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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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44 (S. 169.) Aristot. Mirab. Auscult. cap. 86 und 111, pag. 175 und 225 Bekk.
45 (S. 169.) Die Etrusker von Otfried Müller Abth. II. S. 350; Niebuhr, römische Geschichte Th. II. S. 380.
46 (S. 169.) Wenn man ehemals in Deutschland dem Pater Angelo Cortenovis nachfabelte, daß das von Varro beschriebene, mit einem ehernen Hut und ehernen herabhangenden Ketten gezierte Grabmal des Helden von Clusium, Lars Porsena, ein atmosphärischer Electricitäts-Sammler oder ein Blitzableitungs-Apparat (wie nach Michaelis die metallenen Spitzen auf dem Salomonischen Tempel) gewesen sei; so geschah dies zu einer Zeit, in der man den alten Völkern gern die Reste einer geoffenbarten, bald aber wieder verdunkelten Urphysik zuschrieb. Ueber den nicht schwer aufzufindenden Verkehr zwischen Blitz und leitenden Metallen scheint mir noch immer die wichtigste Notiz die des Ktesias (Indica cap. 4 pag. 169 ed. Lion, pag. 248 ed. Baehr) zu sein. "Er habe", heißt es, "zwei eiserne Schwerdter besessen, Geschenke des Königs (Artaxerxes Mnemon) und dessen Mutter (Parysatis): Schwerdter, welche, in die Erde gepflanzt, Gewölk, Hagel und Blitzstrahlen abwendeten. Er habe die Wirkung selbst gesehen, da der König zweimal vor seinen Augen das Experiment gemacht." -- Die genaue Aufmerksamkeit der Tusker auf die meteorischen Processe des Luftkreises, auf alles, was von der gewöhnlichen Naturerscheinung abwich, macht es gewiß beklagenswerth, daß von den Fulgural-Büchern nichts auf uns gekommen ist. Die Epochen der Erscheinung großer Cometen, des Falls von Meteorsteinen und Sternschnuppenschwärmen waren gewiß darin eben so aufgezeichnet als in den von Eduard Biot benutzten älteren chinesischen Annalen. Creuzer (Symbolik und Mythologie der alten Völker Th. III. 1842 S. 659) hat zu zeigen gesucht, wie die Naturbeschaffenheit von Etrurien auf die eigenthümliche Geistesrichtung der Bewohner wirken konnte. Ein Hervorlocken der Blitze, welches dem Prometheus zugeschrieben wird, erinnert an das sonderbare vorgebliche Herabziehen der Blitze durch die Fulguratoren. Es bestand aber diese Operation in einem bloßen Herabbeschwören, und mag wohl nicht wirksamer gewesen sein als der abgehäutete Eselskopf, durch den nach tuscischen Religionsgebräuchen man sich vor einem Ungewitter schützen konnte.
44 (S. 169.) Aristot. Mirab. Auscult. cap. 86 und 111, pag. 175 und 225 Bekk.
45 (S. 169.) Die Etrusker von Otfried Müller Abth. II. S. 350; Niebuhr, römische Geschichte Th. II. S. 380.
46 (S. 169.) Wenn man ehemals in Deutschland dem Pater Angelo Cortenovis nachfabelte, daß das von Varro beschriebene, mit einem ehernen Hut und ehernen herabhangenden Ketten gezierte Grabmal des Helden von Clusium, Lars Porsena, ein atmosphärischer Electricitäts-Sammler oder ein Blitzableitungs-Apparat (wie nach Michaelis die metallenen Spitzen auf dem Salomonischen Tempel) gewesen sei; so geschah dies zu einer Zeit, in der man den alten Völkern gern die Reste einer geoffenbarten, bald aber wieder verdunkelten Urphysik zuschrieb. Ueber den nicht schwer aufzufindenden Verkehr zwischen Blitz und leitenden Metallen scheint mir noch immer die wichtigste Notiz die des Ktesias (Indica cap. 4 pag. 169 ed. Lion, pag. 248 ed. Baehr) zu sein. „Er habe", heißt es, „zwei eiserne Schwerdter besessen, Geschenke des Königs (Artaxerxes Mnemon) und dessen Mutter (Parysatis): Schwerdter, welche, in die Erde gepflanzt, Gewölk, Hagel und Blitzstrahlen abwendeten. Er habe die Wirkung selbst gesehen, da der König zweimal vor seinen Augen das Experiment gemacht." — Die genaue Aufmerksamkeit der Tusker auf die meteorischen Processe des Luftkreises, auf alles, was von der gewöhnlichen Naturerscheinung abwich, macht es gewiß beklagenswerth, daß von den Fulgural-Büchern nichts auf uns gekommen ist. Die Epochen der Erscheinung großer Cometen, des Falls von Meteorsteinen und Sternschnuppenschwärmen waren gewiß darin eben so aufgezeichnet als in den von Eduard Biot benutzten älteren chinesischen Annalen. Creuzer (Symbolik und Mythologie der alten Völker Th. III. 1842 S. 659) hat zu zeigen gesucht, wie die Naturbeschaffenheit von Etrurien auf die eigenthümliche Geistesrichtung der Bewohner wirken konnte. Ein Hervorlocken der Blitze, welches dem Prometheus zugeschrieben wird, erinnert an das sonderbare vorgebliche Herabziehen der Blitze durch die Fulguratoren. Es bestand aber diese Operation in einem bloßen Herabbeschwören, und mag wohl nicht wirksamer gewesen sein als der abgehäutete Eselskopf, durch den nach tuscischen Religionsgebräuchen man sich vor einem Ungewitter schützen konnte.
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[417/0422] ⁴⁴ (S. 169.) Aristot. Mirab. Auscult. cap. 86 und 111, pag. 175 und 225 Bekk. ⁴⁵ (S. 169.) Die Etrusker von Otfried Müller Abth. II. S. 350; Niebuhr, römische Geschichte Th. II. S. 380. ⁴⁶ (S. 169.) Wenn man ehemals in Deutschland dem Pater Angelo Cortenovis nachfabelte, daß das von Varro beschriebene, mit einem ehernen Hut und ehernen herabhangenden Ketten gezierte Grabmal des Helden von Clusium, Lars Porsena, ein atmosphärischer Electricitäts-Sammler oder ein Blitzableitungs-Apparat (wie nach Michaelis die metallenen Spitzen auf dem Salomonischen Tempel) gewesen sei; so geschah dies zu einer Zeit, in der man den alten Völkern gern die Reste einer geoffenbarten, bald aber wieder verdunkelten Urphysik zuschrieb. Ueber den nicht schwer aufzufindenden Verkehr zwischen Blitz und leitenden Metallen scheint mir noch immer die wichtigste Notiz die des Ktesias (Indica cap. 4 pag. 169 ed. Lion, pag. 248 ed. Baehr) zu sein. „Er habe", heißt es, „zwei eiserne Schwerdter besessen, Geschenke des Königs (Artaxerxes Mnemon) und dessen Mutter (Parysatis): Schwerdter, welche, in die Erde gepflanzt, Gewölk, Hagel und Blitzstrahlen abwendeten. Er habe die Wirkung selbst gesehen, da der König zweimal vor seinen Augen das Experiment gemacht." — Die genaue Aufmerksamkeit der Tusker auf die meteorischen Processe des Luftkreises, auf alles, was von der gewöhnlichen Naturerscheinung abwich, macht es gewiß beklagenswerth, daß von den Fulgural-Büchern nichts auf uns gekommen ist. Die Epochen der Erscheinung großer Cometen, des Falls von Meteorsteinen und Sternschnuppenschwärmen waren gewiß darin eben so aufgezeichnet als in den von Eduard Biot benutzten älteren chinesischen Annalen. Creuzer (Symbolik und Mythologie der alten Völker Th. III. 1842 S. 659) hat zu zeigen gesucht, wie die Naturbeschaffenheit von Etrurien auf die eigenthümliche Geistesrichtung der Bewohner wirken konnte. Ein Hervorlocken der Blitze, welches dem Prometheus zugeschrieben wird, erinnert an das sonderbare vorgebliche Herabziehen der Blitze durch die Fulguratoren. Es bestand aber diese Operation in einem bloßen Herabbeschwören, und mag wohl nicht wirksamer gewesen sein als der abgehäutete Eselskopf, durch den nach tuscischen Religionsgebräuchen man sich vor einem Ungewitter schützen konnte.

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Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/422>, abgerufen am 12.05.2024.