen müssen, um in dem Inneren des Schlackenkegels die geschmolzene Masse zu durchbrechen. Eben so als man in dem eben beschriebenen Falle keine Erschütterungen am Abfall des Aschenkegels des Vesuvs fühlte; wurde auch bei einem ganz analogen, aber viel großartigeren Phänomen: am Aschenkegel des Vulkans Sangai, der südöstlich von der Stadt Quito sich bis zu 15984 Fuß erhebt, von einem sehr ausgezeichneten Beobachter, Herrn Wisse, als er sich (im December 1849) dem Gipfel und Krater bis auf tausend Fuß näherte, kein Erzittern des Bodens28 bemerkt; dennoch waren in der Stunde bis 267 Explosionen (Schlacken-Auswürfe) gezählt worden.

Eine zweite, unendlich wichtigere Gattung von Erdbeben ist die sehr häufige, welche große Ausbrüche von Vulkanen zu begleiten oder ihnen voranzugehen pflegt: sei es, daß die Vulkane, wie unsere europäischen, Lavaströme ergießen; oder, wie Cotopaxi, Pichincha und Tunguragua der Andeskette, nur verschlackte Massen, Asche und Dämpfe ausstoßen. Für diese Gattung sind vorzugsweise die Vulkane als Sicherheits-Ventile zu betrachten, schon nach dem Ausspruche Strabo's über die lava-ergießende Spalte bei Lelante auf Euböa. Die Erdbeben hören auf, wenn der große Ausbruch erfolgt ist.

Am weitesten29 verbreitet sind aber die Verheerungen von Erschütterungswellen, welche theils ganz untrachytische, unvulkanische Länder; theils trachytische, vulkanische, wie die Cordilleren von Südamerika und Mexico: durchziehen, ohne irgend einen Einfluß auf die nahen Vulkane auszuüben. Das ist

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0235" n="230"/>
des Kraters: nicht im Atrio del Cavallo, nicht in der Einsiedelei del Salvatore. Die Periodicität der Erschütterung bezeugt, daß sie abhängig war von einem bestimmten <hi rendition="#g">Spannungsgrade,</hi> welchen die Dämpfe erreichen müssen, um in dem Inneren des Schlackenkegels die geschmolzene Masse zu durchbrechen. Eben so als man in dem eben beschriebenen Falle keine Erschütterungen am Abfall des Aschenkegels des Vesuvs fühlte; wurde auch bei einem ganz analogen, aber viel großartigeren Phänomen: am Aschenkegel des Vulkans Sangai, der südöstlich von der Stadt Quito sich bis zu 15984 Fuß erhebt, von einem sehr ausgezeichneten Beobachter, Herrn Wisse, als er sich (im December 1849) dem Gipfel und Krater bis auf tausend Fuß näherte, kein Erzittern des Bodens<note xml:id="ftn252" next="#ftn252-text" place="end" n="28"/> bemerkt; dennoch waren in der Stunde bis 267 Explosionen (Schlacken-Auswürfe) gezählt worden.</p>
                <p>Eine <hi rendition="#g">zweite,</hi> unendlich wichtigere Gattung von Erdbeben ist die sehr häufige, welche große Ausbrüche von Vulkanen zu begleiten oder ihnen voranzugehen pflegt: sei es, daß die Vulkane, wie unsere europäischen, Lavaströme ergießen; oder, wie Cotopaxi, Pichincha und Tunguragua der Andeskette, nur verschlackte Massen, Asche und Dämpfe ausstoßen. Für diese Gattung sind vorzugsweise die Vulkane als <hi rendition="#g">Sicherheits-Ventile</hi> zu betrachten, schon nach dem Ausspruche Strabo's über die lava-ergießende Spalte bei Lelante auf Euböa. Die Erdbeben hören auf, wenn der große Ausbruch erfolgt ist.</p>
                <p>Am weitesten<note xml:id="ftn253" next="#ftn253-text" place="end" n="29"/> verbreitet sind aber die Verheerungen von Erschütterungswellen, welche theils ganz untrachytische, unvulkanische Länder; theils trachytische, vulkanische, wie die Cordilleren von Südamerika und Mexico: durchziehen, ohne irgend einen Einfluß auf die nahen Vulkane auszuüben. Das ist
</p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0235] des Kraters: nicht im Atrio del Cavallo, nicht in der Einsiedelei del Salvatore. Die Periodicität der Erschütterung bezeugt, daß sie abhängig war von einem bestimmten Spannungsgrade, welchen die Dämpfe erreichen müssen, um in dem Inneren des Schlackenkegels die geschmolzene Masse zu durchbrechen. Eben so als man in dem eben beschriebenen Falle keine Erschütterungen am Abfall des Aschenkegels des Vesuvs fühlte; wurde auch bei einem ganz analogen, aber viel großartigeren Phänomen: am Aschenkegel des Vulkans Sangai, der südöstlich von der Stadt Quito sich bis zu 15984 Fuß erhebt, von einem sehr ausgezeichneten Beobachter, Herrn Wisse, als er sich (im December 1849) dem Gipfel und Krater bis auf tausend Fuß näherte, kein Erzittern des Bodens ²⁸ bemerkt; dennoch waren in der Stunde bis 267 Explosionen (Schlacken-Auswürfe) gezählt worden. Eine zweite, unendlich wichtigere Gattung von Erdbeben ist die sehr häufige, welche große Ausbrüche von Vulkanen zu begleiten oder ihnen voranzugehen pflegt: sei es, daß die Vulkane, wie unsere europäischen, Lavaströme ergießen; oder, wie Cotopaxi, Pichincha und Tunguragua der Andeskette, nur verschlackte Massen, Asche und Dämpfe ausstoßen. Für diese Gattung sind vorzugsweise die Vulkane als Sicherheits-Ventile zu betrachten, schon nach dem Ausspruche Strabo's über die lava-ergießende Spalte bei Lelante auf Euböa. Die Erdbeben hören auf, wenn der große Ausbruch erfolgt ist. Am weitesten ²⁹ verbreitet sind aber die Verheerungen von Erschütterungswellen, welche theils ganz untrachytische, unvulkanische Länder; theils trachytische, vulkanische, wie die Cordilleren von Südamerika und Mexico: durchziehen, ohne irgend einen Einfluß auf die nahen Vulkane auszuüben. Das ist

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/235
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/235>, abgerufen am 22.11.2024.