Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

flösst den Gemüthern bald schauderhafte, bald frohe Ahndungen
höherer Wesen, wechselweis Furcht und Hoffnung ein, und
führt zu Gebet und Dank; das lebendige Bild der einfachsten
Erhabenheit, der ungestörtesten Ordnung, und der mildesten
Güte bildet die Seelen einfach gross, sanft, und der Sitte und
dem Gesetz froh unterworfen. Immer gewohnt hervorzubringen,
nie zu zerstören, ist der Ackerbau friedlich, und von Belei-
digung und Rache fern, aber erfüllt von dem Gefühl der Unge-
rechtigkeit eines ungereizten Angriffs und gegen jeden Störer
seines Friedens mit unerschrockenem Muth beseelt.

Allein freilich ist Freiheit die nothwendige Bedingung, ohne
welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen
Wirkungen dieser Art hervor zu bringen vermag. Was nicht
von dem Menschen selbst gewählt, worin er auch nur einge-
schränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über,
das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich
mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit.
Die Alten, vorzüglich die Griechen, hielten jede Beschäftigung,
welche zunächst die körperliche Kraft angeht, oder Erwerbung
äusserer Güter, nicht innere Bildung, zur Absicht hat, für
schädlich und entehrend. Ihre menschenfreundlichsten Philo-
sophen billigten daher die Sklaverei, gleichsam um durch ein
ungerechtes und barbarisches Mittel einem Theile der Mensch-
heit durch Aufopferung eines andern die höchste Kraft und
Schönheit zu sichern. Allein den Irrthum, welcher diesem
ganzen Raisonnement zum Grunde liegt, zeigen Vernunft und
Erfahrung leicht. Jede Beschäftigung vermag den Menschen
zu adeln, ihm eine bestimmte, seiner würdige Gestalt zu geben.
Nur auf die Art, wie sie betrieben wird, kommt es an; und
hier lässt sich wohl als allgemeine Regel annehmen, dass sie
heilsame Wirkungen äussert, so lange sie selbst, und die darauf
verwandte Energie vorzüglich die Seele füllt, minder wohl-
thätige, oft nachtheilige hingegen, wenn man mehr auf das

flösst den Gemüthern bald schauderhafte, bald frohe Ahndungen
höherer Wesen, wechselweis Furcht und Hoffnung ein, und
führt zu Gebet und Dank; das lebendige Bild der einfachsten
Erhabenheit, der ungestörtesten Ordnung, und der mildesten
Güte bildet die Seelen einfach gross, sanft, und der Sitte und
dem Gesetz froh unterworfen. Immer gewohnt hervorzubringen,
nie zu zerstören, ist der Ackerbau friedlich, und von Belei-
digung und Rache fern, aber erfüllt von dem Gefühl der Unge-
rechtigkeit eines ungereizten Angriffs und gegen jeden Störer
seines Friedens mit unerschrockenem Muth beseelt.

Allein freilich ist Freiheit die nothwendige Bedingung, ohne
welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen
Wirkungen dieser Art hervor zu bringen vermag. Was nicht
von dem Menschen selbst gewählt, worin er auch nur einge-
schränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über,
das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich
mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit.
Die Alten, vorzüglich die Griechen, hielten jede Beschäftigung,
welche zunächst die körperliche Kraft angeht, oder Erwerbung
äusserer Güter, nicht innere Bildung, zur Absicht hat, für
schädlich und entehrend. Ihre menschenfreundlichsten Philo-
sophen billigten daher die Sklaverei, gleichsam um durch ein
ungerechtes und barbarisches Mittel einem Theile der Mensch-
heit durch Aufopferung eines andern die höchste Kraft und
Schönheit zu sichern. Allein den Irrthum, welcher diesem
ganzen Raisonnement zum Grunde liegt, zeigen Vernunft und
Erfahrung leicht. Jede Beschäftigung vermag den Menschen
zu adeln, ihm eine bestimmte, seiner würdige Gestalt zu geben.
Nur auf die Art, wie sie betrieben wird, kommt es an; und
hier lässt sich wohl als allgemeine Regel annehmen, dass sie
heilsame Wirkungen äussert, so lange sie selbst, und die darauf
verwandte Energie vorzüglich die Seele füllt, minder wohl-
thätige, oft nachtheilige hingegen, wenn man mehr auf das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0061" n="25"/>
flösst den Gemüthern bald schauderhafte, bald frohe Ahndungen<lb/>
höherer Wesen, wechselweis Furcht und Hoffnung ein, und<lb/>
führt zu Gebet und Dank; das lebendige Bild der einfachsten<lb/>
Erhabenheit, der ungestörtesten Ordnung, und der mildesten<lb/>
Güte bildet die Seelen einfach gross, sanft, und der Sitte und<lb/>
dem Gesetz froh unterworfen. Immer gewohnt hervorzubringen,<lb/>
nie zu zerstören, ist der Ackerbau friedlich, und von Belei-<lb/>
digung und Rache fern, aber erfüllt von dem Gefühl der Unge-<lb/>
rechtigkeit eines ungereizten Angriffs und gegen jeden Störer<lb/>
seines Friedens mit unerschrockenem Muth beseelt.</p><lb/>
        <p>Allein freilich ist Freiheit die nothwendige Bedingung, ohne<lb/>
welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen<lb/>
Wirkungen dieser Art hervor zu bringen vermag. Was nicht<lb/>
von dem Menschen selbst gewählt, worin er auch nur einge-<lb/>
schränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über,<lb/>
das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich<lb/>
mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit.<lb/>
Die Alten, vorzüglich die Griechen, hielten jede Beschäftigung,<lb/>
welche zunächst die körperliche Kraft angeht, oder Erwerbung<lb/>
äusserer Güter, nicht innere Bildung, zur Absicht hat, für<lb/>
schädlich und entehrend. Ihre menschenfreundlichsten Philo-<lb/>
sophen billigten daher die Sklaverei, gleichsam um durch ein<lb/>
ungerechtes und barbarisches Mittel einem Theile der Mensch-<lb/>
heit durch Aufopferung eines andern die höchste Kraft und<lb/>
Schönheit zu sichern. Allein den Irrthum, welcher diesem<lb/>
ganzen Raisonnement zum Grunde liegt, zeigen Vernunft und<lb/>
Erfahrung leicht. Jede Beschäftigung vermag den Menschen<lb/>
zu adeln, ihm eine bestimmte, seiner würdige Gestalt zu geben.<lb/>
Nur auf die Art, wie sie betrieben wird, kommt es an; und<lb/>
hier lässt sich wohl als allgemeine Regel annehmen, dass sie<lb/>
heilsame Wirkungen äussert, so lange sie selbst, und die darauf<lb/>
verwandte Energie vorzüglich die Seele füllt, minder wohl-<lb/>
thätige, oft nachtheilige hingegen, wenn man mehr auf das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0061] flösst den Gemüthern bald schauderhafte, bald frohe Ahndungen höherer Wesen, wechselweis Furcht und Hoffnung ein, und führt zu Gebet und Dank; das lebendige Bild der einfachsten Erhabenheit, der ungestörtesten Ordnung, und der mildesten Güte bildet die Seelen einfach gross, sanft, und der Sitte und dem Gesetz froh unterworfen. Immer gewohnt hervorzubringen, nie zu zerstören, ist der Ackerbau friedlich, und von Belei- digung und Rache fern, aber erfüllt von dem Gefühl der Unge- rechtigkeit eines ungereizten Angriffs und gegen jeden Störer seines Friedens mit unerschrockenem Muth beseelt. Allein freilich ist Freiheit die nothwendige Bedingung, ohne welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen Wirkungen dieser Art hervor zu bringen vermag. Was nicht von dem Menschen selbst gewählt, worin er auch nur einge- schränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über, das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit. Die Alten, vorzüglich die Griechen, hielten jede Beschäftigung, welche zunächst die körperliche Kraft angeht, oder Erwerbung äusserer Güter, nicht innere Bildung, zur Absicht hat, für schädlich und entehrend. Ihre menschenfreundlichsten Philo- sophen billigten daher die Sklaverei, gleichsam um durch ein ungerechtes und barbarisches Mittel einem Theile der Mensch- heit durch Aufopferung eines andern die höchste Kraft und Schönheit zu sichern. Allein den Irrthum, welcher diesem ganzen Raisonnement zum Grunde liegt, zeigen Vernunft und Erfahrung leicht. Jede Beschäftigung vermag den Menschen zu adeln, ihm eine bestimmte, seiner würdige Gestalt zu geben. Nur auf die Art, wie sie betrieben wird, kommt es an; und hier lässt sich wohl als allgemeine Regel annehmen, dass sie heilsame Wirkungen äussert, so lange sie selbst, und die darauf verwandte Energie vorzüglich die Seele füllt, minder wohl- thätige, oft nachtheilige hingegen, wenn man mehr auf das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/61
Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/61>, abgerufen am 02.05.2024.