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Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

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überhaupt zwar eine einzelne, aber wirkliche Thätigkeit. Sehn-
sucht nach Freiheit entsteht daher nur zu oft erst aus dem Ge-
fühle des Mangels derselben. Unläugbar bleibt es jedoch immer,
dass die Untersuchung des Zwecks und der Schranken der
Wirksamkeit des Staats eine grosse Wichtigkeit hat, und viel-
leicht eine grössere, als irgend eine andere politische. Dass sie
allein gleichsam den letzten Zweck aller Politik betrifft, ist
schon oben bemerkt worden. Allein sie erlaubt auch eine leich-
tere und mehr ausgebreitete Anwendung. Eigentliche Staats-
revolutionen, andere Einrichtungen der Regierung sind nie,
ohne die Concurrenz vieler, oft sehr zufälliger Umstände
möglich, und führen immer mannigfaltig nachtheilige Folgen
mit sich. Hingegen die Gränzen der Wirksamkeit mehr aus-
dehnen oder einschränken kann jeder Regent -- sei es in demo-
kratischen, aristokratischen, oder monarchischen Staaten --
still und unbemerkt, und er erreicht vielmehr seinen Endzweck
nur um so sicherer, je mehr er auffallende Neuheit vermeidet.
Die besten menschlichen Operationen sind diejenigen, welche
die Operationen der Natur am getreuesten nachahmen. Nun
aber bringt der Keim, welchen die Erde still und unbemerkt
empfängt, einen reicheren und holderen Segen, als der gewiss
nothwendige, aber immer auch mit Verderben begleitete Aus-
bruch tobender Vulkane. Auch ist keine andere Art der
Reform unserm Zeitalter so angemessen, wenn sich dasselbe
wirklich mit Recht eines Vorzugs an Kultur und Aufklärung
rühmt. Denn die wichtige Untersuchung der Gränzen der
Wirksamkeit des Staats muss -- wie sich leicht voraussehen
lässt -- auf höhere Freiheit der Kräfte und grössere Mannig-
faltigkeit der Situationen führen. Nun aber erfordert die
Möglichkeit eines höheren Grades der Freiheit immer einen
gleich hohen Grad der Bildung und das geringere Bedürfniss,
gleichsam in einförmigen, verbundenen Massen zu handeln,
eine grössere Stärke und einen mannigfaltigeren Reichthum

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überhaupt zwar eine einzelne, aber wirkliche Thätigkeit. Sehn-
sucht nach Freiheit entsteht daher nur zu oft erst aus dem Ge-
fühle des Mangels derselben. Unläugbar bleibt es jedoch immer,
dass die Untersuchung des Zwecks und der Schranken der
Wirksamkeit des Staats eine grosse Wichtigkeit hat, und viel-
leicht eine grössere, als irgend eine andere politische. Dass sie
allein gleichsam den letzten Zweck aller Politik betrifft, ist
schon oben bemerkt worden. Allein sie erlaubt auch eine leich-
tere und mehr ausgebreitete Anwendung. Eigentliche Staats-
revolutionen, andere Einrichtungen der Regierung sind nie,
ohne die Concurrenz vieler, oft sehr zufälliger Umstände
möglich, und führen immer mannigfaltig nachtheilige Folgen
mit sich. Hingegen die Gränzen der Wirksamkeit mehr aus-
dehnen oder einschränken kann jeder Regent — sei es in demo-
kratischen, aristokratischen, oder monarchischen Staaten —
still und unbemerkt, und er erreicht vielmehr seinen Endzweck
nur um so sicherer, je mehr er auffallende Neuheit vermeidet.
Die besten menschlichen Operationen sind diejenigen, welche
die Operationen der Natur am getreuesten nachahmen. Nun
aber bringt der Keim, welchen die Erde still und unbemerkt
empfängt, einen reicheren und holderen Segen, als der gewiss
nothwendige, aber immer auch mit Verderben begleitete Aus-
bruch tobender Vulkane. Auch ist keine andere Art der
Reform unserm Zeitalter so angemessen, wenn sich dasselbe
wirklich mit Recht eines Vorzugs an Kultur und Aufklärung
rühmt. Denn die wichtige Untersuchung der Gränzen der
Wirksamkeit des Staats muss — wie sich leicht voraussehen
lässt — auf höhere Freiheit der Kräfte und grössere Mannig-
faltigkeit der Situationen führen. Nun aber erfordert die
Möglichkeit eines höheren Grades der Freiheit immer einen
gleich hohen Grad der Bildung und das geringere Bedürfniss,
gleichsam in einförmigen, verbundenen Massen zu handeln,
eine grössere Stärke und einen mannigfaltigeren Reichthum

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[3/0039] überhaupt zwar eine einzelne, aber wirkliche Thätigkeit. Sehn- sucht nach Freiheit entsteht daher nur zu oft erst aus dem Ge- fühle des Mangels derselben. Unläugbar bleibt es jedoch immer, dass die Untersuchung des Zwecks und der Schranken der Wirksamkeit des Staats eine grosse Wichtigkeit hat, und viel- leicht eine grössere, als irgend eine andere politische. Dass sie allein gleichsam den letzten Zweck aller Politik betrifft, ist schon oben bemerkt worden. Allein sie erlaubt auch eine leich- tere und mehr ausgebreitete Anwendung. Eigentliche Staats- revolutionen, andere Einrichtungen der Regierung sind nie, ohne die Concurrenz vieler, oft sehr zufälliger Umstände möglich, und führen immer mannigfaltig nachtheilige Folgen mit sich. Hingegen die Gränzen der Wirksamkeit mehr aus- dehnen oder einschränken kann jeder Regent — sei es in demo- kratischen, aristokratischen, oder monarchischen Staaten — still und unbemerkt, und er erreicht vielmehr seinen Endzweck nur um so sicherer, je mehr er auffallende Neuheit vermeidet. Die besten menschlichen Operationen sind diejenigen, welche die Operationen der Natur am getreuesten nachahmen. Nun aber bringt der Keim, welchen die Erde still und unbemerkt empfängt, einen reicheren und holderen Segen, als der gewiss nothwendige, aber immer auch mit Verderben begleitete Aus- bruch tobender Vulkane. Auch ist keine andere Art der Reform unserm Zeitalter so angemessen, wenn sich dasselbe wirklich mit Recht eines Vorzugs an Kultur und Aufklärung rühmt. Denn die wichtige Untersuchung der Gränzen der Wirksamkeit des Staats muss — wie sich leicht voraussehen lässt — auf höhere Freiheit der Kräfte und grössere Mannig- faltigkeit der Situationen führen. Nun aber erfordert die Möglichkeit eines höheren Grades der Freiheit immer einen gleich hohen Grad der Bildung und das geringere Bedürfniss, gleichsam in einförmigen, verbundenen Massen zu handeln, eine grössere Stärke und einen mannigfaltigeren Reichthum 1*

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Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/39>, abgerufen am 27.11.2024.