Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

seiner Rückkunft von dem Amazonenstrome, erfahren zu haben, daß ich etwas ganz ähnliches gesehen.25 Auf dem Rücken der Andeskette oder bei der häufigen Luftspiegelung (Kimmung, mirage) in den heißen Ebenen (Llanos) von Südamerika habe ich, trotz der so verschiedenartigen Mischung ungleich erwärmter Luftschichten, keine Spur lateraler Refraction je finden können. Da der Pic von Teneriffa uns so nahe ist und oft von wissenschaftlichen, mit Instrumenten versehenen Reisenden kurz vor Sonnenaufgang besucht wird, so darf man hoffen, daß die hier von mir erneuerte Aufforderung zur Beobachtung des Sternschwankens nicht wieder ganz verhallen werde.

Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, wie lange vor der großen Epoche der Erfindung des telescopischen Sehens und seiner Anwendung auf Beobachtung des Himmels, also vor den denkwürdigen Jahren 1608 und 1610, ein überaus wichtiger Theil der Astronomie unseres Planetensystems bereits begründet war. Den ererbten Schatz des griechischen und arabischen Wissens haben Georg Purbach, Regiomontanus (Johann Müller) und Bernhard Walther in Nürnberg durch mühevolle, sorgfältige Arbeiten vermehrt. Auf ihr Bestreben folgt eine kühne und großartige Gedankenentwickelung, das System des Copernicus; es folgen der Reichthum genauer Beobachtungen des Tycho, der combinirende Scharfsinn und der beharrliche Rechnungstrieb von Kepler. Zwei große Männer, Kepler und Galilei, stehen an dem wichtigsten Wendepunkt, den die Geschichte der messenden Sternkunde darbietet; beide bezeichnen die Epoche, wo das Beobachten mit unbewaffnetem Auge, doch mit sehr verbesserten Meßinstrumenten, sich von dem telescopischen

seiner Rückkunft von dem Amazonenstrome, erfahren zu haben, daß ich etwas ganz ähnliches gesehen.25 Auf dem Rücken der Andeskette oder bei der häufigen Luftspiegelung (Kimmung, mirage) in den heißen Ebenen (Llanos) von Südamerika habe ich, trotz der so verschiedenartigen Mischung ungleich erwärmter Luftschichten, keine Spur lateraler Refraction je finden können. Da der Pic von Teneriffa uns so nahe ist und oft von wissenschaftlichen, mit Instrumenten versehenen Reisenden kurz vor Sonnenaufgang besucht wird, so darf man hoffen, daß die hier von mir erneuerte Aufforderung zur Beobachtung des Sternschwankens nicht wieder ganz verhallen werde.

Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, wie lange vor der großen Epoche der Erfindung des telescopischen Sehens und seiner Anwendung auf Beobachtung des Himmels, also vor den denkwürdigen Jahren 1608 und 1610, ein überaus wichtiger Theil der Astronomie unseres Planetensystems bereits begründet war. Den ererbten Schatz des griechischen und arabischen Wissens haben Georg Purbach, Regiomontanus (Johann Müller) und Bernhard Walther in Nürnberg durch mühevolle, sorgfältige Arbeiten vermehrt. Auf ihr Bestreben folgt eine kühne und großartige Gedankenentwickelung, das System des Copernicus; es folgen der Reichthum genauer Beobachtungen des Tycho, der combinirende Scharfsinn und der beharrliche Rechnungstrieb von Kepler. Zwei große Männer, Kepler und Galilei, stehen an dem wichtigsten Wendepunkt, den die Geschichte der messenden Sternkunde darbietet; beide bezeichnen die Epoche, wo das Beobachten mit unbewaffnetem Auge, doch mit sehr verbesserten Meßinstrumenten, sich von dem telescopischen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0079" n="74"/>
seiner Rückkunft von dem Amazonenstrome, erfahren zu haben, daß ich etwas ganz ähnliches gesehen.<note xml:id="ftn114" next="#ftn114-text" place="end" n="25"/> Auf dem Rücken der Andeskette oder bei der häufigen Luftspiegelung <hi rendition="#g">(Kimmung,</hi> mirage) in den heißen Ebenen (Llanos) von Südamerika habe ich, trotz der so verschiedenartigen Mischung ungleich erwärmter Luftschichten, keine Spur <hi rendition="#g">lateraler</hi> Refraction je finden können. Da der Pic von Teneriffa uns so nahe ist und oft von wissenschaftlichen, mit Instrumenten versehenen Reisenden kurz vor Sonnenaufgang besucht wird, so darf man hoffen, daß die hier von mir erneuerte Aufforderung zur Beobachtung des <hi rendition="#g">Sternschwankens</hi> nicht wieder ganz verhallen werde.</p>
              <p>Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, wie lange <hi rendition="#g">vor</hi> der großen Epoche der Erfindung des <hi rendition="#g">telescopischen Sehens</hi> und seiner Anwendung auf Beobachtung des Himmels, also <hi rendition="#g">vor</hi> den denkwürdigen Jahren 1608 und 1610, ein überaus wichtiger Theil der Astronomie unseres Planetensystems bereits begründet war. Den ererbten Schatz des griechischen und arabischen Wissens haben Georg Purbach, Regiomontanus (Johann Müller) und Bernhard Walther in Nürnberg durch mühevolle, sorgfältige Arbeiten vermehrt. Auf ihr Bestreben folgt eine kühne und großartige Gedankenentwickelung, das System des Copernicus; es folgen der Reichthum genauer Beobachtungen des Tycho, der combinirende Scharfsinn und der beharrliche Rechnungstrieb von Kepler. Zwei große Männer, Kepler und Galilei, stehen an dem wichtigsten Wendepunkt, den die Geschichte der messenden Sternkunde darbietet; beide bezeichnen die Epoche, wo das Beobachten mit <hi rendition="#g">unbewaffnetem Auge,</hi> doch mit sehr verbesserten Meßinstrumenten, sich von dem <hi rendition="#g">telescopischen
</hi></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0079] seiner Rückkunft von dem Amazonenstrome, erfahren zu haben, daß ich etwas ganz ähnliches gesehen. ²⁵ Auf dem Rücken der Andeskette oder bei der häufigen Luftspiegelung (Kimmung, mirage) in den heißen Ebenen (Llanos) von Südamerika habe ich, trotz der so verschiedenartigen Mischung ungleich erwärmter Luftschichten, keine Spur lateraler Refraction je finden können. Da der Pic von Teneriffa uns so nahe ist und oft von wissenschaftlichen, mit Instrumenten versehenen Reisenden kurz vor Sonnenaufgang besucht wird, so darf man hoffen, daß die hier von mir erneuerte Aufforderung zur Beobachtung des Sternschwankens nicht wieder ganz verhallen werde. Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, wie lange vor der großen Epoche der Erfindung des telescopischen Sehens und seiner Anwendung auf Beobachtung des Himmels, also vor den denkwürdigen Jahren 1608 und 1610, ein überaus wichtiger Theil der Astronomie unseres Planetensystems bereits begründet war. Den ererbten Schatz des griechischen und arabischen Wissens haben Georg Purbach, Regiomontanus (Johann Müller) und Bernhard Walther in Nürnberg durch mühevolle, sorgfältige Arbeiten vermehrt. Auf ihr Bestreben folgt eine kühne und großartige Gedankenentwickelung, das System des Copernicus; es folgen der Reichthum genauer Beobachtungen des Tycho, der combinirende Scharfsinn und der beharrliche Rechnungstrieb von Kepler. Zwei große Männer, Kepler und Galilei, stehen an dem wichtigsten Wendepunkt, den die Geschichte der messenden Sternkunde darbietet; beide bezeichnen die Epoche, wo das Beobachten mit unbewaffnetem Auge, doch mit sehr verbesserten Meßinstrumenten, sich von dem telescopischen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/79
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/79>, abgerufen am 23.11.2024.