keinesweges die Veröffentlichung des Ganzen ersetzen, vielmehr auf dieselbe vorbereiten sollten 1).
Dass es zu dieser Veröffentlichung des Ganzen nicht mehr kam, dass es bei jenen vorläufigen Mittheilungen sein Bewenden behielt, davon trug die Schuld zuletzt Humboldt selbst. -- Der Berliner Censur liess sich aus dem Wege gehn. Nun endlich hatte Schiller auch einen Verleger ausfindig gemacht; -- zwi- schen dem 14ten und 18ten Januar erhielt Humboldt die Mel- dung davon nach Auleben, wohin er sich in der Mitte des verflossenen Sommers von Erfurt aus begeben hatte. -- Ein objectives Hinderniss war nicht mehr vorhanden. Da ergaben sich neue und dieses Mal unüberwindliche Schwierigkeiten aus den Wandlungen und Stimmungen der Subjectivität des Ver- fassers. Es ist in der That merkwürdig zu sehen, wie sich stufenweise aber schnell genug das Verhältniss des Urhebers zu seinem Werke umwandelte. In dem Briefe an Forster vom 1. Juni spricht sich noch die vollste Zuversicht aus. Humboldt redet von den Ergebnissen seines Nachdenkens in dem Tone eines Mannes, der das Bewusstsein hat, mit sich fertig zu sein und was auch das Leben bringen möge, an dem System seiner Gedanken nun nichts mehr ändern zu müssen. "Sie stimmten sonst," schreibt er, "als wir noch von Göttingen aus über diese "Gegenstände correspondirten, mit meinen Ideen überein. Ich "habe seitdem, so viel ich auch nachzudenken und zu forschen "versucht habe, fast keine Veranlassung gefunden, sie eigent- "lich abzuändern, aber ich darf behaupten, ihnen bei weitem "mehr Vollständigkeit, Ordnung und Präcision gegeben zu "haben." Dieselbe Sicherheit verbunden mit einer gewissen Ungeduld, die Schrift vor das Publikum gebracht zu sehen, verräth noch der Brief an Schiller vom 12. Septbr. Nun aber beginnt die Entfremdung. Am 7. Decbr. findet Humboldt noch,
1) Vergl. die Anmerkung des Herausgebers vor dem Abdruck in No. 10 der Berlinischen Monatsschrift.
keinesweges die Veröffentlichung des Ganzen ersetzen, vielmehr auf dieselbe vorbereiten sollten 1).
Dass es zu dieser Veröffentlichung des Ganzen nicht mehr kam, dass es bei jenen vorläufigen Mittheilungen sein Bewenden behielt, davon trug die Schuld zuletzt Humboldt selbst. — Der Berliner Censur liess sich aus dem Wege gehn. Nun endlich hatte Schiller auch einen Verleger ausfindig gemacht; — zwi- schen dem 14ten und 18ten Januar erhielt Humboldt die Mel- dung davon nach Auleben, wohin er sich in der Mitte des verflossenen Sommers von Erfurt aus begeben hatte. — Ein objectives Hinderniss war nicht mehr vorhanden. Da ergaben sich neue und dieses Mal unüberwindliche Schwierigkeiten aus den Wandlungen und Stimmungen der Subjectivität des Ver- fassers. Es ist in der That merkwürdig zu sehen, wie sich stufenweise aber schnell genug das Verhältniss des Urhebers zu seinem Werke umwandelte. In dem Briefe an Forster vom 1. Juni spricht sich noch die vollste Zuversicht aus. Humboldt redet von den Ergebnissen seines Nachdenkens in dem Tone eines Mannes, der das Bewusstsein hat, mit sich fertig zu sein und was auch das Leben bringen möge, an dem System seiner Gedanken nun nichts mehr ändern zu müssen. „Sie stimmten sonst,“ schreibt er, „als wir noch von Göttingen aus über diese „Gegenstände correspondirten, mit meinen Ideen überein. Ich „habe seitdem, so viel ich auch nachzudenken und zu forschen „versucht habe, fast keine Veranlassung gefunden, sie eigent- „lich abzuändern, aber ich darf behaupten, ihnen bei weitem „mehr Vollständigkeit, Ordnung und Präcision gegeben zu „haben.“ Dieselbe Sicherheit verbunden mit einer gewissen Ungeduld, die Schrift vor das Publikum gebracht zu sehen, verräth noch der Brief an Schiller vom 12. Septbr. Nun aber beginnt die Entfremdung. Am 7. Decbr. findet Humboldt noch,
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[VIII/0016]
keinesweges die Veröffentlichung des Ganzen ersetzen, vielmehr
auf dieselbe vorbereiten sollten 1).
Dass es zu dieser Veröffentlichung des Ganzen nicht mehr
kam, dass es bei jenen vorläufigen Mittheilungen sein Bewenden
behielt, davon trug die Schuld zuletzt Humboldt selbst. — Der
Berliner Censur liess sich aus dem Wege gehn. Nun endlich
hatte Schiller auch einen Verleger ausfindig gemacht; — zwi-
schen dem 14ten und 18ten Januar erhielt Humboldt die Mel-
dung davon nach Auleben, wohin er sich in der Mitte des
verflossenen Sommers von Erfurt aus begeben hatte. — Ein
objectives Hinderniss war nicht mehr vorhanden. Da ergaben
sich neue und dieses Mal unüberwindliche Schwierigkeiten aus
den Wandlungen und Stimmungen der Subjectivität des Ver-
fassers. Es ist in der That merkwürdig zu sehen, wie sich
stufenweise aber schnell genug das Verhältniss des Urhebers
zu seinem Werke umwandelte. In dem Briefe an Forster vom
1. Juni spricht sich noch die vollste Zuversicht aus. Humboldt
redet von den Ergebnissen seines Nachdenkens in dem Tone
eines Mannes, der das Bewusstsein hat, mit sich fertig zu sein
und was auch das Leben bringen möge, an dem System seiner
Gedanken nun nichts mehr ändern zu müssen. „Sie stimmten
sonst,“ schreibt er, „als wir noch von Göttingen aus über diese
„Gegenstände correspondirten, mit meinen Ideen überein. Ich
„habe seitdem, so viel ich auch nachzudenken und zu forschen
„versucht habe, fast keine Veranlassung gefunden, sie eigent-
„lich abzuändern, aber ich darf behaupten, ihnen bei weitem
„mehr Vollständigkeit, Ordnung und Präcision gegeben zu
„haben.“ Dieselbe Sicherheit verbunden mit einer gewissen
Ungeduld, die Schrift vor das Publikum gebracht zu sehen,
verräth noch der Brief an Schiller vom 12. Septbr. Nun aber
beginnt die Entfremdung. Am 7. Decbr. findet Humboldt noch,
1) Vergl. die Anmerkung des Herausgebers vor dem Abdruck in No. 10
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/16>, abgerufen am 16.02.2025.
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