zeit 5,5, in der Regenzeit 11 bis 15 km in der Stunde be- trägt. Die Stärke der Strömung hängt also, beim Ganges wie beim Orinoko, nicht sowohl vom Gefälle des Bettes ab, als von der starken Anhäufung des Wassers im oberen Strom- lauf infolge der starken Regenniederschläge und der vielen Zuflüsse. Schon seit 250 Jahren sitzen europäische Ansiedler an den Mündungen des Orinoko, und in dieser langen Zeit haben sich, nach einer von Geschlecht zu Geschlecht fortge- pflanzten Ueberlieferung, die periodischen Oszillationen des Stromes (der Zeitpunkt, wo er zu steigen anfängt und der höchste Wasserstand) nie um mehr als 12 bis 15 Tage verzögert.
Wenn Fahrzeuge mit großem Tiefgange im Januar und Februar mit dem Seewinde und der Flut nach Angostura hinaufgehen, so laufen sie Gefahr, auf dem Schlamme aufzu- fahren. Die Wasserstraße ändert sich häufig nach Breite und Richtung; bis jetzt aber bezeichnet noch nirgends eine Bake die Anschwemmungen, die sich überall im Flusse bilden, wo das Wasser seine ursprüngliche Geschwindigkeit verloren hat. Südlich vom Kap Barima besteht sowohl über den Fluß dieses Namens als über den Rio Moroca und mehrere Esteres (aestuaria) eine Verbindung mit der englischen Kolonie am Essequibo. Man kann mit kleinen Fahrzeugen bis zum Rio Poumaron, an dem die alten Niederlassungen Zeland und Middelburg liegen, ins Land hineinkommen. Diese Verbin- dung hatte früher für die Regierung in Caracas nur darum einige Wichtigkeit, weil dadurch dem Schleichhandel Vorschub geleistet wurde; seit aber Berbice, Demerary und Essequibo einem mächtigen Nachbar in die Hände gefallen sind, be- trachten die Hispano-Amerikaner dieselbe aus dem Gesichts- punkte der Sicherheit der Grenze. Flüsse, die der Küste parallel laufen und nur 9 bis 11 km davon entfernt bleiben, sind dem Uferstriche zwischen dem Orinoko und dem Amazonenstrom eigentümlich.
45 km vom Kap Barima teilt sich das große Bett des Orinoko zum erstenmal in zwei 3900 m breite Arme; dieselben sind unter den indianischen Namen Zacupana und Imataca bekannt. Der erstere, nördlichere, steht westwärts von den Inseln Cangrejos und Burro mit den Bocas chicas Lauran, Nuina und Mariusas in Verbindung. Die Insel Burro verschwindet beim Hochwasser, ist also leider nicht zu befestigen. Das südliche Ufer des brazo Imataca ist von
A. v. Humboldt, Reise. IV. 12
zeit 5,5, in der Regenzeit 11 bis 15 km in der Stunde be- trägt. Die Stärke der Strömung hängt alſo, beim Ganges wie beim Orinoko, nicht ſowohl vom Gefälle des Bettes ab, als von der ſtarken Anhäufung des Waſſers im oberen Strom- lauf infolge der ſtarken Regenniederſchläge und der vielen Zuflüſſe. Schon ſeit 250 Jahren ſitzen europäiſche Anſiedler an den Mündungen des Orinoko, und in dieſer langen Zeit haben ſich, nach einer von Geſchlecht zu Geſchlecht fortge- pflanzten Ueberlieferung, die periodiſchen Oszillationen des Stromes (der Zeitpunkt, wo er zu ſteigen anfängt und der höchſte Waſſerſtand) nie um mehr als 12 bis 15 Tage verzögert.
Wenn Fahrzeuge mit großem Tiefgange im Januar und Februar mit dem Seewinde und der Flut nach Angoſtura hinaufgehen, ſo laufen ſie Gefahr, auf dem Schlamme aufzu- fahren. Die Waſſerſtraße ändert ſich häufig nach Breite und Richtung; bis jetzt aber bezeichnet noch nirgends eine Bake die Anſchwemmungen, die ſich überall im Fluſſe bilden, wo das Waſſer ſeine urſprüngliche Geſchwindigkeit verloren hat. Südlich vom Kap Barima beſteht ſowohl über den Fluß dieſes Namens als über den Rio Moroca und mehrere Eſteres (aestuaria) eine Verbindung mit der engliſchen Kolonie am Eſſequibo. Man kann mit kleinen Fahrzeugen bis zum Rio Poumaron, an dem die alten Niederlaſſungen Zeland und Middelburg liegen, ins Land hineinkommen. Dieſe Verbin- dung hatte früher für die Regierung in Caracas nur darum einige Wichtigkeit, weil dadurch dem Schleichhandel Vorſchub geleiſtet wurde; ſeit aber Berbice, Demerary und Eſſequibo einem mächtigen Nachbar in die Hände gefallen ſind, be- trachten die Hiſpano-Amerikaner dieſelbe aus dem Geſichts- punkte der Sicherheit der Grenze. Flüſſe, die der Küſte parallel laufen und nur 9 bis 11 km davon entfernt bleiben, ſind dem Uferſtriche zwiſchen dem Orinoko und dem Amazonenſtrom eigentümlich.
45 km vom Kap Barima teilt ſich das große Bett des Orinoko zum erſtenmal in zwei 3900 m breite Arme; dieſelben ſind unter den indianiſchen Namen Zacupana und Imataca bekannt. Der erſtere, nördlichere, ſteht weſtwärts von den Inſeln Cangrejos und Burro mit den Bocas chicas Lauran, Nuina und Mariuſas in Verbindung. Die Inſel Burro verſchwindet beim Hochwaſſer, iſt alſo leider nicht zu befeſtigen. Das ſüdliche Ufer des brazo Imataca iſt von
A. v. Humboldt, Reiſe. IV. 12
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zeit 5,5, in der Regenzeit 11 bis 15 km in der Stunde be-
trägt. Die Stärke der Strömung hängt alſo, beim Ganges
wie beim Orinoko, nicht ſowohl vom Gefälle des Bettes ab,
als von der ſtarken Anhäufung des Waſſers im oberen Strom-
lauf infolge der ſtarken Regenniederſchläge und der vielen
Zuflüſſe. Schon ſeit 250 Jahren ſitzen europäiſche Anſiedler
an den Mündungen des Orinoko, und in dieſer langen Zeit
haben ſich, nach einer von Geſchlecht zu Geſchlecht fortge-
pflanzten Ueberlieferung, die periodiſchen Oszillationen des
Stromes (der Zeitpunkt, wo er zu ſteigen anfängt und der
höchſte Waſſerſtand) nie um mehr als 12 bis 15 Tage
verzögert.
Wenn Fahrzeuge mit großem Tiefgange im Januar und
Februar mit dem Seewinde und der Flut nach Angoſtura
hinaufgehen, ſo laufen ſie Gefahr, auf dem Schlamme aufzu-
fahren. Die Waſſerſtraße ändert ſich häufig nach Breite und
Richtung; bis jetzt aber bezeichnet noch nirgends eine Bake
die Anſchwemmungen, die ſich überall im Fluſſe bilden, wo
das Waſſer ſeine urſprüngliche Geſchwindigkeit verloren hat.
Südlich vom Kap Barima beſteht ſowohl über den Fluß
dieſes Namens als über den Rio Moroca und mehrere Eſteres
(aestuaria) eine Verbindung mit der engliſchen Kolonie am
Eſſequibo. Man kann mit kleinen Fahrzeugen bis zum Rio
Poumaron, an dem die alten Niederlaſſungen Zeland und
Middelburg liegen, ins Land hineinkommen. Dieſe Verbin-
dung hatte früher für die Regierung in Caracas nur darum
einige Wichtigkeit, weil dadurch dem Schleichhandel Vorſchub
geleiſtet wurde; ſeit aber Berbice, Demerary und Eſſequibo
einem mächtigen Nachbar in die Hände gefallen ſind, be-
trachten die Hiſpano-Amerikaner dieſelbe aus dem Geſichts-
punkte der Sicherheit der Grenze. Flüſſe, die der Küſte parallel
laufen und nur 9 bis 11 km davon entfernt bleiben, ſind
dem Uferſtriche zwiſchen dem Orinoko und dem Amazonenſtrom
eigentümlich.
45 km vom Kap Barima teilt ſich das große Bett
des Orinoko zum erſtenmal in zwei 3900 m breite Arme;
dieſelben ſind unter den indianiſchen Namen Zacupana und
Imataca bekannt. Der erſtere, nördlichere, ſteht weſtwärts
von den Inſeln Cangrejos und Burro mit den Bocas chicas
Lauran, Nuina und Mariuſas in Verbindung. Die Inſel
Burro verſchwindet beim Hochwaſſer, iſt alſo leider nicht zu
befeſtigen. Das ſüdliche Ufer des brazo Imataca iſt von
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/185>, abgerufen am 16.02.2025.
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