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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Karibische, am Einfluß des Apure das Otomakische, bei den
großen Katarakten das Tamanakische und Maypurische und
am Rio Negro das Maravitanische. Es sind dies die fünf
oder sechs verbreitetsten Sprachen. Wir wunderten uns, in
Esmeralda viele Zambos, Mulatten und andere Farbige an-
zutreffen, die sich aus Eitelkeit Spanier nennen und sich
für weiß halten, weil sie nicht rot sind wie die Indianer.
Diese Menschen führen ein jämmerliches Leben. Sie sind
meist als Verwiesene (desterrados) hier. Um im inneren
Lande, das man gegen die Portugiesen absperren wollte, in
Eile Kolonieen zu gründen, hatte Solano in den Llanos und
bis zur Insel Margarita hin Landstreicher und Uebelthäter,
denen die Justiz bis dahin vergeblich nachgespürt, zusammen-
gerafft und sie den Orinoko hinaufgeführt, wo sie mit den
unglücklichen, aus den Wäldern weggeschleppten Indianern
zusammengethan wurden. Durch ein mineralogisches Miß-
verständnis wurde Esmeralda berühmt. Der Granit des
Duida und des Maraguaca enthält in offenen Gängen schöne
Bergkristalle, die zum Teil sehr durchsichtig, zum Teil mit
Chlorit (Talkglimmer) gefärbt und mit Aktinot (Strahlstein)
gemengt sind; man hatte sie für Diamanten und Smaragden
(Esmeralda) gehalten. So nahe den Quellen des Orinoko
träumte man in diesen Bergen von nichts als vom Dorado,
der nicht weit sein konnte, vom See Parime und von den
Trümmern der großen Stadt Manoa. Ein Mann, der wegen
seiner Leichtgläubigkeit und wegen seiner Sucht zur Ueber-
treibung noch jetzt im Lande wohlbekannt ist, Don Apolli-
nario Diez de la Fuente, nahm den vollklingenden Titel
eines Capitan poblador und Cabo militar des Forts am
Cassiquiare an. Dieses Fort bestand in ein paar mit Bret-
tern verbundenen Baumstämmen, und um die Täuschung voll-
ständig zu machen, sprach man in Madrid für die Mission
Esmeralda, ein Dörfchen von zwölf bis fünfzehn Hütten, die
Gerechtsame einer Villa an. Es ist zu besorgen, daß Don
Apollinario, der in der Folge Statthalter der Provinz Los
Quixos im Königreich Quito wurde, bei Entwerfung der
Karten von La Cruz und Surville die Hand im Spiele ge-
habt hat. Da er die Windstriche des Kompasses kannte,
nahm er keinen Anstand, in den zahlreichen Denkschriften, die
er dem Hof übermachte, sich Kosmograph der Grenzexpedition
zu nennen.

Während die Befehlshaber dieser Expedition von der

Karibiſche, am Einfluß des Apure das Otomakiſche, bei den
großen Katarakten das Tamanakiſche und Maypuriſche und
am Rio Negro das Maravitaniſche. Es ſind dies die fünf
oder ſechs verbreitetſten Sprachen. Wir wunderten uns, in
Esmeralda viele Zambos, Mulatten und andere Farbige an-
zutreffen, die ſich aus Eitelkeit Spanier nennen und ſich
für weiß halten, weil ſie nicht rot ſind wie die Indianer.
Dieſe Menſchen führen ein jämmerliches Leben. Sie ſind
meiſt als Verwieſene (desterrados) hier. Um im inneren
Lande, das man gegen die Portugieſen abſperren wollte, in
Eile Kolonieen zu gründen, hatte Solano in den Llanos und
bis zur Inſel Margarita hin Landſtreicher und Uebelthäter,
denen die Juſtiz bis dahin vergeblich nachgeſpürt, zuſammen-
gerafft und ſie den Orinoko hinaufgeführt, wo ſie mit den
unglücklichen, aus den Wäldern weggeſchleppten Indianern
zuſammengethan wurden. Durch ein mineralogiſches Miß-
verſtändnis wurde Esmeralda berühmt. Der Granit des
Duida und des Maraguaca enthält in offenen Gängen ſchöne
Bergkriſtalle, die zum Teil ſehr durchſichtig, zum Teil mit
Chlorit (Talkglimmer) gefärbt und mit Aktinot (Strahlſtein)
gemengt ſind; man hatte ſie für Diamanten und Smaragden
(Esmeralda) gehalten. So nahe den Quellen des Orinoko
träumte man in dieſen Bergen von nichts als vom Dorado,
der nicht weit ſein konnte, vom See Parime und von den
Trümmern der großen Stadt Manoa. Ein Mann, der wegen
ſeiner Leichtgläubigkeit und wegen ſeiner Sucht zur Ueber-
treibung noch jetzt im Lande wohlbekannt iſt, Don Apolli-
nario Diez de la Fuente, nahm den vollklingenden Titel
eines Capitan poblador und Cabo militar des Forts am
Caſſiquiare an. Dieſes Fort beſtand in ein paar mit Bret-
tern verbundenen Baumſtämmen, und um die Täuſchung voll-
ſtändig zu machen, ſprach man in Madrid für die Miſſion
Esmeralda, ein Dörfchen von zwölf bis fünfzehn Hütten, die
Gerechtſame einer Villa an. Es iſt zu beſorgen, daß Don
Apollinario, der in der Folge Statthalter der Provinz Los
Quixos im Königreich Quito wurde, bei Entwerfung der
Karten von La Cruz und Surville die Hand im Spiele ge-
habt hat. Da er die Windſtriche des Kompaſſes kannte,
nahm er keinen Anſtand, in den zahlreichen Denkſchriften, die
er dem Hof übermachte, ſich Kosmograph der Grenzexpedition
zu nennen.

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[56/0064] Karibiſche, am Einfluß des Apure das Otomakiſche, bei den großen Katarakten das Tamanakiſche und Maypuriſche und am Rio Negro das Maravitaniſche. Es ſind dies die fünf oder ſechs verbreitetſten Sprachen. Wir wunderten uns, in Esmeralda viele Zambos, Mulatten und andere Farbige an- zutreffen, die ſich aus Eitelkeit Spanier nennen und ſich für weiß halten, weil ſie nicht rot ſind wie die Indianer. Dieſe Menſchen führen ein jämmerliches Leben. Sie ſind meiſt als Verwieſene (desterrados) hier. Um im inneren Lande, das man gegen die Portugieſen abſperren wollte, in Eile Kolonieen zu gründen, hatte Solano in den Llanos und bis zur Inſel Margarita hin Landſtreicher und Uebelthäter, denen die Juſtiz bis dahin vergeblich nachgeſpürt, zuſammen- gerafft und ſie den Orinoko hinaufgeführt, wo ſie mit den unglücklichen, aus den Wäldern weggeſchleppten Indianern zuſammengethan wurden. Durch ein mineralogiſches Miß- verſtändnis wurde Esmeralda berühmt. Der Granit des Duida und des Maraguaca enthält in offenen Gängen ſchöne Bergkriſtalle, die zum Teil ſehr durchſichtig, zum Teil mit Chlorit (Talkglimmer) gefärbt und mit Aktinot (Strahlſtein) gemengt ſind; man hatte ſie für Diamanten und Smaragden (Esmeralda) gehalten. So nahe den Quellen des Orinoko träumte man in dieſen Bergen von nichts als vom Dorado, der nicht weit ſein konnte, vom See Parime und von den Trümmern der großen Stadt Manoa. Ein Mann, der wegen ſeiner Leichtgläubigkeit und wegen ſeiner Sucht zur Ueber- treibung noch jetzt im Lande wohlbekannt iſt, Don Apolli- nario Diez de la Fuente, nahm den vollklingenden Titel eines Capitan poblador und Cabo militar des Forts am Caſſiquiare an. Dieſes Fort beſtand in ein paar mit Bret- tern verbundenen Baumſtämmen, und um die Täuſchung voll- ſtändig zu machen, ſprach man in Madrid für die Miſſion Esmeralda, ein Dörfchen von zwölf bis fünfzehn Hütten, die Gerechtſame einer Villa an. Es iſt zu beſorgen, daß Don Apollinario, der in der Folge Statthalter der Provinz Los Quixos im Königreich Quito wurde, bei Entwerfung der Karten von La Cruz und Surville die Hand im Spiele ge- habt hat. Da er die Windſtriche des Kompaſſes kannte, nahm er keinen Anſtand, in den zahlreichen Denkſchriften, die er dem Hof übermachte, ſich Kosmograph der Grenzexpedition zu nennen. Während die Befehlshaber dieſer Expedition von der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/64>, abgerufen am 22.11.2024.