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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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besuchten wieder das alte Salzwerk, das durch den Einbruch
des Meeres in einen See verwandelt worden, die schönen
Trümmer des Schlosses Araya und den Kalkberg Barigon,
der, weil er gegen West schroff abfällt, ziemlich schwer zu
besteigen ist. Der Salzthon, vermischt mit Erdpech und linsen-
förmigem Gips, und zuweilen in einen schwarzbraunen, salz-
freien Thon übergehend, ist eine auf dieser Halbinsel, auf der
Insel Margarita und auf dem gegenüberliegenden Festland
beim Schloß San Antonio in Cumana sehr verbreitete For-
mation. Sehr wahrscheinlich hat sie sogar zum Teil die
Spalten und das ganze zerrissene Wesen des Bodens veran-
laßt, das dem Geognosten auffällt, wenn er auf einer der
Anhöhen der Halbinsel Araya steht. Die aus Glimmerschiefer
und Tonschiefer bestehende Kordillere derselben ist gegen Nord
durch den Kanal von Cubagua von der ähnlich gebildeten
Bergkette der Insel Margarita getrennt; gegen Süden liegt der
Meerbusen von Cariaco zwischen der Kordillere und der hohen
Kalkgebirgskette des Festlandes. Der ganze dazwischen liegende
Boden scheint einst mit Salzthon ausgefüllt gewesen zu sein,
und vom Meere beständig angefressen, verschwand ohne Zweifel
die Formation allmählich und aus der Ebene wurden zuerst
Lagunen, dann Buchten und zuletzt schiffbare Kanäle. Der
neueste Vorgang am Schlosse Araya beim Einbruch des Meeres
in das alte Salzwerk, die Form der Lagune Chacopata und
ein 18 km langer See, der die Insel Margarita beinahe in
zwei Stücke teilt, sind offenbare Beweise dieser allmählichen
Abspülungen. Im seltsamen Umriß der Küsten, im Morro
von Chacopata, in den kleinen Inseln Caribes, Lobos und
Tunal, in der großen Insel Coche und dem Vorgebirg Carnero
und dem "der Manglebäume" glaubt man auch die Trümmer
einer Landenge vor sich zu haben, welche einst in der Rich-
tung von Nord nach Süd die Halbinsel Araya und die Insel
Margarita verband. Auf letzterer verbindet nur noch eine
ganz niedrige, 5850 m lange und nicht 390 m breite Land-
zunge gegen Nord die zwei unter dem Namen Vega de San
Juan und Macanao bekannten Berggruppen. Die Laguna
grande auf Margarita hat gegen Süd eine sehr enge Öeff-
nung und kleine Kanoen kommen "arastradas", das heißt
über einen Trageplatz, über die Landzunge oder den Damm
im Norden hinüber. Wenn sich auch heutzutage in diesen
Seestrichen das Wasser vom Festland zurückzuziehen scheint,
so wird doch höchst wahrscheinlich im Laufe der Jahrhunderte

beſuchten wieder das alte Salzwerk, das durch den Einbruch
des Meeres in einen See verwandelt worden, die ſchönen
Trümmer des Schloſſes Araya und den Kalkberg Barigon,
der, weil er gegen Weſt ſchroff abfällt, ziemlich ſchwer zu
beſteigen iſt. Der Salzthon, vermiſcht mit Erdpech und linſen-
förmigem Gips, und zuweilen in einen ſchwarzbraunen, ſalz-
freien Thon übergehend, iſt eine auf dieſer Halbinſel, auf der
Inſel Margarita und auf dem gegenüberliegenden Feſtland
beim Schloß San Antonio in Cumana ſehr verbreitete For-
mation. Sehr wahrſcheinlich hat ſie ſogar zum Teil die
Spalten und das ganze zerriſſene Weſen des Bodens veran-
laßt, das dem Geognoſten auffällt, wenn er auf einer der
Anhöhen der Halbinſel Araya ſteht. Die aus Glimmerſchiefer
und Tonſchiefer beſtehende Kordillere derſelben iſt gegen Nord
durch den Kanal von Cubagua von der ähnlich gebildeten
Bergkette der Inſel Margarita getrennt; gegen Süden liegt der
Meerbuſen von Cariaco zwiſchen der Kordillere und der hohen
Kalkgebirgskette des Feſtlandes. Der ganze dazwiſchen liegende
Boden ſcheint einſt mit Salzthon ausgefüllt geweſen zu ſein,
und vom Meere beſtändig angefreſſen, verſchwand ohne Zweifel
die Formation allmählich und aus der Ebene wurden zuerſt
Lagunen, dann Buchten und zuletzt ſchiffbare Kanäle. Der
neueſte Vorgang am Schloſſe Araya beim Einbruch des Meeres
in das alte Salzwerk, die Form der Lagune Chacopata und
ein 18 km langer See, der die Inſel Margarita beinahe in
zwei Stücke teilt, ſind offenbare Beweiſe dieſer allmählichen
Abſpülungen. Im ſeltſamen Umriß der Küſten, im Morro
von Chacopata, in den kleinen Inſeln Caribes, Lobos und
Tunal, in der großen Inſel Coche und dem Vorgebirg Carnero
und dem „der Manglebäume“ glaubt man auch die Trümmer
einer Landenge vor ſich zu haben, welche einſt in der Rich-
tung von Nord nach Süd die Halbinſel Araya und die Inſel
Margarita verband. Auf letzterer verbindet nur noch eine
ganz niedrige, 5850 m lange und nicht 390 m breite Land-
zunge gegen Nord die zwei unter dem Namen Vega de San
Juan und Macanao bekannten Berggruppen. Die Laguna
grande auf Margarita hat gegen Süd eine ſehr enge Öeff-
nung und kleine Kanoen kommen „arastradas“, das heißt
über einen Trageplatz, über die Landzunge oder den Damm
im Norden hinüber. Wenn ſich auch heutzutage in dieſen
Seeſtrichen das Waſſer vom Feſtland zurückzuziehen ſcheint,
ſo wird doch höchſt wahrſcheinlich im Laufe der Jahrhunderte

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[277/0285] beſuchten wieder das alte Salzwerk, das durch den Einbruch des Meeres in einen See verwandelt worden, die ſchönen Trümmer des Schloſſes Araya und den Kalkberg Barigon, der, weil er gegen Weſt ſchroff abfällt, ziemlich ſchwer zu beſteigen iſt. Der Salzthon, vermiſcht mit Erdpech und linſen- förmigem Gips, und zuweilen in einen ſchwarzbraunen, ſalz- freien Thon übergehend, iſt eine auf dieſer Halbinſel, auf der Inſel Margarita und auf dem gegenüberliegenden Feſtland beim Schloß San Antonio in Cumana ſehr verbreitete For- mation. Sehr wahrſcheinlich hat ſie ſogar zum Teil die Spalten und das ganze zerriſſene Weſen des Bodens veran- laßt, das dem Geognoſten auffällt, wenn er auf einer der Anhöhen der Halbinſel Araya ſteht. Die aus Glimmerſchiefer und Tonſchiefer beſtehende Kordillere derſelben iſt gegen Nord durch den Kanal von Cubagua von der ähnlich gebildeten Bergkette der Inſel Margarita getrennt; gegen Süden liegt der Meerbuſen von Cariaco zwiſchen der Kordillere und der hohen Kalkgebirgskette des Feſtlandes. Der ganze dazwiſchen liegende Boden ſcheint einſt mit Salzthon ausgefüllt geweſen zu ſein, und vom Meere beſtändig angefreſſen, verſchwand ohne Zweifel die Formation allmählich und aus der Ebene wurden zuerſt Lagunen, dann Buchten und zuletzt ſchiffbare Kanäle. Der neueſte Vorgang am Schloſſe Araya beim Einbruch des Meeres in das alte Salzwerk, die Form der Lagune Chacopata und ein 18 km langer See, der die Inſel Margarita beinahe in zwei Stücke teilt, ſind offenbare Beweiſe dieſer allmählichen Abſpülungen. Im ſeltſamen Umriß der Küſten, im Morro von Chacopata, in den kleinen Inſeln Caribes, Lobos und Tunal, in der großen Inſel Coche und dem Vorgebirg Carnero und dem „der Manglebäume“ glaubt man auch die Trümmer einer Landenge vor ſich zu haben, welche einſt in der Rich- tung von Nord nach Süd die Halbinſel Araya und die Inſel Margarita verband. Auf letzterer verbindet nur noch eine ganz niedrige, 5850 m lange und nicht 390 m breite Land- zunge gegen Nord die zwei unter dem Namen Vega de San Juan und Macanao bekannten Berggruppen. Die Laguna grande auf Margarita hat gegen Süd eine ſehr enge Öeff- nung und kleine Kanoen kommen „arastradas“, das heißt über einen Trageplatz, über die Landzunge oder den Damm im Norden hinüber. Wenn ſich auch heutzutage in dieſen Seeſtrichen das Waſſer vom Feſtland zurückzuziehen ſcheint, ſo wird doch höchſt wahrſcheinlich im Laufe der Jahrhunderte

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/285>, abgerufen am 22.11.2024.