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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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wogend einander berühren. So groß ist der Reiz, den die Wirklichkeit gewähren kann, wenn auch die Erinnerung an die künstliche Treibhaus-Pflege wiederum störend einwirkt. Vollkommenes Gedeihen und Freiheit sind unzertrennliche Ideen auch in der Natur; und für den eifrigen, vielgereisten Botaniker haben die getrockneten Pflanzen eines Herbariums, wenn sie auf den Cordilleren von Südamerika oder in den Ebenen Indiens gesammelt wurden, oft mehr Werth als der Anblick derselben Pflanzenart, wenn sie einem europäischen Gewächshause entnommen ist. Die Cultur verwischt etwas von dem ursprünglichen Naturcharakter: sie stört in der gefesselten Organisation die freie Entwickelung der Theile.

Die physiognomische Gestaltung der Gewächse und ihre contrastirende Zusammenstellung ist aber nicht bloß ein Gegenstand des Naturstudiums oder ein Anregungsmittel zu demselben; die Aufmerksamkeit, welche man der Pflanzenphysiognomik schenkt, ist auch von großer Wichtigkeit für die Landschaft-Gärtnerei, d. h. für die Kunst eine Garten-Landschaft zu componiren. Ich widerstehe der Versuchung, in dieses, freilich sehr nahe gelegene Feld überzuschweifen, und begnüge mich hier nur in Erinnerung zu bringen, daß, wie wir bereits in dem Anfange dieser Abhandlung Gelegenheit fanden die häufigeren Ausbrüche eines tiefen Naturgefühls bei den semitischen, indischen und iranischen Völkern zu preisen, so uns auch die Geschichte die frühesten Parkanlagen im mittleren und südlichen Asien zeige. Semiramis hatte am Fuß des Berges Bagistanos Gärten anlegen lassen, welche Diodor beschreibt28 und deren Ruf Alexander, auf seinem Zuge von Kelonä nach den Nysäischen

wogend einander berühren. So groß ist der Reiz, den die Wirklichkeit gewähren kann, wenn auch die Erinnerung an die künstliche Treibhaus-Pflege wiederum störend einwirkt. Vollkommenes Gedeihen und Freiheit sind unzertrennliche Ideen auch in der Natur; und für den eifrigen, vielgereisten Botaniker haben die getrockneten Pflanzen eines Herbariums, wenn sie auf den Cordilleren von Südamerika oder in den Ebenen Indiens gesammelt wurden, oft mehr Werth als der Anblick derselben Pflanzenart, wenn sie einem europäischen Gewächshause entnommen ist. Die Cultur verwischt etwas von dem ursprünglichen Naturcharakter: sie stört in der gefesselten Organisation die freie Entwickelung der Theile.

Die physiognomische Gestaltung der Gewächse und ihre contrastirende Zusammenstellung ist aber nicht bloß ein Gegenstand des Naturstudiums oder ein Anregungsmittel zu demselben; die Aufmerksamkeit, welche man der Pflanzenphysiognomik schenkt, ist auch von großer Wichtigkeit für die Landschaft-Gärtnerei, d. h. für die Kunst eine Garten-Landschaft zu componiren. Ich widerstehe der Versuchung, in dieses, freilich sehr nahe gelegene Feld überzuschweifen, und begnüge mich hier nur in Erinnerung zu bringen, daß, wie wir bereits in dem Anfange dieser Abhandlung Gelegenheit fanden die häufigeren Ausbrüche eines tiefen Naturgefühls bei den semitischen, indischen und iranischen Völkern zu preisen, so uns auch die Geschichte die frühesten Parkanlagen im mittleren und südlichen Asien zeige. Semiramis hatte am Fuß des Berges Bagistanos Gärten anlegen lassen, welche Diodor beschreibt28 und deren Ruf Alexander, auf seinem Zuge von Kelonä nach den Nysäischen

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[98/0103] wogend einander berühren. So groß ist der Reiz, den die Wirklichkeit gewähren kann, wenn auch die Erinnerung an die künstliche Treibhaus-Pflege wiederum störend einwirkt. Vollkommenes Gedeihen und Freiheit sind unzertrennliche Ideen auch in der Natur; und für den eifrigen, vielgereisten Botaniker haben die getrockneten Pflanzen eines Herbariums, wenn sie auf den Cordilleren von Südamerika oder in den Ebenen Indiens gesammelt wurden, oft mehr Werth als der Anblick derselben Pflanzenart, wenn sie einem europäischen Gewächshause entnommen ist. Die Cultur verwischt etwas von dem ursprünglichen Naturcharakter: sie stört in der gefesselten Organisation die freie Entwickelung der Theile. Die physiognomische Gestaltung der Gewächse und ihre contrastirende Zusammenstellung ist aber nicht bloß ein Gegenstand des Naturstudiums oder ein Anregungsmittel zu demselben; die Aufmerksamkeit, welche man der Pflanzenphysiognomik schenkt, ist auch von großer Wichtigkeit für die Landschaft-Gärtnerei, d. h. für die Kunst eine Garten-Landschaft zu componiren. Ich widerstehe der Versuchung, in dieses, freilich sehr nahe gelegene Feld überzuschweifen, und begnüge mich hier nur in Erinnerung zu bringen, daß, wie wir bereits in dem Anfange dieser Abhandlung Gelegenheit fanden die häufigeren Ausbrüche eines tiefen Naturgefühls bei den semitischen, indischen und iranischen Völkern zu preisen, so uns auch die Geschichte die frühesten Parkanlagen im mittleren und südlichen Asien zeige. Semiramis hatte am Fuß des Berges Bagistanos Gärten anlegen lassen, welche Diodor beschreibt ²⁸ und deren Ruf Alexander, auf seinem Zuge von Kelonä nach den Nysäischen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/103>, abgerufen am 22.11.2024.