Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219.unterirdischer Dampfbehälter betrachtet, ganz wie schon 1) Der geistreiche Geograph von Amasea, nachdem er von der Tren- nung von Sicilien und Unteritalien durch Erdbeben gesprochen hat, fügt folgende Betrachtung (lib. VI p. 258 Cas.) hinzu: "jetzt zwar, sagt man, seitdem die Mündungen (des Aetna) geöffnet sind, durch welche das Feuer emporbläst und seitdem Glühmassen und Wasser hervorstürzen können, wird das Land am Meeresstrande nur selten erschüttert. Damals hingegen, als noch alle Ausgänge auf der Ober- fläche verstopft waren, bewirkten Feuer und Luft, unter der Erde eingeschlossen, heftige Erschütterungen, die Erddecken aber wichen endlich der Gewalt der (unterirdischen) Winde. Zerrissen nahmen sie von beiden Seiten das Meer auf. Einige Inseln sind Bruch- stücke des festen Landes, andere sind aus dem Meere, wie noch jetzt sich zuträgt, hervorgegangen. Denn die Hochseeinseln (die weit hin- aus im Meere liegenden) wurden wahrscheinlich aus der Tiefe empor- gehoben; hingegen die an Vorgebirgen liegenden und durch eine Meer- enge getrennten scheinen (vernunftgemäss) dem Festlande abgerissen." (Groskurd.) 2) Dieselben Ansichten hatte das römische Alterthum. Neque aliud est
in terra tremor quam in nube tonitruum. Nec hiatus aliud, quam cum fulmen erumpit, incluso spiritu luctante et ad libertatem exire nitente. Plin. II, 79. Der Keim zu allem, was in neueren Zei- ten über die Ursachen der Erdbeben gesagt worden ist, findet sich bei Seneca (Nat. Quaest. VI, 4--31). unterirdischer Dampfbehälter betrachtet, ganz wie schon 1) Der geistreiche Geograph von Amasea, nachdem er von der Tren- nung von Sicilien und Unteritalien durch Erdbeben gesprochen hat, fügt folgende Betrachtung (lib. VI p. 258 Cas.) hinzu: „jetzt zwar, sagt man, seitdem die Mündungen (des Aetna) geöffnet sind, durch welche das Feuer emporbläst und seitdem Glühmassen und Wasser hervorstürzen können, wird das Land am Meeresstrande nur selten erschüttert. Damals hingegen, als noch alle Ausgänge auf der Ober- fläche verstopft waren, bewirkten Feuer und Luft, unter der Erde eingeschlossen, heftige Erschütterungen, die Erddecken aber wichen endlich der Gewalt der (unterirdischen) Winde. Zerrissen nahmen sie von beiden Seiten das Meer auf. Einige Inseln sind Bruch- stücke des festen Landes, andere sind aus dem Meere, wie noch jetzt sich zuträgt, hervorgegangen. Denn die Hochseeinseln (die weit hin- aus im Meere liegenden) wurden wahrscheinlich aus der Tiefe empor- gehoben; hingegen die an Vorgebirgen liegenden und durch eine Meer- enge getrennten scheinen (vernunftgemäſs) dem Festlande abgerissen.“ (Groskurd.) 2) Dieselben Ansichten hatte das römische Alterthum. Neque aliud est
in terra tremor quam in nube tonitruum. Nec hiatus aliud, quam cum fulmen erumpit, incluso spiritu luctante et ad libertatem exire nitente. Plin. II, 79. Der Keim zu allem, was in neueren Zei- ten über die Ursachen der Erdbeben gesagt worden ist, findet sich bei Seneca (Nat. Quaest. VI, 4—31). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="199"/> unterirdischer Dampfbehälter betrachtet, ganz wie schon<lb/><hi rendition="#g">Strabo</hi> thut, wenn er der in Sicilien seltener geworde-<lb/> nen Erdbeben erwähnt<note place="foot" n="1)">Der geistreiche Geograph <hi rendition="#g">von Amasea</hi>, nachdem er von der Tren-<lb/> nung von Sicilien und Unteritalien durch Erdbeben gesprochen hat,<lb/> fügt folgende Betrachtung (<hi rendition="#i">lib. V</hi>I <hi rendition="#i">p</hi>. 258 <hi rendition="#i">Cas</hi>.) hinzu: „jetzt zwar,<lb/> sagt man, seitdem die Mündungen (des Aetna) geöffnet sind, durch<lb/> welche das Feuer emporbläst und seitdem Glühmassen und Wasser<lb/> hervorstürzen können, wird das Land am Meeresstrande nur selten<lb/> erschüttert. Damals hingegen, als noch alle Ausgänge auf der Ober-<lb/> fläche verstopft waren, bewirkten Feuer und Luft, unter der Erde<lb/> eingeschlossen, heftige Erschütterungen, die Erddecken aber wichen<lb/> endlich der Gewalt der (unterirdischen) Winde. Zerrissen nahmen<lb/> sie von beiden Seiten das Meer auf. Einige Inseln sind Bruch-<lb/> stücke des festen Landes, andere sind aus dem Meere, wie noch jetzt<lb/> sich zuträgt, hervorgegangen. Denn die Hochseeinseln (die weit hin-<lb/> aus im Meere liegenden) wurden wahrscheinlich aus der Tiefe empor-<lb/> gehoben; hingegen die an Vorgebirgen liegenden und durch eine Meer-<lb/> enge getrennten scheinen (vernunftgemäſs) dem Festlande abgerissen.“<lb/> (<hi rendition="#g">Groskurd</hi>.)</note>. »Das Unglück der furcht-<lb/> baren Erschütterung vom 4ten Februar 1797 würde nicht<lb/> erfolgt seyn, hörte ich oft wiederholen, wenn der Gipfel<lb/> des Chimborazo sich geöffnet, wenn Tunguragua oder<lb/> Cotopaxi gespien hätten, wenn die Erde sich der Dämpfe<lb/> hätte entledigen können« (<hi rendition="#i">desahogarse de los vapo-<lb/> res</hi>) <note place="foot" n="2)">Dieselben Ansichten hatte das römische Alterthum. <hi rendition="#i">Neque aliud est<lb/> in terra tremor quam in nube tonitruum. Nec hiatus aliud, quam<lb/> cum fulmen erumpit, incluso spiritu luctante et ad libertatem exire<lb/> nitente.</hi> <hi rendition="#g">Plin</hi>. II, 79. Der Keim zu allem, was in neueren Zei-<lb/> ten über die Ursachen der Erdbeben gesagt worden ist, findet sich<lb/> bei <hi rendition="#g">Seneca</hi> (<hi rendition="#i">Nat. Quaest. VI</hi>, 4—31).</note>. Eben diese Einsicht in den Zusammenhang der<lb/> Erscheinungen sollte aber auch die Einwohner daran<lb/> erinnert haben, daſs Erdstöſse äuſserst selten auf einen<lb/> kleinen Erschütterungskreis beschränkt sind, daſs sie fast<lb/> immer als Wirkung sehr entfernter Ursachen auftreten.<lb/> Wenn in einem neuerwählten Wohnsitze (und zu sol-<lb/> chen Städtewanderungen ist das ganze Spanische Ame-<lb/> rika sonderbar geneigt) man sich eine Zeit lang völlig<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [199/0007]
unterirdischer Dampfbehälter betrachtet, ganz wie schon
Strabo thut, wenn er der in Sicilien seltener geworde-
nen Erdbeben erwähnt 1). »Das Unglück der furcht-
baren Erschütterung vom 4ten Februar 1797 würde nicht
erfolgt seyn, hörte ich oft wiederholen, wenn der Gipfel
des Chimborazo sich geöffnet, wenn Tunguragua oder
Cotopaxi gespien hätten, wenn die Erde sich der Dämpfe
hätte entledigen können« (desahogarse de los vapo-
res) 2). Eben diese Einsicht in den Zusammenhang der
Erscheinungen sollte aber auch die Einwohner daran
erinnert haben, daſs Erdstöſse äuſserst selten auf einen
kleinen Erschütterungskreis beschränkt sind, daſs sie fast
immer als Wirkung sehr entfernter Ursachen auftreten.
Wenn in einem neuerwählten Wohnsitze (und zu sol-
chen Städtewanderungen ist das ganze Spanische Ame-
rika sonderbar geneigt) man sich eine Zeit lang völlig
1) Der geistreiche Geograph von Amasea, nachdem er von der Tren-
nung von Sicilien und Unteritalien durch Erdbeben gesprochen hat,
fügt folgende Betrachtung (lib. VI p. 258 Cas.) hinzu: „jetzt zwar,
sagt man, seitdem die Mündungen (des Aetna) geöffnet sind, durch
welche das Feuer emporbläst und seitdem Glühmassen und Wasser
hervorstürzen können, wird das Land am Meeresstrande nur selten
erschüttert. Damals hingegen, als noch alle Ausgänge auf der Ober-
fläche verstopft waren, bewirkten Feuer und Luft, unter der Erde
eingeschlossen, heftige Erschütterungen, die Erddecken aber wichen
endlich der Gewalt der (unterirdischen) Winde. Zerrissen nahmen
sie von beiden Seiten das Meer auf. Einige Inseln sind Bruch-
stücke des festen Landes, andere sind aus dem Meere, wie noch jetzt
sich zuträgt, hervorgegangen. Denn die Hochseeinseln (die weit hin-
aus im Meere liegenden) wurden wahrscheinlich aus der Tiefe empor-
gehoben; hingegen die an Vorgebirgen liegenden und durch eine Meer-
enge getrennten scheinen (vernunftgemäſs) dem Festlande abgerissen.“
(Groskurd.)
2) Dieselben Ansichten hatte das römische Alterthum. Neque aliud est
in terra tremor quam in nube tonitruum. Nec hiatus aliud, quam
cum fulmen erumpit, incluso spiritu luctante et ad libertatem exire
nitente. Plin. II, 79. Der Keim zu allem, was in neueren Zei-
ten über die Ursachen der Erdbeben gesagt worden ist, findet sich
bei Seneca (Nat. Quaest. VI, 4—31).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Weitere Informationen:Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |