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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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geteilt ist. Die erste derselben, die Anglo-Amerikaner, ist zu-
gleich nach dem englischen Volk in Europa diejenige, welche
ihre Flagge über die weitesten Meeresstrecken trägt. Ohne
entlegene Kolonieen hat sich ihr Handel zu einer Höhe aufge-
schwungen, zu der niemals ein Volk der Alten Welt gelangt
ist, mit Ausnahme desjenigen, das seine Sprache, den Glanz
seiner Litteratur, seine Arbeitslust, seinen Hang zur Freiheit
und einen Teil seiner bürgerlichen Einrichtungen nach Nord-
amerika hinübergetragen hat.

Die englischen und portugiesischen Ansiedler haben nur
die Europa gegenüberliegenden Küsten bevölkert; die Kastilianer
dagegen sind gleich zu Anfang der Eroberung über die Kette
der Anden gedrungen und haben selbst in den am weitesten
nach West gelegenen Landstrichen Niederlassungen gegründet.
Nur dort, in Mexiko, Cundinamarca, Quito und Peru, fan-
den sie Spuren einer alten Kultur, ackerbauende Völker,
blühende Reiche. Durch diesen Umstand, durch die rasche Zu-
nahme einer eingeborenen Gebirgsbevölkerung, durch den fast
ausschließlichen Besitz großer Metallschätze, und durch die
Handelsverbindungen mit dem Indischen Archipel, die gleich
mit dem Anfang des 16. Jahrhunderts in Gang kamen, er-
hielten die spanischen Besitzungen in Amerika ein ganz eigenes
Gepräge. In den östlichen, von den englischen und portu-
giesischen Ansiedlern in Besitz genommenen Landstrichen waren
die Eingeborenen umherziehende Jägervölker. Statt wie auf
der Hochebene von Anahuac, in Guatemala und im oberen
Peru, einen Bestandteil der arbeitsamen, ackerbauenden Be-
völkerung zu bilden, zogen sie sich vor den vorrückenden
Weißen größtenteils zurück. Man brauchte Arbeiterhände, man
baute vorzugsweise Zuckerrohr, Indigo und Baumwolle, und
dies, mit der Habsucht, welche so oft die Begleiterin des Ge-
werbefleißes ist und sein Schandfleck, führte den schändlichen
Negerhandel herbei, der in seinen Folgen für beide Welten
gleich verderblich geworden ist. Zum Glück ist auf dem Fest-
lande von Spanisch-Amerika die Zahl der afrikanischen Sklaven
so unbedeutend, daß sie sich zur Sklavenbevölkerung in Bra-
silien und in den südlichen Teilen der Vereinigten Staaten
wie 1 zu 5 verhält. Die gesamten spanischen Kolonieen,
mit Einschluß der Inseln Cuba und Portorico, haben auf
einem Areal, das mindestens um ein Fünftel größer ist als
Europa, nicht so viel Neger als der Staat Virginien allein.
Mit den vereinigten Ländern Neuspanien und Guatemala

geteilt iſt. Die erſte derſelben, die Anglo-Amerikaner, iſt zu-
gleich nach dem engliſchen Volk in Europa diejenige, welche
ihre Flagge über die weiteſten Meeresſtrecken trägt. Ohne
entlegene Kolonieen hat ſich ihr Handel zu einer Höhe aufge-
ſchwungen, zu der niemals ein Volk der Alten Welt gelangt
iſt, mit Ausnahme desjenigen, das ſeine Sprache, den Glanz
ſeiner Litteratur, ſeine Arbeitsluſt, ſeinen Hang zur Freiheit
und einen Teil ſeiner bürgerlichen Einrichtungen nach Nord-
amerika hinübergetragen hat.

Die engliſchen und portugieſiſchen Anſiedler haben nur
die Europa gegenüberliegenden Küſten bevölkert; die Kaſtilianer
dagegen ſind gleich zu Anfang der Eroberung über die Kette
der Anden gedrungen und haben ſelbſt in den am weiteſten
nach Weſt gelegenen Landſtrichen Niederlaſſungen gegründet.
Nur dort, in Mexiko, Cundinamarca, Quito und Peru, fan-
den ſie Spuren einer alten Kultur, ackerbauende Völker,
blühende Reiche. Durch dieſen Umſtand, durch die raſche Zu-
nahme einer eingeborenen Gebirgsbevölkerung, durch den faſt
ausſchließlichen Beſitz großer Metallſchätze, und durch die
Handelsverbindungen mit dem Indiſchen Archipel, die gleich
mit dem Anfang des 16. Jahrhunderts in Gang kamen, er-
hielten die ſpaniſchen Beſitzungen in Amerika ein ganz eigenes
Gepräge. In den öſtlichen, von den engliſchen und portu-
gieſiſchen Anſiedlern in Beſitz genommenen Landſtrichen waren
die Eingeborenen umherziehende Jägervölker. Statt wie auf
der Hochebene von Anahuac, in Guatemala und im oberen
Peru, einen Beſtandteil der arbeitſamen, ackerbauenden Be-
völkerung zu bilden, zogen ſie ſich vor den vorrückenden
Weißen größtenteils zurück. Man brauchte Arbeiterhände, man
baute vorzugsweiſe Zuckerrohr, Indigo und Baumwolle, und
dies, mit der Habſucht, welche ſo oft die Begleiterin des Ge-
werbefleißes iſt und ſein Schandfleck, führte den ſchändlichen
Negerhandel herbei, der in ſeinen Folgen für beide Welten
gleich verderblich geworden iſt. Zum Glück iſt auf dem Feſt-
lande von Spaniſch-Amerika die Zahl der afrikaniſchen Sklaven
ſo unbedeutend, daß ſie ſich zur Sklavenbevölkerung in Bra-
ſilien und in den ſüdlichen Teilen der Vereinigten Staaten
wie 1 zu 5 verhält. Die geſamten ſpaniſchen Kolonieen,
mit Einſchluß der Inſeln Cuba und Portorico, haben auf
einem Areal, das mindeſtens um ein Fünftel größer iſt als
Europa, nicht ſo viel Neger als der Staat Virginien allein.
Mit den vereinigten Ländern Neuſpanien und Guatemala

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[288/0296] geteilt iſt. Die erſte derſelben, die Anglo-Amerikaner, iſt zu- gleich nach dem engliſchen Volk in Europa diejenige, welche ihre Flagge über die weiteſten Meeresſtrecken trägt. Ohne entlegene Kolonieen hat ſich ihr Handel zu einer Höhe aufge- ſchwungen, zu der niemals ein Volk der Alten Welt gelangt iſt, mit Ausnahme desjenigen, das ſeine Sprache, den Glanz ſeiner Litteratur, ſeine Arbeitsluſt, ſeinen Hang zur Freiheit und einen Teil ſeiner bürgerlichen Einrichtungen nach Nord- amerika hinübergetragen hat. Die engliſchen und portugieſiſchen Anſiedler haben nur die Europa gegenüberliegenden Küſten bevölkert; die Kaſtilianer dagegen ſind gleich zu Anfang der Eroberung über die Kette der Anden gedrungen und haben ſelbſt in den am weiteſten nach Weſt gelegenen Landſtrichen Niederlaſſungen gegründet. Nur dort, in Mexiko, Cundinamarca, Quito und Peru, fan- den ſie Spuren einer alten Kultur, ackerbauende Völker, blühende Reiche. Durch dieſen Umſtand, durch die raſche Zu- nahme einer eingeborenen Gebirgsbevölkerung, durch den faſt ausſchließlichen Beſitz großer Metallſchätze, und durch die Handelsverbindungen mit dem Indiſchen Archipel, die gleich mit dem Anfang des 16. Jahrhunderts in Gang kamen, er- hielten die ſpaniſchen Beſitzungen in Amerika ein ganz eigenes Gepräge. In den öſtlichen, von den engliſchen und portu- gieſiſchen Anſiedlern in Beſitz genommenen Landſtrichen waren die Eingeborenen umherziehende Jägervölker. Statt wie auf der Hochebene von Anahuac, in Guatemala und im oberen Peru, einen Beſtandteil der arbeitſamen, ackerbauenden Be- völkerung zu bilden, zogen ſie ſich vor den vorrückenden Weißen größtenteils zurück. Man brauchte Arbeiterhände, man baute vorzugsweiſe Zuckerrohr, Indigo und Baumwolle, und dies, mit der Habſucht, welche ſo oft die Begleiterin des Ge- werbefleißes iſt und ſein Schandfleck, führte den ſchändlichen Negerhandel herbei, der in ſeinen Folgen für beide Welten gleich verderblich geworden iſt. Zum Glück iſt auf dem Feſt- lande von Spaniſch-Amerika die Zahl der afrikaniſchen Sklaven ſo unbedeutend, daß ſie ſich zur Sklavenbevölkerung in Bra- ſilien und in den ſüdlichen Teilen der Vereinigten Staaten wie 1 zu 5 verhält. Die geſamten ſpaniſchen Kolonieen, mit Einſchluß der Inſeln Cuba und Portorico, haben auf einem Areal, das mindeſtens um ein Fünftel größer iſt als Europa, nicht ſo viel Neger als der Staat Virginien allein. Mit den vereinigten Ländern Neuſpanien und Guatemala

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/296>, abgerufen am 25.11.2024.