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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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und Mariva zu besuchen. Seit 1767 kamen regelmäßig jedes
Jahr zwei bis drei Pirogen von der Schanze San Carlos
über die Gabelteilung des Orinoko nach Angostura, um Salz
und den Sold für die Truppen zu holen. Diese Fahrten
von einem Flußbecken in das andere durch den natürlichen
Kanal des Cassiquiare machen jetzt bei den Kolonisten so wenig
Aufsehen mehr, als wenn Schiffe die Loire herab auf dem
Kanal von Orleans in die Seine kommen.

Seit Pater Romans Fahrt im Jahre 1744 war man
in den spanischen Besitzungen in Amerika von der Richtung
des oberen Orinoko von Ost nach West und von der Art seiner
Verbindung mit dem Rio Negro genau unterrichtet, aber in
Europa wurde letztere erst weit später bekannt. Noch im
Jahre 1750 nahmen La Condamine und d'Anville an, der
Orinoko sei ein Arm des Caqueta, der von Südost herkomme,
und der Rio Negro entspringe unmittelbar daraus. Erst in
einer zweiten Ausgabe seines Südamerika läßt d'Anville, ohne
gleichwohl eine Verzweigung des Caqueta vermittelst des
Iniricha (Inirida) mit dem Orinoko und dem Rio Negro
aufzugeben, den Orinoko im Osten in der Nähe der Quellen
des Rio Branco entspringen und gibt er den Rio Cassiquiare
an, der vom oberen Orinoko zum Rio Negro läuft. Wahr-
scheinlich hatte sich der unermüdliche Forscher durch seinen
starken Verkehr mit den Missionären, die damals, wie noch
jetzt, für das eigentliche Herz der Festländer die einzigen geo-
graphischen Autoritäten waren, Nachweisungen über die Art
der Gabelteilung verschafft. Hinsichtlich des Zusammenflusses
des Cassiquiare mit dem Rio Negro irrte er sich um 31/2 Breiten-
grade, aber die Lage des Atabapo und der bewaldeten Land-
enge, über die ich von Javita an den Rio Negro gekommen,
gibt er schon ziemlich richtig an. Durch die in den Jahren
1775 und 1778 veröffentlichten Karten von La Cruz Olme-
dilla 1 und Surville sind, neben Pater Caulins Werke, die

Ströme Südamerikas dergestalt, daß er überzeugt war, er könnte
aus dem Rio Negro und dem Amazonenstrome in den Rio de la
Plata fahren.
1 Die Karte von La Cruz liegt allen neuen Karten von
Amerika zu Grunde. (Mapa geografica de America meridional
por D. Juan de la Cruz Cano y Olmedilla 1775.)
Die Original-
ausgabe, die ich besitze, ist desto seltener, als, wie man allgemein
glaubt, die Kupferplatten auf Befehl eines Kolonialministers zer-
A. v. Humboldt, Reise. IV. 4

und Mariva zu beſuchen. Seit 1767 kamen regelmäßig jedes
Jahr zwei bis drei Pirogen von der Schanze San Carlos
über die Gabelteilung des Orinoko nach Angoſtura, um Salz
und den Sold für die Truppen zu holen. Dieſe Fahrten
von einem Flußbecken in das andere durch den natürlichen
Kanal des Caſſiquiare machen jetzt bei den Koloniſten ſo wenig
Aufſehen mehr, als wenn Schiffe die Loire herab auf dem
Kanal von Orleans in die Seine kommen.

Seit Pater Romans Fahrt im Jahre 1744 war man
in den ſpaniſchen Beſitzungen in Amerika von der Richtung
des oberen Orinoko von Oſt nach Weſt und von der Art ſeiner
Verbindung mit dem Rio Negro genau unterrichtet, aber in
Europa wurde letztere erſt weit ſpäter bekannt. Noch im
Jahre 1750 nahmen La Condamine und d’Anville an, der
Orinoko ſei ein Arm des Caqueta, der von Südoſt herkomme,
und der Rio Negro entſpringe unmittelbar daraus. Erſt in
einer zweiten Ausgabe ſeines Südamerika läßt d’Anville, ohne
gleichwohl eine Verzweigung des Caqueta vermittelſt des
Iniricha (Inirida) mit dem Orinoko und dem Rio Negro
aufzugeben, den Orinoko im Oſten in der Nähe der Quellen
des Rio Branco entſpringen und gibt er den Rio Caſſiquiare
an, der vom oberen Orinoko zum Rio Negro läuft. Wahr-
ſcheinlich hatte ſich der unermüdliche Forſcher durch ſeinen
ſtarken Verkehr mit den Miſſionären, die damals, wie noch
jetzt, für das eigentliche Herz der Feſtländer die einzigen geo-
graphiſchen Autoritäten waren, Nachweiſungen über die Art
der Gabelteilung verſchafft. Hinſichtlich des Zuſammenfluſſes
des Caſſiquiare mit dem Rio Negro irrte er ſich um 3½ Breiten-
grade, aber die Lage des Atabapo und der bewaldeten Land-
enge, über die ich von Javita an den Rio Negro gekommen,
gibt er ſchon ziemlich richtig an. Durch die in den Jahren
1775 und 1778 veröffentlichten Karten von La Cruz Olme-
dilla 1 und Surville ſind, neben Pater Caulins Werke, die

Ströme Südamerikas dergeſtalt, daß er überzeugt war, er könnte
aus dem Rio Negro und dem Amazonenſtrome in den Rio de la
Plata fahren.
1 Die Karte von La Cruz liegt allen neuen Karten von
Amerika zu Grunde. (Mapa geografica de America meridional
por D. Juan de la Cruz Cano y Olmedilla 1775.)
Die Original-
ausgabe, die ich beſitze, iſt deſto ſeltener, als, wie man allgemein
glaubt, die Kupferplatten auf Befehl eines Kolonialminiſters zer-
A. v. Humboldt, Reiſe. IV. 4
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[49/0057] und Mariva zu beſuchen. Seit 1767 kamen regelmäßig jedes Jahr zwei bis drei Pirogen von der Schanze San Carlos über die Gabelteilung des Orinoko nach Angoſtura, um Salz und den Sold für die Truppen zu holen. Dieſe Fahrten von einem Flußbecken in das andere durch den natürlichen Kanal des Caſſiquiare machen jetzt bei den Koloniſten ſo wenig Aufſehen mehr, als wenn Schiffe die Loire herab auf dem Kanal von Orleans in die Seine kommen. Seit Pater Romans Fahrt im Jahre 1744 war man in den ſpaniſchen Beſitzungen in Amerika von der Richtung des oberen Orinoko von Oſt nach Weſt und von der Art ſeiner Verbindung mit dem Rio Negro genau unterrichtet, aber in Europa wurde letztere erſt weit ſpäter bekannt. Noch im Jahre 1750 nahmen La Condamine und d’Anville an, der Orinoko ſei ein Arm des Caqueta, der von Südoſt herkomme, und der Rio Negro entſpringe unmittelbar daraus. Erſt in einer zweiten Ausgabe ſeines Südamerika läßt d’Anville, ohne gleichwohl eine Verzweigung des Caqueta vermittelſt des Iniricha (Inirida) mit dem Orinoko und dem Rio Negro aufzugeben, den Orinoko im Oſten in der Nähe der Quellen des Rio Branco entſpringen und gibt er den Rio Caſſiquiare an, der vom oberen Orinoko zum Rio Negro läuft. Wahr- ſcheinlich hatte ſich der unermüdliche Forſcher durch ſeinen ſtarken Verkehr mit den Miſſionären, die damals, wie noch jetzt, für das eigentliche Herz der Feſtländer die einzigen geo- graphiſchen Autoritäten waren, Nachweiſungen über die Art der Gabelteilung verſchafft. Hinſichtlich des Zuſammenfluſſes des Caſſiquiare mit dem Rio Negro irrte er ſich um 3½ Breiten- grade, aber die Lage des Atabapo und der bewaldeten Land- enge, über die ich von Javita an den Rio Negro gekommen, gibt er ſchon ziemlich richtig an. Durch die in den Jahren 1775 und 1778 veröffentlichten Karten von La Cruz Olme- dilla 1 und Surville ſind, neben Pater Caulins Werke, die 2 1 Die Karte von La Cruz liegt allen neuen Karten von Amerika zu Grunde. (Mapa geografica de America meridional por D. Juan de la Cruz Cano y Olmedilla 1775.) Die Original- ausgabe, die ich beſitze, iſt deſto ſeltener, als, wie man allgemein glaubt, die Kupferplatten auf Befehl eines Kolonialminiſters zer- 2 Ströme Südamerikas dergeſtalt, daß er überzeugt war, er könnte aus dem Rio Negro und dem Amazonenſtrome in den Rio de la Plata fahren. A. v. Humboldt, Reiſe. IV. 4

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/57>, abgerufen am 25.11.2024.