Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Vancouver die Reise an die Nordwestküste gemacht; und alles, Am folgenden Tag setzten wir unsere Ueberfahrt fort A. v. Humboldt, Reise. IV. 18
Vancouver die Reiſe an die Nordweſtküſte gemacht; und alles, Am folgenden Tag ſetzten wir unſere Ueberfahrt fort A. v. Humboldt, Reiſe. IV. 18
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0281" n="273"/> Vancouver die Reiſe an die Nordweſtküſte gemacht; und alles,<lb/> was ich ihm von den großen Katarakten bei Atures und<lb/> Maypures, von der Gabelteilung des Orinoko und von<lb/> ſeiner Verbindung mit dem Amazonenſtrom erzählte, ſchien<lb/> ihn höchlich zu intereſſieren. Er nannte mir unter ſeinen<lb/> Offizieren mehrere, die mit Lord Macartney in China ge-<lb/> weſen waren. Seit einem Jahre war ich nicht mehr mit<lb/> ſo vielen unterrichteten Männern beiſammen geweſen. Man<lb/> war aus den engliſchen Zeitungen über den Zweck meiner<lb/> Reiſe im allgemeinen unterrichtet; man bewies mir großes<lb/> Zutrauen und ich erhielt mein Nachtlager im Zimmer des<lb/> Kapitäns. Beim Abſchied wurde ich mit den Jahrgängen<lb/> der aſtronomiſchen Ephemeriden beſchenkt, die ich in Frankreich<lb/> und Spanien nicht hatte bekommen können. Kapitän Garnier<lb/> habe ich die Trabantenbeobachtungen zu verdanken, die ich<lb/> jenſeits des Aequators angeſtellt, und es wird mir zur Pflicht,<lb/> hier dem aufrichtigen Danke für ſeine Gefälligkeit Ausdruck<lb/> zu geben. Wenn man aus den Wäldern am Caſſiquiare<lb/> kommt und monatelang in den engen Lebenskreis der Miſ-<lb/> ſionäre wie gebannt war, ſo fühlt man ſich ganz glücklich, wenn<lb/> man zum erſtenmal wieder Männer trifft, die das Leben zur<lb/> See durchgemacht und auf einem ſo wechſelvollen Schauplatz<lb/> den Kreis ihrer Ideen erweitert haben. Ich ſchied vom eng-<lb/> liſchen Schiff mit Empfindungen, die in mir unverwiſcht ge-<lb/> blieben ſind und meine Anhänglichkeit an die Laufbahn, der<lb/> ich meine Kräfte gewidmet, noch ſteigerten.</p><lb/> <p>Am folgenden Tag ſetzten wir unſere Ueberfahrt fort<lb/> und wunderten uns ſehr über die Tiefe der Kanäle zwiſchen<lb/> den Caracasinſeln, die ſo bedeutend iſt, daß die Korvette beim<lb/> Wenden faſt an den Felſen ſtreifte. Welch ein Kontraſt im<lb/> ganzen Anſehen zwiſchen dieſen Kalkeilanden, die nach Rich-<lb/> tung und Geſtaltung an die große Kataſtrophe erinnern, die<lb/> ſie vom Feſtlande losgeriſſen, und jenem vulkaniſchen Archipel<lb/> nordwärts von Lancerote, wo Baſaltkuppen durch Hebung<lb/> aus dem Meer emporgeſtiegen ſcheinen! Die vielen Alcatras,<lb/> die größer ſind als unſere Schwanen, und Flamingo, die in<lb/> den Buchten fiſchten oder den Pelikanen ihre Beute abzujagen<lb/> ſuchten, ſagten uns, daß wir nicht mehr weit von Cumana<lb/> wären. Es iſt ſehr intereſſant, bei Sonnenaufgang die See-<lb/> vögel auf einmal erſcheinen und die Landſchaft beleben zu<lb/> ſehen. Solches erinnert an den einſamſten Orten an das<lb/> rege Leben in unſeren Städten beim erſten Morgengrauen.<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A. v. <hi rendition="#g">Humboldt</hi>, Reiſe. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 18</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [273/0281]
Vancouver die Reiſe an die Nordweſtküſte gemacht; und alles,
was ich ihm von den großen Katarakten bei Atures und
Maypures, von der Gabelteilung des Orinoko und von
ſeiner Verbindung mit dem Amazonenſtrom erzählte, ſchien
ihn höchlich zu intereſſieren. Er nannte mir unter ſeinen
Offizieren mehrere, die mit Lord Macartney in China ge-
weſen waren. Seit einem Jahre war ich nicht mehr mit
ſo vielen unterrichteten Männern beiſammen geweſen. Man
war aus den engliſchen Zeitungen über den Zweck meiner
Reiſe im allgemeinen unterrichtet; man bewies mir großes
Zutrauen und ich erhielt mein Nachtlager im Zimmer des
Kapitäns. Beim Abſchied wurde ich mit den Jahrgängen
der aſtronomiſchen Ephemeriden beſchenkt, die ich in Frankreich
und Spanien nicht hatte bekommen können. Kapitän Garnier
habe ich die Trabantenbeobachtungen zu verdanken, die ich
jenſeits des Aequators angeſtellt, und es wird mir zur Pflicht,
hier dem aufrichtigen Danke für ſeine Gefälligkeit Ausdruck
zu geben. Wenn man aus den Wäldern am Caſſiquiare
kommt und monatelang in den engen Lebenskreis der Miſ-
ſionäre wie gebannt war, ſo fühlt man ſich ganz glücklich, wenn
man zum erſtenmal wieder Männer trifft, die das Leben zur
See durchgemacht und auf einem ſo wechſelvollen Schauplatz
den Kreis ihrer Ideen erweitert haben. Ich ſchied vom eng-
liſchen Schiff mit Empfindungen, die in mir unverwiſcht ge-
blieben ſind und meine Anhänglichkeit an die Laufbahn, der
ich meine Kräfte gewidmet, noch ſteigerten.
Am folgenden Tag ſetzten wir unſere Ueberfahrt fort
und wunderten uns ſehr über die Tiefe der Kanäle zwiſchen
den Caracasinſeln, die ſo bedeutend iſt, daß die Korvette beim
Wenden faſt an den Felſen ſtreifte. Welch ein Kontraſt im
ganzen Anſehen zwiſchen dieſen Kalkeilanden, die nach Rich-
tung und Geſtaltung an die große Kataſtrophe erinnern, die
ſie vom Feſtlande losgeriſſen, und jenem vulkaniſchen Archipel
nordwärts von Lancerote, wo Baſaltkuppen durch Hebung
aus dem Meer emporgeſtiegen ſcheinen! Die vielen Alcatras,
die größer ſind als unſere Schwanen, und Flamingo, die in
den Buchten fiſchten oder den Pelikanen ihre Beute abzujagen
ſuchten, ſagten uns, daß wir nicht mehr weit von Cumana
wären. Es iſt ſehr intereſſant, bei Sonnenaufgang die See-
vögel auf einmal erſcheinen und die Landſchaft beleben zu
ſehen. Solches erinnert an den einſamſten Orten an das
rege Leben in unſeren Städten beim erſten Morgengrauen.
A. v. Humboldt, Reiſe. IV. 18
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