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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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62 ausnehmen, welche die Aufgabe haben das religiöse Element im Geiste der Secten fortzubilden) übt die Natur die alleinige Herrschaft, aber der beschreibende Theil der Dichtkunst ist auf eine gelehrtere und örtliche Beobachtung gegründet. Um einige der großen Gedichte zu nennen, welche zu dieser Epoche gehören, erwähnen wir hier des Bhattikavya, d. i. des Gedichts von Bhatti, das gleich dem Ramayana die Thaten des Rama zum Gegenstande hat und in welchem erhabene Schilderungen des Waldlebens während einer Verbannung, des Meeres und seiner lieblichen Gestade wie des Morgenanbruchs in Lanka auf einander folgen (Bhattikavya ed. Calc. P. I. Ges. VII p. 432, Ges. X p. 715, Ges. XI p. 814; vergl. auch Schütz, Prof. zu Bielefeld, fünf Gesänge des Bhatti-Kavya 1837 S. 1-18); des Sisupalabadha von Magha mit einer anmuthigen Beschreibung der Tageszeiten; des Naischada-tscharita von Sri Harscha, wo aber in der Geschichte des Nalus und der Damayanti der Ausdruck des Naturgefühls in das Maaßlose übergeht. Mit diesem Maaßlosen contrastirt die edle Einfachheit des Ramayana, wenn z. B. Visvamitra seinen Zögling an die Ufer des Sona führt (Sisupalabadha ed. Calc. p. 298 und 372, vergl. Schütz a. a. O. S. 25-28; Naischada-tscharita ed. Calc. P. I. v. 77-129; Ramayana ed. Schlegel lib. I cap. 35 v. 15-18). Kalidasa, der gefeierte Dichter der Sakuntala, ist Meister in der Darstellung des Einflusses, welchen die Natur auf das Gemüth der Liebenden ausübt. Die Waldscene, die er in dem Drama Vikrama und Urvasi geschaffen, gehört zu den schönsten dichterischen Erzeugnissen, welche je eine Zeit hervorgebracht (Vikramorvasi ed. Calc. 1830 p. 71; Uebersetzung in Wilson's select specimens of the Theatre of the Hindus Calc. 1827 Vol. II. p. 63). In dem Gedichte der Jahreszeiten, besonders der Regenzeit und des Frühlings (Ritusanhara ed. Bohlen 1840 p. 11-18 und 37-45, Uebersetzung von Bohlen S. 80-88 und S. 107-114), wie in dem Wolkenboten (alles Schöpfungen des Kalidasa) ist der Einfluß der Natur auf die Gefühle des Menschen wieder der Hauptgegenstand der Composition. Der Wolkenbote (Meghaduta), den Wilson und Gildemeister edirt, auch Wilson und Chezy übersetzt haben, schildert die Trauer eines Verbannten auf dem Berge Ramagiri. In der Sehnsucht nach der Geliebten, von welcher er getrennt ist, bittet er eine vorüberziehende Wolke, sie möge Nachricht
62 ausnehmen, welche die Aufgabe haben das religiöse Element im Geiste der Secten fortzubilden) übt die Natur die alleinige Herrschaft, aber der beschreibende Theil der Dichtkunst ist auf eine gelehrtere und örtliche Beobachtung gegründet. Um einige der großen Gedichte zu nennen, welche zu dieser Epoche gehören, erwähnen wir hier des Bhattikavya, d. i. des Gedichts von Bhatti, das gleich dem Ramayana die Thaten des Rama zum Gegenstande hat und in welchem erhabene Schilderungen des Waldlebens während einer Verbannung, des Meeres und seiner lieblichen Gestade wie des Morgenanbruchs in Lanka auf einander folgen (Bhattikavya ed. Calc. P. I. Ges. VII p. 432, Ges. X p. 715, Ges. XI p. 814; vergl. auch Schütz, Prof. zu Bielefeld, fünf Gesänge des Bhatti-Kâvya 1837 S. 1–18); des Sisupalabadha von Magha mit einer anmuthigen Beschreibung der Tageszeiten; des Naischada-tscharita von Sri Harscha, wo aber in der Geschichte des Nalus und der Damayanti der Ausdruck des Naturgefühls in das Maaßlose übergeht. Mit diesem Maaßlosen contrastirt die edle Einfachheit des Ramayana, wenn z. B. Visvamitra seinen Zögling an die Ufer des Sona führt (Sisupalabadha ed. Calc. p. 298 und 372, vergl. Schütz a. a. O. S. 25–28; Naischada-tscharita ed. Calc. P. I. v. 77–129; Ramayana ed. Schlegel lib. I cap. 35 v. 15–18). Kalidasa, der gefeierte Dichter der Sakuntala, ist Meister in der Darstellung des Einflusses, welchen die Natur auf das Gemüth der Liebenden ausübt. Die Waldscene, die er in dem Drama Vikrama und Urvasi geschaffen, gehört zu den schönsten dichterischen Erzeugnissen, welche je eine Zeit hervorgebracht (Vikramorvasi ed. Calc. 1830 p. 71; Uebersetzung in Wilson's select specimens of the Theatre of the Hindus Calc. 1827 Vol. II. p. 63). In dem Gedichte der Jahreszeiten, besonders der Regenzeit und des Frühlings (Ritusanhâra ed. Bohlen 1840 p. 11–18 und 37–45, Uebersetzung von Bohlen S. 80–88 und S. 107–114), wie in dem Wolkenboten (alles Schöpfungen des Kalidasa) ist der Einfluß der Natur auf die Gefühle des Menschen wieder der Hauptgegenstand der Composition. Der Wolkenbote (Meghaduta), den Wilson und Gildemeister edirt, auch Wilson und Chézy übersetzt haben, schildert die Trauer eines Verbannten auf dem Berge Ramagiri. In der Sehnsucht nach der Geliebten, von welcher er getrennt ist, bittet er eine vorüberziehende Wolke, sie möge Nachricht
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[117/0122] ⁶² ausnehmen, welche die Aufgabe haben das religiöse Element im Geiste der Secten fortzubilden) übt die Natur die alleinige Herrschaft, aber der beschreibende Theil der Dichtkunst ist auf eine gelehrtere und örtliche Beobachtung gegründet. Um einige der großen Gedichte zu nennen, welche zu dieser Epoche gehören, erwähnen wir hier des Bhattikavya, d. i. des Gedichts von Bhatti, das gleich dem Ramayana die Thaten des Rama zum Gegenstande hat und in welchem erhabene Schilderungen des Waldlebens während einer Verbannung, des Meeres und seiner lieblichen Gestade wie des Morgenanbruchs in Lanka auf einander folgen (Bhattikavya ed. Calc. P. I. Ges. VII p. 432, Ges. X p. 715, Ges. XI p. 814; vergl. auch Schütz, Prof. zu Bielefeld, fünf Gesänge des Bhatti-Kâvya 1837 S. 1–18); des Sisupalabadha von Magha mit einer anmuthigen Beschreibung der Tageszeiten; des Naischada-tscharita von Sri Harscha, wo aber in der Geschichte des Nalus und der Damayanti der Ausdruck des Naturgefühls in das Maaßlose übergeht. Mit diesem Maaßlosen contrastirt die edle Einfachheit des Ramayana, wenn z. B. Visvamitra seinen Zögling an die Ufer des Sona führt (Sisupalabadha ed. Calc. p. 298 und 372, vergl. Schütz a. a. O. S. 25–28; Naischada-tscharita ed. Calc. P. I. v. 77–129; Ramayana ed. Schlegel lib. I cap. 35 v. 15–18). Kalidasa, der gefeierte Dichter der Sakuntala, ist Meister in der Darstellung des Einflusses, welchen die Natur auf das Gemüth der Liebenden ausübt. Die Waldscene, die er in dem Drama Vikrama und Urvasi geschaffen, gehört zu den schönsten dichterischen Erzeugnissen, welche je eine Zeit hervorgebracht (Vikramorvasi ed. Calc. 1830 p. 71; Uebersetzung in Wilson's select specimens of the Theatre of the Hindus Calc. 1827 Vol. II. p. 63). In dem Gedichte der Jahreszeiten, besonders der Regenzeit und des Frühlings (Ritusanhâra ed. Bohlen 1840 p. 11–18 und 37–45, Uebersetzung von Bohlen S. 80–88 und S. 107–114), wie in dem Wolkenboten (alles Schöpfungen des Kalidasa) ist der Einfluß der Natur auf die Gefühle des Menschen wieder der Hauptgegenstand der Composition. Der Wolkenbote (Meghaduta), den Wilson und Gildemeister edirt, auch Wilson und Chézy übersetzt haben, schildert die Trauer eines Verbannten auf dem Berge Ramagiri. In der Sehnsucht nach der Geliebten, von welcher er getrennt ist, bittet er eine vorüberziehende Wolke, sie möge Nachricht

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/122>, abgerufen am 24.11.2024.