Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

ausgehen, aus dem Reiche des Erderschütterers Poseidon (seisikhthon, kinesikhthon): und nicht von einer insel-erzeugenden Hebung (wie bei der ephemeren Existenz der Insel Sabrina oder Julia) begleitet sind; so kann an Punkten, wo der Seefahrer keine Stöße fühlen würde, doch ein ungewöhnliches Rollen und Anschwellen der Wogen bemerkt werden. Auf ein solches Phänomen haben mich die Bewohner des öden peruanischen Küstenlandes oftmals aufmerksam gemacht. Ich sah selbst in dem Hafen von Callao und bei der gegenüberliegenden Insel San Lorenzo in ganz windstillen Nächten, in diesem sonst so überaus friedlichen Theile der Südsee, sich plötzlich auf wenige Stunden Welle auf Welle zu mehr als 10 bis 14 Fuß Höhe thürmen. Daß ein solches Phänomen Folge eines Sturmes gewesen sei, welcher in großer Ferne auf offenem Meere gewüthet hätte, war in diesen Breiten keinesweges anzunehmen.

Um von denjenigen Erschütterungen zu beginnen, welche auf den kleinsten Raum eingeschränkt sind, und offenbar der Thätigkeit eines Vulkans ihren Ursprung verdanken; so erinnere ich hier zuerst daran, wie, nächtlich im Krater des Vesuvs am Fuß eines kleinen Auswurfs-Kegels sitzend, den Chronometer in der Hand (es war nach dem großen Erdbeben von Neapel am 26 Juli 1805 und nach dem Lava-Ausbruch, der 17 Tage darauf erfolgte), ich sehr regelmäßig alle 20 oder 25 Secunden unmittelbar vor jedem Auswurf glühender Schlacken eine Erschütterung des Kraterbodens fühlte. Die Schlacken, 50-60 Fuß emporgeschleudert, fielen theils in die Eruptions-Oeffnung zurück, theils bedeckten sie die Seitenwände des Kegels. Die Regelmäßigkeit eines solchen Phänomens macht die Beobachtung gefahrlos. Das sich wiederholende kleine Erdbeben war keinesweges bemerkbar außerhalb

ausgehen, aus dem Reiche des Erderschütterers Poseidon (σεισίχθων, κινησίχθων): und nicht von einer insel-erzeugenden Hebung (wie bei der ephemeren Existenz der Insel Sabrina oder Julia) begleitet sind; so kann an Punkten, wo der Seefahrer keine Stöße fühlen würde, doch ein ungewöhnliches Rollen und Anschwellen der Wogen bemerkt werden. Auf ein solches Phänomen haben mich die Bewohner des öden peruanischen Küstenlandes oftmals aufmerksam gemacht. Ich sah selbst in dem Hafen von Callao und bei der gegenüberliegenden Insel San Lorenzo in ganz windstillen Nächten, in diesem sonst so überaus friedlichen Theile der Südsee, sich plötzlich auf wenige Stunden Welle auf Welle zu mehr als 10 bis 14 Fuß Höhe thürmen. Daß ein solches Phänomen Folge eines Sturmes gewesen sei, welcher in großer Ferne auf offenem Meere gewüthet hätte, war in diesen Breiten keinesweges anzunehmen.

Um von denjenigen Erschütterungen zu beginnen, welche auf den kleinsten Raum eingeschränkt sind, und offenbar der Thätigkeit eines Vulkans ihren Ursprung verdanken; so erinnere ich hier zuerst daran, wie, nächtlich im Krater des Vesuvs am Fuß eines kleinen Auswurfs-Kegels sitzend, den Chronometer in der Hand (es war nach dem großen Erdbeben von Neapel am 26 Juli 1805 und nach dem Lava-Ausbruch, der 17 Tage darauf erfolgte), ich sehr regelmäßig alle 20 oder 25 Secunden unmittelbar vor jedem Auswurf glühender Schlacken eine Erschütterung des Kraterbodens fühlte. Die Schlacken, 50–60 Fuß emporgeschleudert, fielen theils in die Eruptions-Oeffnung zurück, theils bedeckten sie die Seitenwände des Kegels. Die Regelmäßigkeit eines solchen Phänomens macht die Beobachtung gefahrlos. Das sich wiederholende kleine Erdbeben war keinesweges bemerkbar außerhalb

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0234" n="229"/>
ausgehen, aus dem Reiche des Erderschütterers Poseidon (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03C3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03C3;&#x03AF;&#x03C7;&#x03B8;&#x03C9;&#x03BD;, &#x03BA;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B7;&#x03C3;&#x03AF;&#x03C7;&#x03B8;&#x03C9;&#x03BD;</foreign></hi>): und nicht von einer insel-erzeugenden Hebung (wie bei der ephemeren Existenz der Insel Sabrina oder Julia) begleitet sind; so kann an Punkten, wo der Seefahrer keine Stöße fühlen würde, doch ein ungewöhnliches Rollen und Anschwellen der Wogen bemerkt werden. Auf ein solches Phänomen haben mich die Bewohner des öden peruanischen Küstenlandes oftmals aufmerksam gemacht. Ich sah selbst in dem Hafen von Callao und bei der gegenüberliegenden Insel San Lorenzo in ganz windstillen Nächten, in diesem sonst so überaus friedlichen Theile der Südsee, sich plötzlich auf wenige Stunden Welle auf Welle zu mehr als 10 bis 14 Fuß Höhe thürmen. Daß ein solches Phänomen Folge eines Sturmes gewesen sei, welcher in großer Ferne auf offenem Meere gewüthet hätte, war in diesen Breiten keinesweges anzunehmen.</p>
                <p>Um von denjenigen Erschütterungen zu beginnen, welche auf den kleinsten Raum eingeschränkt sind, und offenbar der Thätigkeit eines Vulkans ihren Ursprung verdanken; so erinnere ich hier zuerst daran, wie, nächtlich im Krater des Vesuvs am Fuß eines kleinen Auswurfs-Kegels sitzend, den Chronometer in der Hand (es war nach dem großen Erdbeben von Neapel am 26 Juli 1805 und nach dem Lava-Ausbruch, der 17 Tage darauf erfolgte), ich sehr regelmäßig alle 20 oder 25 Secunden unmittelbar <hi rendition="#g">vor</hi> jedem Auswurf glühender Schlacken eine Erschütterung des Kraterbodens fühlte. Die Schlacken, 50&#x2013;60 Fuß emporgeschleudert, fielen theils in die Eruptions-Oeffnung zurück, theils bedeckten sie die Seitenwände des Kegels. Die Regelmäßigkeit eines solchen Phänomens macht die Beobachtung gefahrlos. Das sich wiederholende kleine Erdbeben war keinesweges bemerkbar außerhalb
</p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0234] ausgehen, aus dem Reiche des Erderschütterers Poseidon (σεισίχθων, κινησίχθων): und nicht von einer insel-erzeugenden Hebung (wie bei der ephemeren Existenz der Insel Sabrina oder Julia) begleitet sind; so kann an Punkten, wo der Seefahrer keine Stöße fühlen würde, doch ein ungewöhnliches Rollen und Anschwellen der Wogen bemerkt werden. Auf ein solches Phänomen haben mich die Bewohner des öden peruanischen Küstenlandes oftmals aufmerksam gemacht. Ich sah selbst in dem Hafen von Callao und bei der gegenüberliegenden Insel San Lorenzo in ganz windstillen Nächten, in diesem sonst so überaus friedlichen Theile der Südsee, sich plötzlich auf wenige Stunden Welle auf Welle zu mehr als 10 bis 14 Fuß Höhe thürmen. Daß ein solches Phänomen Folge eines Sturmes gewesen sei, welcher in großer Ferne auf offenem Meere gewüthet hätte, war in diesen Breiten keinesweges anzunehmen. Um von denjenigen Erschütterungen zu beginnen, welche auf den kleinsten Raum eingeschränkt sind, und offenbar der Thätigkeit eines Vulkans ihren Ursprung verdanken; so erinnere ich hier zuerst daran, wie, nächtlich im Krater des Vesuvs am Fuß eines kleinen Auswurfs-Kegels sitzend, den Chronometer in der Hand (es war nach dem großen Erdbeben von Neapel am 26 Juli 1805 und nach dem Lava-Ausbruch, der 17 Tage darauf erfolgte), ich sehr regelmäßig alle 20 oder 25 Secunden unmittelbar vor jedem Auswurf glühender Schlacken eine Erschütterung des Kraterbodens fühlte. Die Schlacken, 50–60 Fuß emporgeschleudert, fielen theils in die Eruptions-Oeffnung zurück, theils bedeckten sie die Seitenwände des Kegels. Die Regelmäßigkeit eines solchen Phänomens macht die Beobachtung gefahrlos. Das sich wiederholende kleine Erdbeben war keinesweges bemerkbar außerhalb

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/234
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/234>, abgerufen am 04.05.2024.