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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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lose Versuche auf dem Caura und dem Rio Paragua. Mehrere
hundert Menschen kamen bei diesen tollen Unternehmungen
elend ums Leben. Die Geographie zog indessen einigen
Nutzen daraus. Nicolas Rodriguez und Antonio Santos
wurden vom spanischen Statthalter auf diese Weise gebraucht
(1775 bis 1780). Letzterer gelangte auf dem Carony, dem
Paragua, dem Paraguamusi, dem Anocapra und über die
Berge Pacaraimo und Quimiropaca an den Uraricuera und
den Rio Branco. Die Reisetagebücher dieser abenteuerlichen
Unternehmungen haben mir treffliche Notizen geliefert.

Die Seekarten, welche der Florentiner Reisende Amerigo
Vespucci 1 in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts als
Piloto mayor der Casa de Contratacion zu Sevilla ent-
worfen und auf die er, vielleicht in schlauer Absicht, den
Namen Terra de Amerigo gesetzt, sind nicht auf uns ge-
kommen. Die älteste geographische Urkunde des neuen Kon-
tinents ist die einer römischen Ausgabe des Ptolemäus vom
Jahr 1508 beigegebene Weltkarte des Johann Ruysch. 2 Man
erkennt darauf Yucatan und Honduras (den südlichsten Teil
von Mexiko), die als eine Insel unter dem Namen Culicar
dargestellt sind. Eine Landenge von Panama ist nicht vor-
handen, sondern eine Meerenge, durch die man geradeaus
von Europa nach Indien fahren kann. Auf der großen süd-
lichen Insel (Südamerika) steht der Name Terra de Careas,
die von zwei Flüssen, dem Rio Lareno und dem Rio For-
moso, begrenzt ist. Diese Careas sind ohne Zweifel die
Einwohner von Caria, welchen Namen Christoph Columbus
bereits im Jahre 1498 vernommen hatte und mit dem lange
Zeit ein großer Teil von Amerika bezeichnet wurde. Der
Bischof Geraldini sagt in einem Briefe an Papst Leo X. aus
dem Jahr 1516 deutlich: "Insula illa, quae Europa et Asia
est major, quam indocti continentem Asiae appellant, et
alii Americam vel Pariam nuncupant."
Auf der Welt-
karte von 1508 finde ich noch keine Spur vom Orinoko.
Dieser Strom erscheint zum erstenmal unter dem Namen Rio
dulce
auf der berühmten Karte, die Diego Ribero, Kosmo-

1 Gestorben im Jahre 1512, wie Mundoz aus Urkunden in den
Archiven von Simancas erwiesen hat.
2 Auf den Karten, die dem Ptolemäus von 1506 beige-
geben sind, sieht man noch keine Spur von den Entdeckungen des
Columbus.

loſe Verſuche auf dem Caura und dem Rio Paragua. Mehrere
hundert Menſchen kamen bei dieſen tollen Unternehmungen
elend ums Leben. Die Geographie zog indeſſen einigen
Nutzen daraus. Nicolas Rodriguez und Antonio Santos
wurden vom ſpaniſchen Statthalter auf dieſe Weiſe gebraucht
(1775 bis 1780). Letzterer gelangte auf dem Carony, dem
Paragua, dem Paraguamuſi, dem Anocapra und über die
Berge Pacaraimo und Quimiropaca an den Uraricuera und
den Rio Branco. Die Reiſetagebücher dieſer abenteuerlichen
Unternehmungen haben mir treffliche Notizen geliefert.

Die Seekarten, welche der Florentiner Reiſende Amerigo
Veſpucci 1 in den erſten Jahren des 16. Jahrhunderts als
Piloto mayor der Casa de Contratacion zu Sevilla ent-
worfen und auf die er, vielleicht in ſchlauer Abſicht, den
Namen Terra de Amerigo geſetzt, ſind nicht auf uns ge-
kommen. Die älteſte geographiſche Urkunde des neuen Kon-
tinents iſt die einer römiſchen Ausgabe des Ptolemäus vom
Jahr 1508 beigegebene Weltkarte des Johann Ruyſch. 2 Man
erkennt darauf Yucatan und Honduras (den ſüdlichſten Teil
von Mexiko), die als eine Inſel unter dem Namen Culicar
dargeſtellt ſind. Eine Landenge von Panama iſt nicht vor-
handen, ſondern eine Meerenge, durch die man geradeaus
von Europa nach Indien fahren kann. Auf der großen ſüd-
lichen Inſel (Südamerika) ſteht der Name Terra de Careas,
die von zwei Flüſſen, dem Rio Lareno und dem Rio For-
moſo, begrenzt iſt. Dieſe Careas ſind ohne Zweifel die
Einwohner von Caria, welchen Namen Chriſtoph Columbus
bereits im Jahre 1498 vernommen hatte und mit dem lange
Zeit ein großer Teil von Amerika bezeichnet wurde. Der
Biſchof Geraldini ſagt in einem Briefe an Papſt Leo X. aus
dem Jahr 1516 deutlich: „Insula illa, quae Europa et Asia
est major, quam indocti continentem Asiae appellant, et
alii Americam vel Pariam nuncupant.“
Auf der Welt-
karte von 1508 finde ich noch keine Spur vom Orinoko.
Dieſer Strom erſcheint zum erſtenmal unter dem Namen Rio
dulce
auf der berühmten Karte, die Diego Ribero, Kosmo-

1 Geſtorben im Jahre 1512, wie Muñoz aus Urkunden in den
Archiven von Simancas erwieſen hat.
2 Auf den Karten, die dem Ptolemäus von 1506 beige-
geben ſind, ſieht man noch keine Spur von den Entdeckungen des
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[214/0222] loſe Verſuche auf dem Caura und dem Rio Paragua. Mehrere hundert Menſchen kamen bei dieſen tollen Unternehmungen elend ums Leben. Die Geographie zog indeſſen einigen Nutzen daraus. Nicolas Rodriguez und Antonio Santos wurden vom ſpaniſchen Statthalter auf dieſe Weiſe gebraucht (1775 bis 1780). Letzterer gelangte auf dem Carony, dem Paragua, dem Paraguamuſi, dem Anocapra und über die Berge Pacaraimo und Quimiropaca an den Uraricuera und den Rio Branco. Die Reiſetagebücher dieſer abenteuerlichen Unternehmungen haben mir treffliche Notizen geliefert. Die Seekarten, welche der Florentiner Reiſende Amerigo Veſpucci 1 in den erſten Jahren des 16. Jahrhunderts als Piloto mayor der Casa de Contratacion zu Sevilla ent- worfen und auf die er, vielleicht in ſchlauer Abſicht, den Namen Terra de Amerigo geſetzt, ſind nicht auf uns ge- kommen. Die älteſte geographiſche Urkunde des neuen Kon- tinents iſt die einer römiſchen Ausgabe des Ptolemäus vom Jahr 1508 beigegebene Weltkarte des Johann Ruyſch. 2 Man erkennt darauf Yucatan und Honduras (den ſüdlichſten Teil von Mexiko), die als eine Inſel unter dem Namen Culicar dargeſtellt ſind. Eine Landenge von Panama iſt nicht vor- handen, ſondern eine Meerenge, durch die man geradeaus von Europa nach Indien fahren kann. Auf der großen ſüd- lichen Inſel (Südamerika) ſteht der Name Terra de Careas, die von zwei Flüſſen, dem Rio Lareno und dem Rio For- moſo, begrenzt iſt. Dieſe Careas ſind ohne Zweifel die Einwohner von Caria, welchen Namen Chriſtoph Columbus bereits im Jahre 1498 vernommen hatte und mit dem lange Zeit ein großer Teil von Amerika bezeichnet wurde. Der Biſchof Geraldini ſagt in einem Briefe an Papſt Leo X. aus dem Jahr 1516 deutlich: „Insula illa, quae Europa et Asia est major, quam indocti continentem Asiae appellant, et alii Americam vel Pariam nuncupant.“ Auf der Welt- karte von 1508 finde ich noch keine Spur vom Orinoko. Dieſer Strom erſcheint zum erſtenmal unter dem Namen Rio dulce auf der berühmten Karte, die Diego Ribero, Kosmo- 1 Geſtorben im Jahre 1512, wie Muñoz aus Urkunden in den Archiven von Simancas erwieſen hat. 2 Auf den Karten, die dem Ptolemäus von 1506 beige- geben ſind, ſieht man noch keine Spur von den Entdeckungen des Columbus.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/222>, abgerufen am 24.11.2024.