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Humboldt, Alexander von: Ueber die Gesetze, welche man in der Verteilung der Pflanzenformen beobachtet. In: Journal für Chemie und Physik, Bd. 18, H. 2 (1816), S. 129-145.

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man in d. Verth. d. Pflanzenformen beobachtet.
meiner werden. So sieht man in Quito, auf dem
Rücken der Andes, die Heiden, die Rhododendra
und die Gräser vorherrschen. Im Gegentheil wer-
den die Lippenblumen, die Rubiaceae, Malveu und
Wolfsmilcharten daselbst so selten, als sie in Lapp-
land sind. In Rücksicht auf die Compositas aber
und auf die Farren tritt kein ähnliches Verhältniss
ein. Die ersteren sind häufig auf dem Rücken der
Andes, während die letztern sich allmählig verlieh-
ren, wenn man über 1,800 Toisen in die Höhe
steigt. Auch ist das Klima der Andes dem des
nördlichen Europa's nur in Beziehung auf die mitt-
lere Temperatur des Jahres ähnlich. Die Verthei-
lung der Wärme in den verschiedenen Jahreszeiten
ist ganz anders und von mächtigern Einfluss auf
die Phänomene der Vegetation. Im Allgemeinen
sind, nach meinen Untersuchungen, diejenigen
Formen, welche unter den Alpenpflanzen herrschen
in der heissen Zone die Gräser (Aegopogon, Podo-
saemum, Deyeuxia, Avena); die Compositae (Cal-
citium, Espeletia, Aster, Baccharis), und die Nel-
kenfamilie (Arenaria, Stellaria). In der gemäsigten
Zone herrschen
: die Compositae (Senecio, Leonto-
don, Aster, Hieracium); die Nelkenblumen (Cera-
stium, Cherleria, Silene), und die Kreuzblumen
(Draba, Lepidium, Sisymbrium); -- in der kalten
Zone
dagegen die Nelken (Stellaria, Alsine); die
Heidenartigen (Andromeda) und Ranunkelartigen.

Diese Untersuchungen über das Gesetz der
Verbreitung der Formen führten natürlich auf die
Frage: ob es Gewächse giebt, welche den beiden
Continenten gemeinschaftlich zukommen? Diese
Frage erregt um so mehr Interesse, als sie un-
mittelbar eines der wichtigsten Probleme der Zoo-

man in d. Verth. d. Pflanzenformen beobachtet.
meiner werden. So sieht man in Quito, auf dem
Rücken der Andes, die Heiden, die Rhododendra
und die Gräser vorherrschen. Im Gegentheil wer-
den die Lippenblumen, die Rubiaceae, Malveu und
Wolfsmilcharten daselbst so selten, als sie in Lapp-
land sind. In Rücksicht auf die Compositas aber
und auf die Farren tritt kein ähnliches Verhältniſs
ein. Die ersteren sind häufig auf dem Rücken der
Andes, während die letztern sich allmählig verlieh-
ren, wenn man über 1,800 Toisen in die Höhe
steigt. Auch ist das Klima der Andes dem des
nördlichen Europa's nur in Beziehung auf die mitt-
lere Temperatur des Jahres ähnlich. Die Verthei-
lung der Wärme in den verschiedenen Jahreszeiten
ist ganz anders und von mächtigern Einfluſs auf
die Phänomene der Vegetation. Im Allgemeinen
sind, nach meinen Untersuchungen, diejenigen
Formen, welche unter den Alpenpflanzen herrschen
in der heiſsen Zone die Gräser (Aegopogon, Podo-
saemum, Deyeuxia, Avena); die Compositae (Cal-
citium, Espeletia, Aster, Baccharis), und die Nel-
kenfamilie (Arenaria, Stellaria). In der gemäsigten
Zone herrschen
: die Compositae (Senecio, Leonto-
don, Aster, Hieracium); die Nelkenblumen (Cera-
stium, Cherleria, Silene), und die Kreuzblumen
(Draba, Lepidium, Sisymbrium); — in der kalten
Zone
dagegen die Nelken (Stellaria, Alsine); die
Heidenartigen (Andromeda) und Ranunkelartigen.

Diese Untersuchungen über das Gesetz der
Verbreitung der Formen führten natürlich auf die
Frage: ob es Gewächse giebt, welche den beiden
Continenten gemeinschaftlich zukommen? Diese
Frage erregt um so mehr Interesse, als sie un-
mittelbar eines der wichtigsten Probleme der Zoo-

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[139/0010] man in d. Verth. d. Pflanzenformen beobachtet. meiner werden. So sieht man in Quito, auf dem Rücken der Andes, die Heiden, die Rhododendra und die Gräser vorherrschen. Im Gegentheil wer- den die Lippenblumen, die Rubiaceae, Malveu und Wolfsmilcharten daselbst so selten, als sie in Lapp- land sind. In Rücksicht auf die Compositas aber und auf die Farren tritt kein ähnliches Verhältniſs ein. Die ersteren sind häufig auf dem Rücken der Andes, während die letztern sich allmählig verlieh- ren, wenn man über 1,800 Toisen in die Höhe steigt. Auch ist das Klima der Andes dem des nördlichen Europa's nur in Beziehung auf die mitt- lere Temperatur des Jahres ähnlich. Die Verthei- lung der Wärme in den verschiedenen Jahreszeiten ist ganz anders und von mächtigern Einfluſs auf die Phänomene der Vegetation. Im Allgemeinen sind, nach meinen Untersuchungen, diejenigen Formen, welche unter den Alpenpflanzen herrschen in der heiſsen Zone die Gräser (Aegopogon, Podo- saemum, Deyeuxia, Avena); die Compositae (Cal- citium, Espeletia, Aster, Baccharis), und die Nel- kenfamilie (Arenaria, Stellaria). In der gemäsigten Zone herrschen: die Compositae (Senecio, Leonto- don, Aster, Hieracium); die Nelkenblumen (Cera- stium, Cherleria, Silene), und die Kreuzblumen (Draba, Lepidium, Sisymbrium); — in der kalten Zone dagegen die Nelken (Stellaria, Alsine); die Heidenartigen (Andromeda) und Ranunkelartigen. Diese Untersuchungen über das Gesetz der Verbreitung der Formen führten natürlich auf die Frage: ob es Gewächse giebt, welche den beiden Continenten gemeinschaftlich zukommen? Diese Frage erregt um so mehr Interesse, als sie un- mittelbar eines der wichtigsten Probleme der Zoo-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Gesetze, welche man in der Verteilung der Pflanzenformen beobachtet. In: Journal für Chemie und Physik, Bd. 18, H. 2 (1816), S. 129-145, hier S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_gesetze_1816/10>, abgerufen am 20.04.2024.