flösst den Gemüthern bald schauderhafte, bald frohe Ahndungen höherer Wesen, wechselweis Furcht und Hoffnung ein, und führt zu Gebet und Dank; das lebendige Bild der einfachsten Erhabenheit, der ungestörtesten Ordnung, und der mildesten Güte bildet die Seelen einfach gross, sanft, und der Sitte und dem Gesetz froh unterworfen. Immer gewohnt hervorzubringen, nie zu zerstören, ist der Ackerbau friedlich, und von Belei- digung und Rache fern, aber erfüllt von dem Gefühl der Unge- rechtigkeit eines ungereizten Angriffs und gegen jeden Störer seines Friedens mit unerschrockenem Muth beseelt.
Allein freilich ist Freiheit die nothwendige Bedingung, ohne welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen Wirkungen dieser Art hervor zu bringen vermag. Was nicht von dem Menschen selbst gewählt, worin er auch nur einge- schränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über, das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit. Die Alten, vorzüglich die Griechen, hielten jede Beschäftigung, welche zunächst die körperliche Kraft angeht, oder Erwerbung äusserer Güter, nicht innere Bildung, zur Absicht hat, für schädlich und entehrend. Ihre menschenfreundlichsten Philo- sophen billigten daher die Sklaverei, gleichsam um durch ein ungerechtes und barbarisches Mittel einem Theile der Mensch- heit durch Aufopferung eines andern die höchste Kraft und Schönheit zu sichern. Allein den Irrthum, welcher diesem ganzen Raisonnement zum Grunde liegt, zeigen Vernunft und Erfahrung leicht. Jede Beschäftigung vermag den Menschen zu adeln, ihm eine bestimmte, seiner würdige Gestalt zu geben. Nur auf die Art, wie sie betrieben wird, kommt es an; und hier lässt sich wohl als allgemeine Regel annehmen, dass sie heilsame Wirkungen äussert, so lange sie selbst, und die darauf verwandte Energie vorzüglich die Seele füllt, minder wohl- thätige, oft nachtheilige hingegen, wenn man mehr auf das
flösst den Gemüthern bald schauderhafte, bald frohe Ahndungen höherer Wesen, wechselweis Furcht und Hoffnung ein, und führt zu Gebet und Dank; das lebendige Bild der einfachsten Erhabenheit, der ungestörtesten Ordnung, und der mildesten Güte bildet die Seelen einfach gross, sanft, und der Sitte und dem Gesetz froh unterworfen. Immer gewohnt hervorzubringen, nie zu zerstören, ist der Ackerbau friedlich, und von Belei- digung und Rache fern, aber erfüllt von dem Gefühl der Unge- rechtigkeit eines ungereizten Angriffs und gegen jeden Störer seines Friedens mit unerschrockenem Muth beseelt.
Allein freilich ist Freiheit die nothwendige Bedingung, ohne welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen Wirkungen dieser Art hervor zu bringen vermag. Was nicht von dem Menschen selbst gewählt, worin er auch nur einge- schränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über, das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit. Die Alten, vorzüglich die Griechen, hielten jede Beschäftigung, welche zunächst die körperliche Kraft angeht, oder Erwerbung äusserer Güter, nicht innere Bildung, zur Absicht hat, für schädlich und entehrend. Ihre menschenfreundlichsten Philo- sophen billigten daher die Sklaverei, gleichsam um durch ein ungerechtes und barbarisches Mittel einem Theile der Mensch- heit durch Aufopferung eines andern die höchste Kraft und Schönheit zu sichern. Allein den Irrthum, welcher diesem ganzen Raisonnement zum Grunde liegt, zeigen Vernunft und Erfahrung leicht. Jede Beschäftigung vermag den Menschen zu adeln, ihm eine bestimmte, seiner würdige Gestalt zu geben. Nur auf die Art, wie sie betrieben wird, kommt es an; und hier lässt sich wohl als allgemeine Regel annehmen, dass sie heilsame Wirkungen äussert, so lange sie selbst, und die darauf verwandte Energie vorzüglich die Seele füllt, minder wohl- thätige, oft nachtheilige hingegen, wenn man mehr auf das
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[25/0061]
flösst den Gemüthern bald schauderhafte, bald frohe Ahndungen
höherer Wesen, wechselweis Furcht und Hoffnung ein, und
führt zu Gebet und Dank; das lebendige Bild der einfachsten
Erhabenheit, der ungestörtesten Ordnung, und der mildesten
Güte bildet die Seelen einfach gross, sanft, und der Sitte und
dem Gesetz froh unterworfen. Immer gewohnt hervorzubringen,
nie zu zerstören, ist der Ackerbau friedlich, und von Belei-
digung und Rache fern, aber erfüllt von dem Gefühl der Unge-
rechtigkeit eines ungereizten Angriffs und gegen jeden Störer
seines Friedens mit unerschrockenem Muth beseelt.
Allein freilich ist Freiheit die nothwendige Bedingung, ohne
welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen
Wirkungen dieser Art hervor zu bringen vermag. Was nicht
von dem Menschen selbst gewählt, worin er auch nur einge-
schränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über,
das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich
mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit.
Die Alten, vorzüglich die Griechen, hielten jede Beschäftigung,
welche zunächst die körperliche Kraft angeht, oder Erwerbung
äusserer Güter, nicht innere Bildung, zur Absicht hat, für
schädlich und entehrend. Ihre menschenfreundlichsten Philo-
sophen billigten daher die Sklaverei, gleichsam um durch ein
ungerechtes und barbarisches Mittel einem Theile der Mensch-
heit durch Aufopferung eines andern die höchste Kraft und
Schönheit zu sichern. Allein den Irrthum, welcher diesem
ganzen Raisonnement zum Grunde liegt, zeigen Vernunft und
Erfahrung leicht. Jede Beschäftigung vermag den Menschen
zu adeln, ihm eine bestimmte, seiner würdige Gestalt zu geben.
Nur auf die Art, wie sie betrieben wird, kommt es an; und
hier lässt sich wohl als allgemeine Regel annehmen, dass sie
heilsame Wirkungen äussert, so lange sie selbst, und die darauf
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/61>, abgerufen am 17.07.2024.
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