Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Alexanders von Humboldt Gutachten über die Herantreibung des Meissner Stollns in die Freiberger Erzrefier. In: Herder, S. A. W. Frh von: Der tiefe Meissner Erbstolln. Leipzig, 1838, S. CXIII-CXXIV.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite

Beilage No. XII.
Berggebäude Kühschacht sammt Methusalem Fundgrube, der Thurmhöfer Zug, auf dem bis zehnte
Gezeugstrecke Tiefbaue verführt sind, der Hohebirknerzug bezeugen, dass im sächsischen Erz-
gebirge die Mittel in der Tiefe ausdauern, welche der Meissner Stolln erreichen soll. Die Baue
von Valenciana (Mexiko), von Joachimsthal in Böhmen und auf dem Rohrer-Bühel im Landge-
richte Kitzbühel (wie Herr Zenger in seiner lehrreichen Zeitschrift für Tirol und Vorarlberg aus
Grubenrissen vom Jahre 1539 beweist) haben bis 486 Lachter Teufe in Erzmitteln gebaut. Prak-
tische Bergleute wissen allerdings (man mag die Metalle und Gangmassen als eine Ausfüllung
von oben, oder, wie mir wahrscheinlicher, als eine Sublimation auf Spalten von unten, aus dem
Innern der Erde, betrachten), dass im Allgemeinen sich über eine bauwürdige Erzteufe nichts
bestimmen lässt, und dass dieselbe in identischen Gebirgsarten (sei es Grünstein- und Sienit-
Porphyr, Gneus, Glimmerschiefer, Grauwacke oder Uebergangskalk) variirt, und dass man von
einem Welttheile auf den andern nicht mit Sicherheit schliessen kann; sie erkennen aber auch,
dass es in jedem Bergrefier, in jedem Systeme gleichstreichender Gänge, einen gewissen Hori-
zont, eine gewisse obere und untere Grenze gibt, zwischen welchen die metallführenden Lager-
stätten ergiebig bleiben. Bei dem grossartigen Unternehmen, von welchem hier die Rede ist,
haben wir daher vorsichtig nur sächsische Lokalerfahrung zu Hülfe gerufen.

Diese Betrachtungen können nicht würdiger geschlossen werden, als mit den Worten, deren
sich das Oberbergamt selbst in seinem Berichte vom 6. Februar 1830 bedient hat: "Wenn auch
"mit der Einbringung des Meissner Stollns in die hiesige Bergrefier nur ein Theil der gehegten
"Erwartungen in Erfüllung gehen sollte, so bleibt es doch die Pflicht des Bergmannes, hierauf
"bis zu den erschöpfendsten Massregeln hinzuwirken. Denn es ist wohl nicht zu verkennen,
"dass diese Unternehmung ausser der Belehrung, welche sie uns über die Natur unbekannter
"Gebirgstheile und unbekannter Tiefen zuführt, auf viele Menschenalter hinaus, Tausenden von
"Einwohnern mittel- und unmittelbar Beschäftigung gewähren wird, dass sie die intellectuelle
"Kraft des Menschen erhebt, und den Grund zu einer Regsamkeit legt, welche die herrlichsten
"Früchte tragen muss."

Es sei mir selbst erlaubt, hinzuzufügen, dass eine unterirdische Arbeit so kühner und rie-
senhafter Art einem Volke, das seinen Werth nicht in der Menschenzahl, sondern in seinem
Patriotismus, d. h. in ruhmvollen historischen Erinnerungen, in der Anhänglichkeit an das an-
gestammte Fürstenhaus, und in den in seiner freien Verfassung begründeten Gesetzen sucht, ein
erhebendes Gefühl moralischer Stärke verleiht; dass dieses Gefühl besonders zu einer Zeit wich-
tig wird, in der Alles nach kleinlicher Befriedigung augenblicklicher Bedürfnisse strebt, und
dass ein Unternehmen, welches im Gegensatze zu diesem Bestreben für eine ferne Zukunft
schafft, sich dem Geiste gleichsam veredelt in einer höhern Beziehung darstellt.

Teplitz, am 20. August 1833.
Alexander von Humboldt.


Beilage No. XII.
Berggebäude Kühschacht sammt Methusalem Fundgrube, der Thurmhöfer Zug, auf dem bis zehnte
Gezeugstrecke Tiefbaue verführt sind, der Hohebirknerzug bezeugen, dass im sächsischen Erz-
gebirge die Mittel in der Tiefe ausdauern, welche der Meissner Stolln erreichen soll. Die Baue
von Valenciana (Mexiko), von Joachimsthal in Böhmen und auf dem Rohrer-Bühel im Landge-
richte Kitzbühel (wie Herr Zenger in seiner lehrreichen Zeitschrift für Tirol und Vorarlberg aus
Grubenrissen vom Jahre 1539 beweist) haben bis 486 Lachter Teufe in Erzmitteln gebaut. Prak-
tische Bergleute wissen allerdings (man mag die Metalle und Gangmassen als eine Ausfüllung
von oben, oder, wie mir wahrscheinlicher, als eine Sublimation auf Spalten von unten, aus dem
Innern der Erde, betrachten), dass im Allgemeinen sich über eine bauwürdige Erzteufe nichts
bestimmen lässt, und dass dieselbe in identischen Gebirgsarten (sei es Grünstein- und Sienit-
Porphyr, Gneus, Glimmerschiefer, Grauwacke oder Uebergangskalk) variirt, und dass man von
einem Welttheile auf den andern nicht mit Sicherheit schliessen kann; sie erkennen aber auch,
dass es in jedem Bergrefier, in jedem Systeme gleichstreichender Gänge, einen gewissen Hori-
zont, eine gewisse obere und untere Grenze gibt, zwischen welchen die metallführenden Lager-
stätten ergiebig bleiben. Bei dem grossartigen Unternehmen, von welchem hier die Rede ist,
haben wir daher vorsichtig nur sächsische Lokalerfahrung zu Hülfe gerufen.

Diese Betrachtungen können nicht würdiger geschlossen werden, als mit den Worten, deren
sich das Oberbergamt selbst in seinem Berichte vom 6. Februar 1830 bedient hat: „Wenn auch
„mit der Einbringung des Meissner Stollns in die hiesige Bergrefier nur ein Theil der gehegten
„Erwartungen in Erfüllung gehen sollte, so bleibt es doch die Pflicht des Bergmannes, hierauf
„bis zu den erschöpfendsten Massregeln hinzuwirken. Denn es ist wohl nicht zu verkennen,
„dass diese Unternehmung ausser der Belehrung, welche sie uns über die Natur unbekannter
„Gebirgstheile und unbekannter Tiefen zuführt, auf viele Menschenalter hinaus, Tausenden von
„Einwohnern mittel- und unmittelbar Beschäftigung gewähren wird, dass sie die intellectuelle
„Kraft des Menschen erhebt, und den Grund zu einer Regsamkeit legt, welche die herrlichsten
„Früchte tragen muss.“

Es sei mir selbst erlaubt, hinzuzufügen, dass eine unterirdische Arbeit so kühner und rie-
senhafter Art einem Volke, das seinen Werth nicht in der Menschenzahl, sondern in seinem
Patriotismus, d. h. in ruhmvollen historischen Erinnerungen, in der Anhänglichkeit an das an-
gestammte Fürstenhaus, und in den in seiner freien Verfassung begründeten Gesetzen sucht, ein
erhebendes Gefühl moralischer Stärke verleiht; dass dieses Gefühl besonders zu einer Zeit wich-
tig wird, in der Alles nach kleinlicher Befriedigung augenblicklicher Bedürfnisse strebt, und
dass ein Unternehmen, welches im Gegensatze zu diesem Bestreben für eine ferne Zukunft
schafft, sich dem Geiste gleichsam veredelt in einer höhern Beziehung darstellt.

Teplitz, am 20. August 1833.
Alexander von Humboldt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0008" n="CXXIV"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Beilage No. XII.</hi></fw><lb/>
Berggebäude Kühschacht sammt Methusalem Fundgrube, der Thurmhöfer Zug, auf dem bis zehnte<lb/>
Gezeugstrecke Tiefbaue verführt sind, der Hohebirknerzug bezeugen, dass im sächsischen Erz-<lb/>
gebirge die Mittel in der Tiefe ausdauern, welche der Meissner Stolln erreichen soll. Die Baue<lb/>
von Valenciana (Mexiko), von Joachimsthal in Böhmen und auf dem Rohrer-Bühel im Landge-<lb/>
richte Kitzbühel (wie Herr Zenger in seiner lehrreichen Zeitschrift für Tirol und Vorarlberg aus<lb/>
Grubenrissen vom Jahre 1539 beweist) haben bis 486 Lachter Teufe in Erzmitteln gebaut. Prak-<lb/>
tische Bergleute wissen allerdings (man mag die Metalle und Gangmassen als eine Ausfüllung<lb/>
von oben, oder, wie mir wahrscheinlicher, als eine Sublimation auf Spalten von unten, aus dem<lb/>
Innern der Erde, betrachten), dass im Allgemeinen sich über eine bauwürdige Erzteufe nichts<lb/>
bestimmen lässt, und dass dieselbe in identischen Gebirgsarten (sei es Grünstein- und Sienit-<lb/>
Porphyr, Gneus, Glimmerschiefer, Grauwacke oder Uebergangskalk) variirt, und dass man von<lb/>
einem Welttheile auf den andern nicht mit Sicherheit schliessen kann; sie erkennen aber auch,<lb/>
dass es in jedem Bergrefier, in jedem Systeme gleichstreichender Gänge, einen gewissen Hori-<lb/>
zont, eine gewisse obere und untere Grenze gibt, zwischen welchen die metallführenden Lager-<lb/>
stätten ergiebig bleiben. Bei dem grossartigen Unternehmen, von welchem hier die Rede ist,<lb/>
haben wir daher vorsichtig nur sächsische Lokalerfahrung zu Hülfe gerufen.</p><lb/>
        <p>Diese Betrachtungen können nicht würdiger geschlossen werden, als mit den Worten, deren<lb/>
sich das Oberbergamt selbst in seinem Berichte vom 6. Februar 1830 bedient hat: &#x201E;Wenn auch<lb/>
&#x201E;mit der Einbringung des Meissner Stollns in die hiesige Bergrefier nur ein Theil der gehegten<lb/>
&#x201E;Erwartungen in Erfüllung gehen sollte, so bleibt es doch die Pflicht des Bergmannes, hierauf<lb/>
&#x201E;bis zu den erschöpfendsten Massregeln hinzuwirken. Denn es ist wohl nicht zu verkennen,<lb/>
&#x201E;dass diese Unternehmung ausser der Belehrung, welche sie uns über die Natur unbekannter<lb/>
&#x201E;Gebirgstheile und unbekannter Tiefen zuführt, auf viele Menschenalter hinaus, Tausenden von<lb/>
&#x201E;Einwohnern mittel- und unmittelbar Beschäftigung gewähren wird, dass sie die intellectuelle<lb/>
&#x201E;Kraft des Menschen erhebt, und den Grund zu einer Regsamkeit legt, welche die herrlichsten<lb/>
&#x201E;Früchte tragen muss.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Es sei mir selbst erlaubt, hinzuzufügen, dass eine unterirdische Arbeit so kühner und rie-<lb/>
senhafter Art einem Volke, das seinen Werth nicht in der Menschenzahl, sondern in seinem<lb/>
Patriotismus, d. h. in ruhmvollen historischen Erinnerungen, in der Anhänglichkeit an das an-<lb/>
gestammte Fürstenhaus, und in den in seiner freien Verfassung begründeten Gesetzen sucht, ein<lb/>
erhebendes Gefühl moralischer Stärke verleiht; dass dieses Gefühl besonders zu einer Zeit wich-<lb/>
tig wird, in der Alles nach kleinlicher Befriedigung augenblicklicher Bedürfnisse strebt, und<lb/>
dass ein Unternehmen, welches im Gegensatze zu diesem Bestreben für eine ferne Zukunft<lb/>
schafft, sich dem Geiste gleichsam veredelt in einer höhern Beziehung darstellt.</p><lb/>
        <closer>
          <date> <hi rendition="#et">Teplitz, am 20. August 1833.</hi> </date><lb/> <hi rendition="#et3"> <hi rendition="#i">Alexander von Humboldt.</hi> </hi> </closer>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[CXXIV/0008] Beilage No. XII. Berggebäude Kühschacht sammt Methusalem Fundgrube, der Thurmhöfer Zug, auf dem bis zehnte Gezeugstrecke Tiefbaue verführt sind, der Hohebirknerzug bezeugen, dass im sächsischen Erz- gebirge die Mittel in der Tiefe ausdauern, welche der Meissner Stolln erreichen soll. Die Baue von Valenciana (Mexiko), von Joachimsthal in Böhmen und auf dem Rohrer-Bühel im Landge- richte Kitzbühel (wie Herr Zenger in seiner lehrreichen Zeitschrift für Tirol und Vorarlberg aus Grubenrissen vom Jahre 1539 beweist) haben bis 486 Lachter Teufe in Erzmitteln gebaut. Prak- tische Bergleute wissen allerdings (man mag die Metalle und Gangmassen als eine Ausfüllung von oben, oder, wie mir wahrscheinlicher, als eine Sublimation auf Spalten von unten, aus dem Innern der Erde, betrachten), dass im Allgemeinen sich über eine bauwürdige Erzteufe nichts bestimmen lässt, und dass dieselbe in identischen Gebirgsarten (sei es Grünstein- und Sienit- Porphyr, Gneus, Glimmerschiefer, Grauwacke oder Uebergangskalk) variirt, und dass man von einem Welttheile auf den andern nicht mit Sicherheit schliessen kann; sie erkennen aber auch, dass es in jedem Bergrefier, in jedem Systeme gleichstreichender Gänge, einen gewissen Hori- zont, eine gewisse obere und untere Grenze gibt, zwischen welchen die metallführenden Lager- stätten ergiebig bleiben. Bei dem grossartigen Unternehmen, von welchem hier die Rede ist, haben wir daher vorsichtig nur sächsische Lokalerfahrung zu Hülfe gerufen. Diese Betrachtungen können nicht würdiger geschlossen werden, als mit den Worten, deren sich das Oberbergamt selbst in seinem Berichte vom 6. Februar 1830 bedient hat: „Wenn auch „mit der Einbringung des Meissner Stollns in die hiesige Bergrefier nur ein Theil der gehegten „Erwartungen in Erfüllung gehen sollte, so bleibt es doch die Pflicht des Bergmannes, hierauf „bis zu den erschöpfendsten Massregeln hinzuwirken. Denn es ist wohl nicht zu verkennen, „dass diese Unternehmung ausser der Belehrung, welche sie uns über die Natur unbekannter „Gebirgstheile und unbekannter Tiefen zuführt, auf viele Menschenalter hinaus, Tausenden von „Einwohnern mittel- und unmittelbar Beschäftigung gewähren wird, dass sie die intellectuelle „Kraft des Menschen erhebt, und den Grund zu einer Regsamkeit legt, welche die herrlichsten „Früchte tragen muss.“ Es sei mir selbst erlaubt, hinzuzufügen, dass eine unterirdische Arbeit so kühner und rie- senhafter Art einem Volke, das seinen Werth nicht in der Menschenzahl, sondern in seinem Patriotismus, d. h. in ruhmvollen historischen Erinnerungen, in der Anhänglichkeit an das an- gestammte Fürstenhaus, und in den in seiner freien Verfassung begründeten Gesetzen sucht, ein erhebendes Gefühl moralischer Stärke verleiht; dass dieses Gefühl besonders zu einer Zeit wich- tig wird, in der Alles nach kleinlicher Befriedigung augenblicklicher Bedürfnisse strebt, und dass ein Unternehmen, welches im Gegensatze zu diesem Bestreben für eine ferne Zukunft schafft, sich dem Geiste gleichsam veredelt in einer höhern Beziehung darstellt. Teplitz, am 20. August 1833. Alexander von Humboldt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gutachten_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gutachten_1838/8
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Alexanders von Humboldt Gutachten über die Herantreibung des Meissner Stollns in die Freiberger Erzrefier. In: Herder, S. A. W. Frh von: Der tiefe Meissner Erbstolln. Leipzig, 1838, S. CXIII-CXXIV, S. CXXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gutachten_1838/8>, abgerufen am 25.11.2024.