Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

-- wir werden richtiger sagen, schon Aenderungen nothwendig.
Aber er denkt noch immer an nichts, als an schleunige Publi-
cation und will daher sich sogleich an die neue Durchsicht
machen, "ob ich gleich," schreibt er, "noch selbst nicht
"bestimmen kann, ob ich viel abändern werde." Am 14. Januar
sind Humboldt's Bedenken schon mächtig angewachsen. "Viel-
"leicht," schreibt er an Schiller, "nähme Göschen das Werkchen
"in ein oder zwei Jahren, und mir wäre es lieb, wenn man so
"lange damit wartete. Ich habe schlechterdings keine Eile da-
"mit, und gewönne vielmehr dadurch Zeit zu einer Umarbeitung
"einzelner Abschnitte, die ich zum Theil für nothwendig halte,
"an die ich aber jetzt, da ich mir einmal für die nächsten Mo-
"nateganz andere Beschäftigungen gewählt habe, nicht kommen
"würde. Der Gegenstand selbst ist von allem Bezug auf
"momentane Zeitumstände frei, und so, dächte ich, gewännen
"sowohl die Leser, als die Ideen selbst, für die Sie sich zu
"interessiren scheinen."

Als unmittelbar nach Abgang dieses Briefes die Nachricht
kam, dass ein Verleger gefunden sei und der Druck beginnen
solle, als es also galt, einen entscheidenden Entschluss zu fassen,
da scheint sich Humboldt selbst erst die tiefe Kluft zum Be-
wusstsein gebracht zu haben, die ihn bereits von den Tagen
trennte, in denen er seine "Ideen" niedergeschrieben hatte. Am
18. Januar spricht er sich gegen Schiller ausführlich über diese
Angelegenheit aus: "als ich neulich die Abhandlung noch ein-
"mal durchging, fand ich in der That nicht blos viele Stellen,
"die einer Aenderung, sondern auch einige, die einer gänzlichen
"Umarbeitung bedürfen. Sie selbst, lieber Freund, waren
"zuerst dieser Meinung und werden darum um so mehr mit mir
"darüber übereinstimmen. Je mehr mich auch die vorgetragnen
"Ideen interessiren, und je günstiger ich sogar von meiner Ar-
"beit urtheile, um so weniger könnte ich mir die Nachlässigkeit
verzeihen, ihr nicht diese letzte Sorgfalt gewidmet zu haben.

— wir werden richtiger sagen, schon Aenderungen nothwendig.
Aber er denkt noch immer an nichts, als an schleunige Publi-
cation und will daher sich sogleich an die neue Durchsicht
machen, „ob ich gleich,“ schreibt er, „noch selbst nicht
„bestimmen kann, ob ich viel abändern werde.“ Am 14. Januar
sind Humboldt’s Bedenken schon mächtig angewachsen. „Viel-
„leicht,“ schreibt er an Schiller, „nähme Göschen das Werkchen
„in ein oder zwei Jahren, und mir wäre es lieb, wenn man so
„lange damit wartete. Ich habe schlechterdings keine Eile da-
„mit, und gewönne vielmehr dadurch Zeit zu einer Umarbeitung
„einzelner Abschnitte, die ich zum Theil für nothwendig halte,
„an die ich aber jetzt, da ich mir einmal für die nächsten Mo-
„nateganz andere Beschäftigungen gewählt habe, nicht kommen
„würde. Der Gegenstand selbst ist von allem Bezug auf
„momentane Zeitumstände frei, und so, dächte ich, gewännen
„sowohl die Leser, als die Ideen selbst, für die Sie sich zu
„interessiren scheinen.“

Als unmittelbar nach Abgang dieses Briefes die Nachricht
kam, dass ein Verleger gefunden sei und der Druck beginnen
solle, als es also galt, einen entscheidenden Entschluss zu fassen,
da scheint sich Humboldt selbst erst die tiefe Kluft zum Be-
wusstsein gebracht zu haben, die ihn bereits von den Tagen
trennte, in denen er seine „Ideen“ niedergeschrieben hatte. Am
18. Januar spricht er sich gegen Schiller ausführlich über diese
Angelegenheit aus: „als ich neulich die Abhandlung noch ein-
„mal durchging, fand ich in der That nicht blos viele Stellen,
„die einer Aenderung, sondern auch einige, die einer gänzlichen
„Umarbeitung bedürfen. Sie selbst, lieber Freund, waren
„zuerst dieser Meinung und werden darum um so mehr mit mir
„darüber übereinstimmen. Je mehr mich auch die vorgetragnen
„Ideen interessiren, und je günstiger ich sogar von meiner Ar-
„beit urtheile, um so weniger könnte ich mir die Nachlässigkeit
verzeihen, ihr nicht diese letzte Sorgfalt gewidmet zu haben.

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="IX"/>
&#x2014; wir werden richtiger sagen, <hi rendition="#g">schon</hi> Aenderungen nothwendig.<lb/>
Aber er denkt noch immer an nichts, als an schleunige Publi-<lb/>
cation und will daher sich sogleich an die neue Durchsicht<lb/>
machen, &#x201E;ob ich gleich,&#x201C; schreibt er, &#x201E;noch selbst nicht<lb/>
&#x201E;bestimmen kann, ob ich viel abändern werde.&#x201C; Am 14. Januar<lb/>
sind Humboldt&#x2019;s Bedenken schon mächtig angewachsen. &#x201E;Viel-<lb/>
&#x201E;leicht,&#x201C; schreibt er an Schiller, &#x201E;nähme Göschen das Werkchen<lb/>
&#x201E;in ein oder zwei Jahren, und mir wäre es lieb, wenn man so<lb/>
&#x201E;lange damit wartete. Ich habe schlechterdings keine Eile da-<lb/>
&#x201E;mit, und gewönne vielmehr dadurch Zeit zu einer Umarbeitung<lb/>
&#x201E;einzelner Abschnitte, die ich zum Theil für nothwendig halte,<lb/>
&#x201E;an die ich aber jetzt, da ich mir einmal für die nächsten Mo-<lb/>
&#x201E;nateganz andere Beschäftigungen gewählt habe, nicht kommen<lb/>
&#x201E;würde. Der Gegenstand selbst ist von allem Bezug auf<lb/>
&#x201E;momentane Zeitumstände frei, und so, dächte ich, gewännen<lb/>
&#x201E;sowohl die Leser, als die Ideen selbst, für die Sie sich zu<lb/>
&#x201E;interessiren scheinen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Als unmittelbar nach Abgang dieses Briefes die Nachricht<lb/>
kam, dass ein Verleger gefunden sei und der Druck beginnen<lb/>
solle, als es also galt, einen entscheidenden Entschluss zu fassen,<lb/>
da scheint sich Humboldt selbst erst die tiefe Kluft zum Be-<lb/>
wusstsein gebracht zu haben, die ihn bereits von den Tagen<lb/>
trennte, in denen er seine &#x201E;Ideen&#x201C; niedergeschrieben hatte. Am<lb/>
18. Januar spricht er sich gegen Schiller ausführlich über diese<lb/>
Angelegenheit aus: &#x201E;als ich neulich die Abhandlung noch ein-<lb/>
&#x201E;mal durchging, fand ich in der That nicht blos viele Stellen,<lb/>
&#x201E;die einer Aenderung, sondern auch einige, die einer gänzlichen<lb/>
&#x201E;Umarbeitung bedürfen. Sie selbst, lieber Freund, waren<lb/>
&#x201E;zuerst dieser Meinung und werden darum um so mehr mit mir<lb/>
&#x201E;darüber übereinstimmen. Je mehr mich auch die vorgetragnen<lb/>
&#x201E;Ideen interessiren, und je günstiger ich sogar von meiner Ar-<lb/>
&#x201E;beit urtheile, um so weniger könnte ich mir die Nachlässigkeit<lb/>
verzeihen, ihr nicht diese letzte Sorgfalt gewidmet zu haben.<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[IX/0017] — wir werden richtiger sagen, schon Aenderungen nothwendig. Aber er denkt noch immer an nichts, als an schleunige Publi- cation und will daher sich sogleich an die neue Durchsicht machen, „ob ich gleich,“ schreibt er, „noch selbst nicht „bestimmen kann, ob ich viel abändern werde.“ Am 14. Januar sind Humboldt’s Bedenken schon mächtig angewachsen. „Viel- „leicht,“ schreibt er an Schiller, „nähme Göschen das Werkchen „in ein oder zwei Jahren, und mir wäre es lieb, wenn man so „lange damit wartete. Ich habe schlechterdings keine Eile da- „mit, und gewönne vielmehr dadurch Zeit zu einer Umarbeitung „einzelner Abschnitte, die ich zum Theil für nothwendig halte, „an die ich aber jetzt, da ich mir einmal für die nächsten Mo- „nateganz andere Beschäftigungen gewählt habe, nicht kommen „würde. Der Gegenstand selbst ist von allem Bezug auf „momentane Zeitumstände frei, und so, dächte ich, gewännen „sowohl die Leser, als die Ideen selbst, für die Sie sich zu „interessiren scheinen.“ Als unmittelbar nach Abgang dieses Briefes die Nachricht kam, dass ein Verleger gefunden sei und der Druck beginnen solle, als es also galt, einen entscheidenden Entschluss zu fassen, da scheint sich Humboldt selbst erst die tiefe Kluft zum Be- wusstsein gebracht zu haben, die ihn bereits von den Tagen trennte, in denen er seine „Ideen“ niedergeschrieben hatte. Am 18. Januar spricht er sich gegen Schiller ausführlich über diese Angelegenheit aus: „als ich neulich die Abhandlung noch ein- „mal durchging, fand ich in der That nicht blos viele Stellen, „die einer Aenderung, sondern auch einige, die einer gänzlichen „Umarbeitung bedürfen. Sie selbst, lieber Freund, waren „zuerst dieser Meinung und werden darum um so mehr mit mir „darüber übereinstimmen. Je mehr mich auch die vorgetragnen „Ideen interessiren, und je günstiger ich sogar von meiner Ar- „beit urtheile, um so weniger könnte ich mir die Nachlässigkeit verzeihen, ihr nicht diese letzte Sorgfalt gewidmet zu haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/17
Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/17>, abgerufen am 22.12.2024.