Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.gehen ließ, der heilige See Guatavita, ostwärts von Am Rio Caura und in anderen wilden Landstrichen von gehen ließ, der heilige See Guatavita, oſtwärts von Am Rio Caura und in anderen wilden Landſtrichen von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0211" n="203"/> gehen ließ, der <hi rendition="#g">heilige See Guatavita</hi>, oſtwärts von<lb/> den Steinſalzgruben vor Zipaquira, gemeint iſt. Ich ſah am<lb/> Rande dieſes Waſſerbeckens die Reſte einer in den Fels ge-<lb/> hauenen Treppe, die bei den gottesdienſtlichen Waſchungen<lb/> gebraucht wurde. Die Indianer erzählen, man habe Goldſtaub<lb/> und Goldgeſchirr hineingeworfen, als Opfer für die Götzen des<lb/><hi rendition="#aq">Adoratorio de Guatavita.</hi> Man ſieht noch die Spuren eines<lb/> Einſchnittes, den die Spanier gemacht, um den See trocken<lb/> zu legen. Da der Sonenntempel von Sogamozo den Nord-<lb/> küſten von Terra Firma ziemlich nahe liegt, ſo wurden die<lb/> Vorſtellungen vom vergoldeten Mann bald auf einen Ober-<lb/> prieſter von der Sekte des Bochica oder Idacanzas überge-<lb/> tragen, der ſich gleichfalls jeden Morgen, um das Opfer zu<lb/> verrichten, auf Geſicht und Hände, nachdem er dieſelben mit<lb/> Fett eingerieben, Goldſtaub kleben ließ. Nach anderen Nach-<lb/> richten, die in einem Schreiben Oviedos an den berühmten<lb/> Kardinal Bembo aufbehalten ſind, ſuchte Gonzalo Pizarro, als<lb/> er den Landſtrich entdeckte, wo die Zimtbäume wachſen, zu-<lb/> gleich „einen großen Fürſten, von dem hierzulande viel die<lb/> Rede geht, der immer mit Goldſtaub überzogen iſt, ſo daß<lb/> er vom Kopf zu Fuß ausſieht wie <hi rendition="#aq">una figura d’oro lavo-<lb/> rata di mano d’un buonissimo orifice.</hi> Der Goldſtaub<lb/> wird mittels eines wohlriechenden Harzes am Leibe befeſtigt;<lb/> da aber dieſe <hi rendition="#g">Art Anzug</hi> ihm beim Schlafen unbequem<lb/> wäre, ſo wäſcht ſich der Fürſt jeden Abend und läßt ſich<lb/> morgens wieder vergolden, welches beweiſt, daß das Reich<lb/> des <hi rendition="#g">Dorado</hi> ungemein viele Goldgruben haben muß.“ Es<lb/> iſt ganz wohl anzunehmen, daß unter den von Bochica ein-<lb/> geführten gottesdienſtlichen Zeremonien eine war, die zu einer<lb/> ſo allgemein verbreiteten Sage Anlaß gab. Fand man doch<lb/> in der Neuen Welt die allerwunderlichſten Gebräuche. In<lb/> Mexiko bemalten ſich Opferprieſter den Körper; ja ſie trugen<lb/> eine Art Meßgewand mit hängenden Aermeln aus gegerbter<lb/> Menſchenhaut. Ich habe Zeichnungen derſelben bekannt ge-<lb/> macht, die von den alten Einwohnern von Anahuac herrühren<lb/> und in ihren gottesdienſtlichen Büchern aufbehalten ſind.</p><lb/> <p>Am Rio Caura und in anderen wilden Landſtrichen von<lb/> Guyana, wo der Körper <hi rendition="#g">bemalt</hi> ſtatt <hi rendition="#g">tättowiert</hi> wird,<lb/> reiben ſich die Eingeborenen mit Schildkrötenfett ein und kleben<lb/> ſich metalliſch glänzende, ſilberweiße und kupferrote Glimmer-<lb/> plättchen auf die Haut. Von weitem ſieht dies aus, als<lb/> trügen ſie mit Borten beſetzte Kleider. Der Sage vom <hi rendition="#g">ver-<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0211]
gehen ließ, der heilige See Guatavita, oſtwärts von
den Steinſalzgruben vor Zipaquira, gemeint iſt. Ich ſah am
Rande dieſes Waſſerbeckens die Reſte einer in den Fels ge-
hauenen Treppe, die bei den gottesdienſtlichen Waſchungen
gebraucht wurde. Die Indianer erzählen, man habe Goldſtaub
und Goldgeſchirr hineingeworfen, als Opfer für die Götzen des
Adoratorio de Guatavita. Man ſieht noch die Spuren eines
Einſchnittes, den die Spanier gemacht, um den See trocken
zu legen. Da der Sonenntempel von Sogamozo den Nord-
küſten von Terra Firma ziemlich nahe liegt, ſo wurden die
Vorſtellungen vom vergoldeten Mann bald auf einen Ober-
prieſter von der Sekte des Bochica oder Idacanzas überge-
tragen, der ſich gleichfalls jeden Morgen, um das Opfer zu
verrichten, auf Geſicht und Hände, nachdem er dieſelben mit
Fett eingerieben, Goldſtaub kleben ließ. Nach anderen Nach-
richten, die in einem Schreiben Oviedos an den berühmten
Kardinal Bembo aufbehalten ſind, ſuchte Gonzalo Pizarro, als
er den Landſtrich entdeckte, wo die Zimtbäume wachſen, zu-
gleich „einen großen Fürſten, von dem hierzulande viel die
Rede geht, der immer mit Goldſtaub überzogen iſt, ſo daß
er vom Kopf zu Fuß ausſieht wie una figura d’oro lavo-
rata di mano d’un buonissimo orifice. Der Goldſtaub
wird mittels eines wohlriechenden Harzes am Leibe befeſtigt;
da aber dieſe Art Anzug ihm beim Schlafen unbequem
wäre, ſo wäſcht ſich der Fürſt jeden Abend und läßt ſich
morgens wieder vergolden, welches beweiſt, daß das Reich
des Dorado ungemein viele Goldgruben haben muß.“ Es
iſt ganz wohl anzunehmen, daß unter den von Bochica ein-
geführten gottesdienſtlichen Zeremonien eine war, die zu einer
ſo allgemein verbreiteten Sage Anlaß gab. Fand man doch
in der Neuen Welt die allerwunderlichſten Gebräuche. In
Mexiko bemalten ſich Opferprieſter den Körper; ja ſie trugen
eine Art Meßgewand mit hängenden Aermeln aus gegerbter
Menſchenhaut. Ich habe Zeichnungen derſelben bekannt ge-
macht, die von den alten Einwohnern von Anahuac herrühren
und in ihren gottesdienſtlichen Büchern aufbehalten ſind.
Am Rio Caura und in anderen wilden Landſtrichen von
Guyana, wo der Körper bemalt ſtatt tättowiert wird,
reiben ſich die Eingeborenen mit Schildkrötenfett ein und kleben
ſich metalliſch glänzende, ſilberweiße und kupferrote Glimmer-
plättchen auf die Haut. Von weitem ſieht dies aus, als
trügen ſie mit Borten beſetzte Kleider. Der Sage vom ver-
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