Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.
goldeten Mann liegt vielleicht ein ähnlicher Brauch zu 1 Gerade wie im alten Reiche Meroe, in Tibet, und wie der
Dairi und der Kubo in Japan.
goldeten Mann liegt vielleicht ein ähnlicher Brauch zu 1 Gerade wie im alten Reiche Meroe, in Tibet, und wie der
Dairi und der Kubo in Japan. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0212" n="204"/> goldeten Mann</hi> liegt vielleicht ein ähnlicher Brauch zu<lb/> Grunde, und da es in Neugranada zwei ſouveräne Fürſten<lb/> gab,<note place="foot" n="1">Gerade wie im alten Reiche Meroe, in Tibet, und wie der<lb/> Dairi und der Kubo in Japan.</note> den Lama in Iraca und das weltliche Oberhaupt oder<lb/> den Zaque in Tunja, ſo iſt es nicht zu verwundern, daß das-<lb/> ſelbe Zeremoniell bald dem König, bald dem Oberprieſter zu-<lb/> geſchrieben wird. Auffallender erſcheint es, daß man vom<lb/> Jahre 1535 an das Land des <hi rendition="#g">Dorado</hi> oſtwärts von den<lb/> Anden geſucht hat. Robertſon nimmt in ſeiner Geſchichte des<lb/> neuen Kontinents an, die Sage ſei zuerſt Orellana (1540)<lb/> am Amazonenſtrom zu Ohren gekommen; aber das Buch des<lb/> Fray Pedro Simon, dem Queſadas, des Eroberers von Cundi-<lb/> rumarca, Aufzeichnungen zu Grunde liegen, beweiſt das Gegen-<lb/> teil, und bereits im Jahre 1536 ſuchte Gonzalo Diaz de<lb/> Pineda den <hi rendition="#g">vergoldeten Mann</hi> jenſeits der Niederungen<lb/> der Provinz Quixos. Der Geſandte aus Bogota, den Da<hi rendition="#aq">ç</hi>a<lb/> im Königreich Quito getroffen, hatte von einem oſtwärts<lb/> gelegenen Lande geſprochen; that er etwa ſo, weil die Hochebene<lb/> von Neugranada nicht nordwärts, ſondern nordoſtwärts von<lb/> Quito liegt? Man ſollte meinen, die Sage von einem nackten,<lb/> mit Goldſtaub überzogenen Mann müßte urſprünglich in einem<lb/> heißen Lande zu Hauſe ſein, und nicht auf den kalten Hoch-<lb/> ebenen von Cundirumarca, wo ich den Thermometer oft unter<lb/> 4 oder 5° fallen ſah; indeſſen iſt das Klima infolge der un-<lb/> gewöhnlichen Bodenbildung auch in Guatavita, Tunja, Iraca<lb/> und am Ufer des Sogamozo ſehr verſchieden. Nicht ſelten<lb/> behält man gottesdienſtliche Gebräuche bei, die aus einem<lb/> anderen Erdſtrich herrühren, und nach alten Sagen ließen die<lb/> Muysca ihren erſten Geſetzgeber und Stifter ihres Gottes-<lb/> dienſtes, Bochica, aus den Ebenen oſtwärts von den Kordilleren<lb/> herkommen. Ich laſſe unentſchieden, ob dieſe Sagen auf einer<lb/> geſchichtlichen Thatſache beruhten oder ob damit, wie ſchon<lb/> oben bemerkt, nur angedeutet ſein ſollte, daß der erſte Lama,<lb/> der Sohn und Sinnbild der Sonne iſt, notwendig aus Län-<lb/> dern gegen Aufgang gekommen ſein müſſe. Wie dem ſei, ſo<lb/> viel iſt gewiß, der Ruf, den der Orinoko, der Meta und die<lb/> Provinz Papamene zwiſchen den Quellen des Guaviare und<lb/> Caqueta durch die Expeditionen des Ordaz, Herrera und<lb/> Georgs von Speier bereits erlangt, trug dazu bei, die Sage<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [204/0212]
goldeten Mann liegt vielleicht ein ähnlicher Brauch zu
Grunde, und da es in Neugranada zwei ſouveräne Fürſten
gab, 1 den Lama in Iraca und das weltliche Oberhaupt oder
den Zaque in Tunja, ſo iſt es nicht zu verwundern, daß das-
ſelbe Zeremoniell bald dem König, bald dem Oberprieſter zu-
geſchrieben wird. Auffallender erſcheint es, daß man vom
Jahre 1535 an das Land des Dorado oſtwärts von den
Anden geſucht hat. Robertſon nimmt in ſeiner Geſchichte des
neuen Kontinents an, die Sage ſei zuerſt Orellana (1540)
am Amazonenſtrom zu Ohren gekommen; aber das Buch des
Fray Pedro Simon, dem Queſadas, des Eroberers von Cundi-
rumarca, Aufzeichnungen zu Grunde liegen, beweiſt das Gegen-
teil, und bereits im Jahre 1536 ſuchte Gonzalo Diaz de
Pineda den vergoldeten Mann jenſeits der Niederungen
der Provinz Quixos. Der Geſandte aus Bogota, den Daça
im Königreich Quito getroffen, hatte von einem oſtwärts
gelegenen Lande geſprochen; that er etwa ſo, weil die Hochebene
von Neugranada nicht nordwärts, ſondern nordoſtwärts von
Quito liegt? Man ſollte meinen, die Sage von einem nackten,
mit Goldſtaub überzogenen Mann müßte urſprünglich in einem
heißen Lande zu Hauſe ſein, und nicht auf den kalten Hoch-
ebenen von Cundirumarca, wo ich den Thermometer oft unter
4 oder 5° fallen ſah; indeſſen iſt das Klima infolge der un-
gewöhnlichen Bodenbildung auch in Guatavita, Tunja, Iraca
und am Ufer des Sogamozo ſehr verſchieden. Nicht ſelten
behält man gottesdienſtliche Gebräuche bei, die aus einem
anderen Erdſtrich herrühren, und nach alten Sagen ließen die
Muysca ihren erſten Geſetzgeber und Stifter ihres Gottes-
dienſtes, Bochica, aus den Ebenen oſtwärts von den Kordilleren
herkommen. Ich laſſe unentſchieden, ob dieſe Sagen auf einer
geſchichtlichen Thatſache beruhten oder ob damit, wie ſchon
oben bemerkt, nur angedeutet ſein ſollte, daß der erſte Lama,
der Sohn und Sinnbild der Sonne iſt, notwendig aus Län-
dern gegen Aufgang gekommen ſein müſſe. Wie dem ſei, ſo
viel iſt gewiß, der Ruf, den der Orinoko, der Meta und die
Provinz Papamene zwiſchen den Quellen des Guaviare und
Caqueta durch die Expeditionen des Ordaz, Herrera und
Georgs von Speier bereits erlangt, trug dazu bei, die Sage
1 Gerade wie im alten Reiche Meroe, in Tibet, und wie der
Dairi und der Kubo in Japan.
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