Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.Bestreben, die Naturerklärungen aus reiner Vernunft-Erkenntniß, vorherrschten. Je mehr aber während einer glänzenden Erweiterung aller Naturwissenschaften das Material des sicheren empirischen Wissens anwuchs, desto mehr erkaltete allmälig der Trieb, das Wesen der Erscheinungen und ihre Einheit, als ein Naturganzes, durch Construction der Begriffe aus der Vernunft-Erkenntniß abzuleiten. In der uns nahen Zeit hat der mathematische Theil der Naturphilosophie sich einer großen und herrlichen Ausbildung zu erfreuen gehabt. Die Methoden und das Instrument (die Analyse) sind gleichzeitig vervollkommnet worden. Was so auf vielfachen Wegen durch sinnige Anwendung atomistischer Prämissen, durch allgemeineren und unmittelbareren Contact mit der Natur, durch das Hervorrufen und Ausbilden neuer Organe errungen worden ist, soll, wie im Alterthume, so auch jetzt, ein gemeinsames Gut der Menschheit, der freiesten Bearbeitung der Philosophie in ihren wechselnden Gestaltungen nicht entzogen werden. Bisweilen ist freilich die Unversehrtheit des Stoffes in dieser Bearbeitung einige Gefahr gelaufen; und in dem steten Wechsel ideeller Ansichten ist es wenig zu verwundern, wenn, wie so schön im Bruno12 gesagt wird, viele die Philosophie nur meteorischer Erscheinungen fähig halten und daher auch die größeren Formen, in denen sie sich geoffenbart hat, das Schicksal der Cometen bei dem Volke theilen, das sie nicht zu den bleibenden und ewigen Werken der Natur, sondern zu den vergänglichen Erscheinungen feuriger Dünste zählt." Mißbrauch oder irrige Richtungen der Geistesarbeit müssen aber nicht zu der, die Intelligenz entehrenden Ansicht führen, als sei die Gedankenwelt, ihrer Natur nach, Bestreben, die Naturerklärungen aus reiner Vernunft-Erkenntniß, vorherrschten. Je mehr aber während einer glänzenden Erweiterung aller Naturwissenschaften das Material des sicheren empirischen Wissens anwuchs, desto mehr erkaltete allmälig der Trieb, das Wesen der Erscheinungen und ihre Einheit, als ein Naturganzes, durch Construction der Begriffe aus der Vernunft-Erkenntniß abzuleiten. In der uns nahen Zeit hat der mathematische Theil der Naturphilosophie sich einer großen und herrlichen Ausbildung zu erfreuen gehabt. Die Methoden und das Instrument (die Analyse) sind gleichzeitig vervollkommnet worden. Was so auf vielfachen Wegen durch sinnige Anwendung atomistischer Prämissen, durch allgemeineren und unmittelbareren Contact mit der Natur, durch das Hervorrufen und Ausbilden neuer Organe errungen worden ist, soll, wie im Alterthume, so auch jetzt, ein gemeinsames Gut der Menschheit, der freiesten Bearbeitung der Philosophie in ihren wechselnden Gestaltungen nicht entzogen werden. Bisweilen ist freilich die Unversehrtheit des Stoffes in dieser Bearbeitung einige Gefahr gelaufen; und in dem steten Wechsel ideeller Ansichten ist es wenig zu verwundern, wenn, wie so schön im Bruno12 gesagt wird, viele die Philosophie nur meteorischer Erscheinungen fähig halten und daher auch die größeren Formen, in denen sie sich geoffenbart hat, das Schicksal der Cometen bei dem Volke theilen, das sie nicht zu den bleibenden und ewigen Werken der Natur, sondern zu den vergänglichen Erscheinungen feuriger Dünste zählt.“ Mißbrauch oder irrige Richtungen der Geistesarbeit müssen aber nicht zu der, die Intelligenz entehrenden Ansicht führen, als sei die Gedankenwelt, ihrer Natur nach, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0090" n="71"/> Bestreben, die Naturerklärungen aus reiner Vernunft-Erkenntniß, vorherrschten. Je mehr aber während einer glänzenden Erweiterung aller Naturwissenschaften das Material des sicheren empirischen Wissens anwuchs, desto mehr erkaltete allmälig der Trieb, das Wesen der Erscheinungen und ihre Einheit, als ein Naturganzes, durch Construction der Begriffe aus der Vernunft-Erkenntniß abzuleiten. In der uns nahen Zeit hat der mathematische Theil der Naturphilosophie sich einer großen und herrlichen Ausbildung zu erfreuen gehabt. Die Methoden und das Instrument (die Analyse) sind gleichzeitig vervollkommnet worden. Was so auf vielfachen Wegen durch sinnige Anwendung atomistischer Prämissen, durch allgemeineren und unmittelbareren Contact mit der Natur, durch das Hervorrufen und Ausbilden neuer Organe errungen worden ist, soll, wie im Alterthume, so auch jetzt, ein gemeinsames Gut der Menschheit, der freiesten Bearbeitung der Philosophie in ihren wechselnden Gestaltungen nicht entzogen werden. Bisweilen ist freilich die Unversehrtheit des Stoffes in dieser Bearbeitung einige Gefahr gelaufen; und in dem steten Wechsel ideeller Ansichten ist es wenig zu verwundern, wenn, wie so schön im <hi rendition="#g">Bruno</hi><note place="end" n="12" xml:id="ftn30" next="#ftn30-text"/> gesagt wird, viele die Philosophie nur meteorischer Erscheinungen fähig halten und daher auch die größeren Formen, in denen sie sich geoffenbart hat, das Schicksal der Cometen bei dem Volke theilen, das sie nicht zu den bleibenden und ewigen Werken der Natur, sondern zu den vergänglichen Erscheinungen feuriger Dünste zählt.“</p> <p>Mißbrauch oder irrige Richtungen der Geistesarbeit müssen aber nicht zu der, die Intelligenz entehrenden Ansicht führen, als sei die Gedankenwelt, ihrer Natur nach, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0090]
Bestreben, die Naturerklärungen aus reiner Vernunft-Erkenntniß, vorherrschten. Je mehr aber während einer glänzenden Erweiterung aller Naturwissenschaften das Material des sicheren empirischen Wissens anwuchs, desto mehr erkaltete allmälig der Trieb, das Wesen der Erscheinungen und ihre Einheit, als ein Naturganzes, durch Construction der Begriffe aus der Vernunft-Erkenntniß abzuleiten. In der uns nahen Zeit hat der mathematische Theil der Naturphilosophie sich einer großen und herrlichen Ausbildung zu erfreuen gehabt. Die Methoden und das Instrument (die Analyse) sind gleichzeitig vervollkommnet worden. Was so auf vielfachen Wegen durch sinnige Anwendung atomistischer Prämissen, durch allgemeineren und unmittelbareren Contact mit der Natur, durch das Hervorrufen und Ausbilden neuer Organe errungen worden ist, soll, wie im Alterthume, so auch jetzt, ein gemeinsames Gut der Menschheit, der freiesten Bearbeitung der Philosophie in ihren wechselnden Gestaltungen nicht entzogen werden. Bisweilen ist freilich die Unversehrtheit des Stoffes in dieser Bearbeitung einige Gefahr gelaufen; und in dem steten Wechsel ideeller Ansichten ist es wenig zu verwundern, wenn, wie so schön im Bruno
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gesagt wird, viele die Philosophie nur meteorischer Erscheinungen fähig halten und daher auch die größeren Formen, in denen sie sich geoffenbart hat, das Schicksal der Cometen bei dem Volke theilen, das sie nicht zu den bleibenden und ewigen Werken der Natur, sondern zu den vergänglichen Erscheinungen feuriger Dünste zählt.“
Mißbrauch oder irrige Richtungen der Geistesarbeit müssen aber nicht zu der, die Intelligenz entehrenden Ansicht führen, als sei die Gedankenwelt, ihrer Natur nach,
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