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Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120.

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urtheile in Beurtheilung der Cinchona. Gewisse Handlungshäuser in Spa-
nien, welche seit einem halben Jahrhundert im Besitze des Alleinhandels
der China von Loxa waren, suchten die von Neu-Grenada und dem
südlichen Peru zu verrufen. Sie fanden gefällige Botaniker, welche durch
rasche Erhebung von Varietäten zu Species bewiesen, dass alle Peruani-
schen Cinchonen von denen um S. Fe wachsenden specifisch verschieden
wären. Physiker zogen, gleich den Päbsten, Demarcationslinien auf der
Karte. Sie behaupteten, dass über einen gewissen Breitegrad hinaus in
der nördlichen Hemisphäre keine wirksame China wachsen könne. Da
indess das Verkehr mit der Fieberrinde von Huamalies und Huanuco,
welche Ortega, Ruiz, Pavon und Tafalla anrühmten, bald in die Hände
derer fiel, welche den Südseehandel mit der alten China von Loxa ge-
trieben hatten, so gewannen natürlich die neuen peruanischen Fieberrin-
den leichter Eingang in Spanien, als die von Santa Fe. Die letztern
dagegen, welche die Engländer und Nordamerikaner sich leicht in Car-
thagena
als einem dem Schleichhandel zugänglicheren Hafen verschaffen
konnten, erhielt vorzüglichen Ruf in London, Deutschland und Italien.
Die Wirkung kaufmännischer Ränke ging so weit, dass in Cadiz auf kö-
niglichen Befehl eine Menge der vortreflichsten pommeranzenfarbenen
China von Neu-Grenada, welche Mutis auf königliche Kosten hatte schä-
len lassen, als ein völlig unwirksames Heilmittel verbrannt wurde, wäh-
rend man in allen spanischen Feldhospitälern an diesem köstlichen Er-
zeugnisse von Südamerika den grössten Mangel litt. Ein Theil der zur
Vernichtung verurtheilten China wurde von englischen Kaufleuten in Cadiz
heimlich gekauft und in London zu hohen Preisen versteigert. Seitdem
Herr Zea, der jetzige Aufseher des botanischen Gartens zu Madrid, in
den Annales de Cuencias naturales gegen die Herausgeber der Flora
Peruviana
behauptet hat, dass ihre peruanischen Chinaarten mit den
Mutisischen identisch sind, dass sie aber eine Species unter zwei bis
drei Namen beschrieben haben, ist der Streit über die Güte der Fieber-
rinde von Santa Fe aufs neue lebhaft rege geworden. Das Supplement
der Quinologia von Ruiz und Pavon ist mit einer Bitterkeit geschrieben,
welche dem ruhigen Gange wissenschaftlicher Untersuchungen stets fremd
bleiben sollte.

Ehe wir von der Geschichte der Entdeckung der Cinchona zu ihrer
geographischen Verbreitung und ihren übrigen physikalischen Verhält-
nissen übergehen, müssen wir einen Blick auf die specifiken Unterschiede
der verschiedenen Arten werfen. Eine eigentliche vollständige botanische
Auseinandersetzung ist gegen den Zweck dieser Abhandlung. Wir wer-
den dieselbe, Herr Bonpland und ich, bei einer andern Gelegenheit ver-
suchen, nemlich in der Beschreibung der von uns, auf unserer Expedition
entdeckten, von unserm vortrefflichen Freunde Willdenow bereits zum

in Südamerika.
urtheile in Beurtheilung der Cinchona. Gewisse Handlungshäuser in Spa-
nien, welche seit einem halben Jahrhundert im Besitze des Alleinhandels
der China von Loxa waren, suchten die von Neu-Grenada und dem
südlichen Peru zu verrufen. Sie fanden gefällige Botaniker, welche durch
rasche Erhebung von Varietäten zu Species bewiesen, daſs alle Peruani-
schen Cinchonen von denen um S. Fe wachsenden specifisch verschieden
wären. Physiker zogen, gleich den Päbsten, Demarcationslinien auf der
Karte. Sie behaupteten, daſs über einen gewissen Breitegrad hinaus in
der nördlichen Hemisphäre keine wirksame China wachsen könne. Da
indeſs das Verkehr mit der Fieberrinde von Huamalies und Huanuco,
welche Ortega, Ruiz, Pavon und Tafalla anrühmten, bald in die Hände
derer fiel, welche den Südseehandel mit der alten China von Loxa ge-
trieben hatten, so gewannen natürlich die neuen peruanischen Fieberrin-
den leichter Eingang in Spanien, als die von Santa Fe. Die letztern
dagegen, welche die Engländer und Nordamerikaner sich leicht in Car-
thagena
als einem dem Schleichhandel zugänglicheren Hafen verschaffen
konnten, erhielt vorzüglichen Ruf in London, Deutschland und Italien.
Die Wirkung kaufmännischer Ränke ging so weit, daſs in Cadiz auf kö-
niglichen Befehl eine Menge der vortreflichsten pommeranzenfarbenen
China von Neu-Grenada, welche Mutis auf königliche Kosten hatte schä-
len lassen, als ein völlig unwirksames Heilmittel verbrannt wurde, wäh-
rend man in allen spanischen Feldhospitälern an diesem köstlichen Er-
zeugnisse von Südamerika den gröſsten Mangel litt. Ein Theil der zur
Vernichtung verurtheilten China wurde von englischen Kaufleuten in Cadiz
heimlich gekauft und in London zu hohen Preisen versteigert. Seitdem
Herr Zea, der jetzige Aufseher des botanischen Gartens zu Madrid, in
den Annales de Cuencias naturales gegen die Herausgeber der Flora
Peruviana
behauptet hat, daſs ihre peruanischen Chinaarten mit den
Mutisischen identisch sind, daſs sie aber eine Species unter zwei bis
drei Namen beschrieben haben, ist der Streit über die Güte der Fieber-
rinde von Santa Fe aufs neue lebhaft rege geworden. Das Supplement
der Quinologia von Ruiz und Pavon ist mit einer Bitterkeit geschrieben,
welche dem ruhigen Gange wissenschaftlicher Untersuchungen stets fremd
bleiben sollte.

Ehe wir von der Geschichte der Entdeckung der Cinchona zu ihrer
geographischen Verbreitung und ihren übrigen physikalischen Verhält-
nissen übergehen, müssen wir einen Blick auf die specifiken Unterschiede
der verschiedenen Arten werfen. Eine eigentliche vollständige botanische
Auseinandersetzung ist gegen den Zweck dieser Abhandlung. Wir wer-
den dieselbe, Herr Bonpland und ich, bei einer andern Gelegenheit ver-
suchen, nemlich in der Beschreibung der von uns, auf unserer Expedition
entdeckten, von unserm vortrefflichen Freunde Willdenow bereits zum

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[67/0012] in Südamerika. urtheile in Beurtheilung der Cinchona. Gewisse Handlungshäuser in Spa- nien, welche seit einem halben Jahrhundert im Besitze des Alleinhandels der China von Loxa waren, suchten die von Neu-Grenada und dem südlichen Peru zu verrufen. Sie fanden gefällige Botaniker, welche durch rasche Erhebung von Varietäten zu Species bewiesen, daſs alle Peruani- schen Cinchonen von denen um S. Fe wachsenden specifisch verschieden wären. Physiker zogen, gleich den Päbsten, Demarcationslinien auf der Karte. Sie behaupteten, daſs über einen gewissen Breitegrad hinaus in der nördlichen Hemisphäre keine wirksame China wachsen könne. Da indeſs das Verkehr mit der Fieberrinde von Huamalies und Huanuco, welche Ortega, Ruiz, Pavon und Tafalla anrühmten, bald in die Hände derer fiel, welche den Südseehandel mit der alten China von Loxa ge- trieben hatten, so gewannen natürlich die neuen peruanischen Fieberrin- den leichter Eingang in Spanien, als die von Santa Fe. Die letztern dagegen, welche die Engländer und Nordamerikaner sich leicht in Car- thagena als einem dem Schleichhandel zugänglicheren Hafen verschaffen konnten, erhielt vorzüglichen Ruf in London, Deutschland und Italien. Die Wirkung kaufmännischer Ränke ging so weit, daſs in Cadiz auf kö- niglichen Befehl eine Menge der vortreflichsten pommeranzenfarbenen China von Neu-Grenada, welche Mutis auf königliche Kosten hatte schä- len lassen, als ein völlig unwirksames Heilmittel verbrannt wurde, wäh- rend man in allen spanischen Feldhospitälern an diesem köstlichen Er- zeugnisse von Südamerika den gröſsten Mangel litt. Ein Theil der zur Vernichtung verurtheilten China wurde von englischen Kaufleuten in Cadiz heimlich gekauft und in London zu hohen Preisen versteigert. Seitdem Herr Zea, der jetzige Aufseher des botanischen Gartens zu Madrid, in den Annales de Cuencias naturales gegen die Herausgeber der Flora Peruviana behauptet hat, daſs ihre peruanischen Chinaarten mit den Mutisischen identisch sind, daſs sie aber eine Species unter zwei bis drei Namen beschrieben haben, ist der Streit über die Güte der Fieber- rinde von Santa Fe aufs neue lebhaft rege geworden. Das Supplement der Quinologia von Ruiz und Pavon ist mit einer Bitterkeit geschrieben, welche dem ruhigen Gange wissenschaftlicher Untersuchungen stets fremd bleiben sollte. Ehe wir von der Geschichte der Entdeckung der Cinchona zu ihrer geographischen Verbreitung und ihren übrigen physikalischen Verhält- nissen übergehen, müssen wir einen Blick auf die specifiken Unterschiede der verschiedenen Arten werfen. Eine eigentliche vollständige botanische Auseinandersetzung ist gegen den Zweck dieser Abhandlung. Wir wer- den dieselbe, Herr Bonpland und ich, bei einer andern Gelegenheit ver- suchen, nemlich in der Beschreibung der von uns, auf unserer Expedition entdeckten, von unserm vortrefflichen Freunde Willdenow bereits zum

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_chinawaelder_1807/12>, abgerufen am 19.04.2024.