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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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aufgelagerte Uebergangsbildung ist, oder ob er nur dadurch
entsteht, daß die Glimmerschieferschichten nach Zusammen-
setzung und Textur eine Veränderung erlitten haben? Ich
halte letztere Annahme für die wahrscheinlichere; denn der
Uebergang ist allmählich und Thonschiefer und Glimmerschiefer
scheinen mir hier einer und derselben Formation anzugehören.
Das Vorkommen von Cyanit, Titanerz und Granaten, und
daß kein lydischer Stein, daß nirgends ein Trümmergestein
zu finden ist, scheinen die Formation, die wir hier beschreiben,
dem Urgebirge zuzuweisen.

Als sich im Jahre 1783 bei einem Erdbeben in Aroyo
del Robalo eine große Felsmasse abgelöst hatte, lasen die
Guaykeri in Los Serritos 13 bis 15 cm starke, ungemein
durchsichtige und reine Alaunstücke auf. Zu meiner Zeit ver-
kaufte man in Cumana an Färber und Gerber das Pfund zu
zwei Realen (ein Viertel eines harten Piasters), während der
spanische Alaun zwölf Realen kostete. Dieser Preisunterschied
rührte weit mehr von Vorurteilen und von Hemmungen im
Handel her, als davon, daß der einheimische Alaun, der vor der
Anwendung durchaus nicht gereinigt wird, von geringerer
Güte wäre. Derselbe kommt auch in der Glimmer- und Thon-
schieferkette an der Nordwestküste von Trinidad vor, ferner
auf Margarita und beim Kap Chuparuparu nördlich vom
Cerro del Destiladero. Die Indianer lieben von Natur das
Geheimnis, und so verheimlichen sie auch gern die Orte, wo
sie den natürlichen Alaun graben; das Mineral muß aber
ziemlich reich sein, denn ich habe in ihren Händen ganz
ansehnliche Massen auf einmal gesehen. Es wäre für die
Regierung von Belang, entweder das oben beschriebene Mi-
neral oder die Alaunschiefer, die damit vorkommen, ordent-
lich abbauen zu lassen. Letztere könnte man rösten und sie
zur Auslaugung an der glühenden tropischen Sonne gra-
dieren.

Südamerika erhält gegenwärtig seinen Alaun aus Europa,
wie ihn Europa seinerseits bis zum 15. Jahrhundert von den
asiatischen Völkern erhielt. Vor meiner Reise kannten die
Mineralogen keine anderen Substanzen, aus denen man, ge-
röstet oder nicht, unmittelbar Alaun (schwefelsaures Alaunerde-
kali) gewann, als Gebirgsarten aus der Trachytformation
und kleine Gänge, welche Schichten von Braunkohlen und
bituminösem Holz durchsetzen. Beide Substanzen, so verschie-
denen Ursprungs sie sind, enthalten alle Elemente des Alauns,

aufgelagerte Uebergangsbildung iſt, oder ob er nur dadurch
entſteht, daß die Glimmerſchieferſchichten nach Zuſammen-
ſetzung und Textur eine Veränderung erlitten haben? Ich
halte letztere Annahme für die wahrſcheinlichere; denn der
Uebergang iſt allmählich und Thonſchiefer und Glimmerſchiefer
ſcheinen mir hier einer und derſelben Formation anzugehören.
Das Vorkommen von Cyanit, Titanerz und Granaten, und
daß kein lydiſcher Stein, daß nirgends ein Trümmergeſtein
zu finden iſt, ſcheinen die Formation, die wir hier beſchreiben,
dem Urgebirge zuzuweiſen.

Als ſich im Jahre 1783 bei einem Erdbeben in Aroyo
del Robalo eine große Felsmaſſe abgelöſt hatte, laſen die
Guaykeri in Los Serritos 13 bis 15 cm ſtarke, ungemein
durchſichtige und reine Alaunſtücke auf. Zu meiner Zeit ver-
kaufte man in Cumana an Färber und Gerber das Pfund zu
zwei Realen (ein Viertel eines harten Piaſters), während der
ſpaniſche Alaun zwölf Realen koſtete. Dieſer Preisunterſchied
rührte weit mehr von Vorurteilen und von Hemmungen im
Handel her, als davon, daß der einheimiſche Alaun, der vor der
Anwendung durchaus nicht gereinigt wird, von geringerer
Güte wäre. Derſelbe kommt auch in der Glimmer- und Thon-
ſchieferkette an der Nordweſtküſte von Trinidad vor, ferner
auf Margarita und beim Kap Chuparuparu nördlich vom
Cerro del Deſtiladero. Die Indianer lieben von Natur das
Geheimnis, und ſo verheimlichen ſie auch gern die Orte, wo
ſie den natürlichen Alaun graben; das Mineral muß aber
ziemlich reich ſein, denn ich habe in ihren Händen ganz
anſehnliche Maſſen auf einmal geſehen. Es wäre für die
Regierung von Belang, entweder das oben beſchriebene Mi-
neral oder die Alaunſchiefer, die damit vorkommen, ordent-
lich abbauen zu laſſen. Letztere könnte man röſten und ſie
zur Auslaugung an der glühenden tropiſchen Sonne gra-
dieren.

Südamerika erhält gegenwärtig ſeinen Alaun aus Europa,
wie ihn Europa ſeinerſeits bis zum 15. Jahrhundert von den
aſiatiſchen Völkern erhielt. Vor meiner Reiſe kannten die
Mineralogen keine anderen Subſtanzen, aus denen man, ge-
röſtet oder nicht, unmittelbar Alaun (ſchwefelſaures Alaunerde-
kali) gewann, als Gebirgsarten aus der Trachytformation
und kleine Gänge, welche Schichten von Braunkohlen und
bituminöſem Holz durchſetzen. Beide Subſtanzen, ſo verſchie-
denen Urſprungs ſie ſind, enthalten alle Elemente des Alauns,

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[282/0290] aufgelagerte Uebergangsbildung iſt, oder ob er nur dadurch entſteht, daß die Glimmerſchieferſchichten nach Zuſammen- ſetzung und Textur eine Veränderung erlitten haben? Ich halte letztere Annahme für die wahrſcheinlichere; denn der Uebergang iſt allmählich und Thonſchiefer und Glimmerſchiefer ſcheinen mir hier einer und derſelben Formation anzugehören. Das Vorkommen von Cyanit, Titanerz und Granaten, und daß kein lydiſcher Stein, daß nirgends ein Trümmergeſtein zu finden iſt, ſcheinen die Formation, die wir hier beſchreiben, dem Urgebirge zuzuweiſen. Als ſich im Jahre 1783 bei einem Erdbeben in Aroyo del Robalo eine große Felsmaſſe abgelöſt hatte, laſen die Guaykeri in Los Serritos 13 bis 15 cm ſtarke, ungemein durchſichtige und reine Alaunſtücke auf. Zu meiner Zeit ver- kaufte man in Cumana an Färber und Gerber das Pfund zu zwei Realen (ein Viertel eines harten Piaſters), während der ſpaniſche Alaun zwölf Realen koſtete. Dieſer Preisunterſchied rührte weit mehr von Vorurteilen und von Hemmungen im Handel her, als davon, daß der einheimiſche Alaun, der vor der Anwendung durchaus nicht gereinigt wird, von geringerer Güte wäre. Derſelbe kommt auch in der Glimmer- und Thon- ſchieferkette an der Nordweſtküſte von Trinidad vor, ferner auf Margarita und beim Kap Chuparuparu nördlich vom Cerro del Deſtiladero. Die Indianer lieben von Natur das Geheimnis, und ſo verheimlichen ſie auch gern die Orte, wo ſie den natürlichen Alaun graben; das Mineral muß aber ziemlich reich ſein, denn ich habe in ihren Händen ganz anſehnliche Maſſen auf einmal geſehen. Es wäre für die Regierung von Belang, entweder das oben beſchriebene Mi- neral oder die Alaunſchiefer, die damit vorkommen, ordent- lich abbauen zu laſſen. Letztere könnte man röſten und ſie zur Auslaugung an der glühenden tropiſchen Sonne gra- dieren. Südamerika erhält gegenwärtig ſeinen Alaun aus Europa, wie ihn Europa ſeinerſeits bis zum 15. Jahrhundert von den aſiatiſchen Völkern erhielt. Vor meiner Reiſe kannten die Mineralogen keine anderen Subſtanzen, aus denen man, ge- röſtet oder nicht, unmittelbar Alaun (ſchwefelſaures Alaunerde- kali) gewann, als Gebirgsarten aus der Trachytformation und kleine Gänge, welche Schichten von Braunkohlen und bituminöſem Holz durchſetzen. Beide Subſtanzen, ſo verſchie- denen Urſprungs ſie ſind, enthalten alle Elemente des Alauns,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/290>, abgerufen am 18.05.2024.