Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.hinsichtlich ihrer Rechte durch den Sprachgebrauch bezeichnet. Die Indianer, die vom Mai bis August Fahrten ost- hinſichtlich ihrer Rechte durch den Sprachgebrauch bezeichnet. Die Indianer, die vom Mai bis Auguſt Fahrten oſt- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0086" n="78"/> hinſichtlich ihrer Rechte durch den Sprachgebrauch bezeichnet.<lb/> Der Mann nennt die zweite und dritte Frau <hi rendition="#g">Gefährtinnen</hi><lb/> der erſten; die erſte behandelt die <hi rendition="#g">Gefährtinnen</hi> als Neben-<lb/> buhlerinnen und <hi rendition="#g">Feinde</hi> (<hi rendition="#aq">ipucjatoje</hi>), was allerdings nicht<lb/> ſo höflich iſt, aber wahrer und ausdrucksvoller. Da alle Laſt<lb/> der Arbeit auf den unglücklichen Weibern liegt, ſo iſt es nicht<lb/> zu verwundern, daß bei manchen Nationen ihre Anzahl auf-<lb/> fallend gering iſt. In ſolchem Falle bildet ſich eine Art<lb/> Vielmännerei, wie wir ſie, nur entwickelter, in Tibet und im<lb/> Gebirge am Ende der oſtindiſchen Halbinſel finden. Bei den<lb/> Avanos und Maypures haben oft mehrere Brüder nur eine<lb/> Frau. Wird ein Indianer, der mehrere Weiber hat, Chriſt,<lb/> ſo zwingen ihn die Miſſionäre, eine zu wählen, die er behalten<lb/> will, um die anderen zu verſtoßen. Der Moment der Tren-<lb/> nung iſt nun der kritiſche; der Neubekehrte findet, daß ſeine<lb/> Weiber doch höchſt ſchätzbare Eigenſchaften haben: die eine<lb/> verſteht ſich gut auf die Gärtnerei, die andere weiß <hi rendition="#g">Chiza</hi><lb/> zu bereiten, das berauſchende Getränk aus der Maniokwurzel;<lb/> eine erſcheint ihm ſo unentbehrlich wie die andere. Zuweilen<lb/> ſiegt beim Indianer das Verlangen, ſeine Weiber zu behalten,<lb/> über die Neigung zum Chriſtentum; meiſt aber läßt der<lb/> Mann den Miſſionär wählen, und nimmt dies hin wie einen<lb/> Spruch des Schickſals.</p><lb/> <p>Die Indianer, die vom Mai bis Auguſt Fahrten oſt-<lb/> wärts von Esmeralda unternehmen, um in den Bergen von<lb/> Yumariquin Pflanzenprodukte zu ſammeln, konnten uns ge-<lb/> naue Auskunft über den Lauf des Orinoko im Oſten der<lb/> Miſſion geben. Dieſer Teil meiner Reiſekarte weicht von<lb/> den früheren völlig ab. Ich beginne die Beſchreibung dieſer<lb/> Länder mit dem Granitſtock des Duida, an deſſen Fuße wir<lb/> weilten. Derſelbe wird im Weſten vom Rio Tamatama, im<lb/> Oſten vom Rio Guapo begrenzt. Zwiſchen dieſen beiden<lb/> Nebenflüſſen des Orinoko, durch die <hi rendition="#g">Morichales</hi> oder die<lb/> Gebüſche von Mauritiapalmen, die Esmeralda umgeben, kommt<lb/> der Rio Sodomoni herab, vielberufen wegen der vortrefflichen<lb/> Ananas, die an ſeinen Ufern wachſen. Am 22. Mai maß<lb/> ich auf einer Grasflur am Fuß des Duida eine Standlinie<lb/> von 475 <hi rendition="#aq">m;</hi> der Winkel, unter dem die Spitze des Berges<lb/> in 13 827 <hi rendition="#aq">m</hi> Entfernung erſcheint, beträgt noch 9°. Nach<lb/> meiner genauen trigonometriſchen Meſſung iſt der Duida<lb/> (das heißt der höchſte Gipfel ſüdweſtlich vom Cerro Mara-<lb/> guaca) 2179 <hi rendition="#aq">m</hi> über der Ebene von Esmeralda hoch, alſo<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0086]
hinſichtlich ihrer Rechte durch den Sprachgebrauch bezeichnet.
Der Mann nennt die zweite und dritte Frau Gefährtinnen
der erſten; die erſte behandelt die Gefährtinnen als Neben-
buhlerinnen und Feinde (ipucjatoje), was allerdings nicht
ſo höflich iſt, aber wahrer und ausdrucksvoller. Da alle Laſt
der Arbeit auf den unglücklichen Weibern liegt, ſo iſt es nicht
zu verwundern, daß bei manchen Nationen ihre Anzahl auf-
fallend gering iſt. In ſolchem Falle bildet ſich eine Art
Vielmännerei, wie wir ſie, nur entwickelter, in Tibet und im
Gebirge am Ende der oſtindiſchen Halbinſel finden. Bei den
Avanos und Maypures haben oft mehrere Brüder nur eine
Frau. Wird ein Indianer, der mehrere Weiber hat, Chriſt,
ſo zwingen ihn die Miſſionäre, eine zu wählen, die er behalten
will, um die anderen zu verſtoßen. Der Moment der Tren-
nung iſt nun der kritiſche; der Neubekehrte findet, daß ſeine
Weiber doch höchſt ſchätzbare Eigenſchaften haben: die eine
verſteht ſich gut auf die Gärtnerei, die andere weiß Chiza
zu bereiten, das berauſchende Getränk aus der Maniokwurzel;
eine erſcheint ihm ſo unentbehrlich wie die andere. Zuweilen
ſiegt beim Indianer das Verlangen, ſeine Weiber zu behalten,
über die Neigung zum Chriſtentum; meiſt aber läßt der
Mann den Miſſionär wählen, und nimmt dies hin wie einen
Spruch des Schickſals.
Die Indianer, die vom Mai bis Auguſt Fahrten oſt-
wärts von Esmeralda unternehmen, um in den Bergen von
Yumariquin Pflanzenprodukte zu ſammeln, konnten uns ge-
naue Auskunft über den Lauf des Orinoko im Oſten der
Miſſion geben. Dieſer Teil meiner Reiſekarte weicht von
den früheren völlig ab. Ich beginne die Beſchreibung dieſer
Länder mit dem Granitſtock des Duida, an deſſen Fuße wir
weilten. Derſelbe wird im Weſten vom Rio Tamatama, im
Oſten vom Rio Guapo begrenzt. Zwiſchen dieſen beiden
Nebenflüſſen des Orinoko, durch die Morichales oder die
Gebüſche von Mauritiapalmen, die Esmeralda umgeben, kommt
der Rio Sodomoni herab, vielberufen wegen der vortrefflichen
Ananas, die an ſeinen Ufern wachſen. Am 22. Mai maß
ich auf einer Grasflur am Fuß des Duida eine Standlinie
von 475 m; der Winkel, unter dem die Spitze des Berges
in 13 827 m Entfernung erſcheint, beträgt noch 9°. Nach
meiner genauen trigonometriſchen Meſſung iſt der Duida
(das heißt der höchſte Gipfel ſüdweſtlich vom Cerro Mara-
guaca) 2179 m über der Ebene von Esmeralda hoch, alſo
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