Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

langen Reihe von Jahren die Unterschiede im durchschnittlichen
Betrage der Temperatur, der Feuchtigkeit und des Luftdruckes
von Monat zu Monat ganz unbedeutend sind, und daß die
Natur, trotz der häufigen partiellen Störungen, in der Reihen-
folge der meteorologischen Erscheinungen einen festen Typus
befolgt. Die großen Ströme sammeln die Wasser, die auf
einer mehrere tausend Quadratmeilen großen Erdfläche nieder-
fallen, in einen Behälter. So ungleich auch die Regenmenge
sein mag, die im Laufe der Jahre in diesem oder jenem Thale
fällt, auf den Wasserstand der Ströme von langem Lauf
haben dergleichen lokale Wechsel so gut wie keinen Einfluß.
Die Anschwellungen sind der Ausdruck des mittleren Feuch-
tigkeitsstandes im ganzen Becken; sie treten Jahr für Jahr
in denselben Verhältnissen auf, weil ihr Anfang und ihre
Dauer eben auch vom Durchschnitt der scheinbar sehr ver-
änderlichen Epochen des Eintrittes und des Endes der Regen-
zeit unter den Breiten, durch welche der Hauptstrom und
seine Nebenflüsse laufen, abhängig sind. Es folgt daraus,
daß die periodischen Schwankungen im Wasserstande der Ströme,
gerade wie die unveränderliche Temperatur der Höhlen und
der Quellen, sichtbar darauf hinweisen, daß Feuchtigkeit und
Wärme auf einem Striche von beträchtlichem Flächenraum
von einem Jahre zum anderen regelmäßig verteilt sind. Die-
selben machen starken Eindruck auf die Einbildungskraft des
Volkes, wie ja Ordnung in allen Dingen überrascht, wo die
ersten Ursachen schwer zu erfassen sind, wie ja die Durch-
schnittstemperaturen aus einer langen Reihe von Monaten
und Jahren den in Verwunderung setzen, der zum erstenmal
eine Abhandlung über klimatische Verhältnisse zu Gesicht be-
kommt. Ströme, die ganz in der heißen Zone liegen, zeigen
in ihren periodischen Bewegungen die wundervolle Regel-
mäßigkeit, die einem Erdstriche eigen ist, wo derselbe Wind
fast immer Luftschichten von derselben Temperatur herführt,
und wo die Deklinationsbewegung der Sonne jedes Jahr
zur selben Zeit mit der elektrischen Spannung, mit dem Auf-
hören der Seewinde und dem Eintritte der Regenzeit eine
Störung des Gleichgewichtes verursacht. Der Orinoko, der
Rio Magdalena und der Kongo oder Zaire sind die einzigen
großen Ströme im Aequinoktialstriche des Erdballes, die in der
Nähe des Aequators entspringen und deren Mündung in
weit höherer Breite, aber noch innerhalb der Tropen liegt.
Der Nil und der Rio de la Plata laufen in zwei ent-

langen Reihe von Jahren die Unterſchiede im durchſchnittlichen
Betrage der Temperatur, der Feuchtigkeit und des Luftdruckes
von Monat zu Monat ganz unbedeutend ſind, und daß die
Natur, trotz der häufigen partiellen Störungen, in der Reihen-
folge der meteorologiſchen Erſcheinungen einen feſten Typus
befolgt. Die großen Ströme ſammeln die Waſſer, die auf
einer mehrere tauſend Quadratmeilen großen Erdfläche nieder-
fallen, in einen Behälter. So ungleich auch die Regenmenge
ſein mag, die im Laufe der Jahre in dieſem oder jenem Thale
fällt, auf den Waſſerſtand der Ströme von langem Lauf
haben dergleichen lokale Wechſel ſo gut wie keinen Einfluß.
Die Anſchwellungen ſind der Ausdruck des mittleren Feuch-
tigkeitsſtandes im ganzen Becken; ſie treten Jahr für Jahr
in denſelben Verhältniſſen auf, weil ihr Anfang und ihre
Dauer eben auch vom Durchſchnitt der ſcheinbar ſehr ver-
änderlichen Epochen des Eintrittes und des Endes der Regen-
zeit unter den Breiten, durch welche der Hauptſtrom und
ſeine Nebenflüſſe laufen, abhängig ſind. Es folgt daraus,
daß die periodiſchen Schwankungen im Waſſerſtande der Ströme,
gerade wie die unveränderliche Temperatur der Höhlen und
der Quellen, ſichtbar darauf hinweiſen, daß Feuchtigkeit und
Wärme auf einem Striche von beträchtlichem Flächenraum
von einem Jahre zum anderen regelmäßig verteilt ſind. Die-
ſelben machen ſtarken Eindruck auf die Einbildungskraft des
Volkes, wie ja Ordnung in allen Dingen überraſcht, wo die
erſten Urſachen ſchwer zu erfaſſen ſind, wie ja die Durch-
ſchnittstemperaturen aus einer langen Reihe von Monaten
und Jahren den in Verwunderung ſetzen, der zum erſtenmal
eine Abhandlung über klimatiſche Verhältniſſe zu Geſicht be-
kommt. Ströme, die ganz in der heißen Zone liegen, zeigen
in ihren periodiſchen Bewegungen die wundervolle Regel-
mäßigkeit, die einem Erdſtriche eigen iſt, wo derſelbe Wind
faſt immer Luftſchichten von derſelben Temperatur herführt,
und wo die Deklinationsbewegung der Sonne jedes Jahr
zur ſelben Zeit mit der elektriſchen Spannung, mit dem Auf-
hören der Seewinde und dem Eintritte der Regenzeit eine
Störung des Gleichgewichtes verurſacht. Der Orinoko, der
Rio Magdalena und der Kongo oder Zaire ſind die einzigen
großen Ströme im Aequinoktialſtriche des Erdballes, die in der
Nähe des Aequators entſpringen und deren Mündung in
weit höherer Breite, aber noch innerhalb der Tropen liegt.
Der Nil und der Rio de la Plata laufen in zwei ent-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0179" n="171"/>
langen Reihe von Jahren die Unter&#x017F;chiede im durch&#x017F;chnittlichen<lb/>
Betrage der Temperatur, der Feuchtigkeit und des Luftdruckes<lb/>
von Monat zu Monat ganz unbedeutend &#x017F;ind, und daß die<lb/>
Natur, trotz der häufigen partiellen Störungen, in der Reihen-<lb/>
folge der meteorologi&#x017F;chen Er&#x017F;cheinungen einen fe&#x017F;ten Typus<lb/>
befolgt. Die großen Ströme &#x017F;ammeln die Wa&#x017F;&#x017F;er, die auf<lb/>
einer mehrere tau&#x017F;end Quadratmeilen großen Erdfläche nieder-<lb/>
fallen, in einen Behälter. So ungleich auch die Regenmenge<lb/>
&#x017F;ein mag, die im Laufe der Jahre in die&#x017F;em oder jenem Thale<lb/>
fällt, auf den Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;tand der Ströme von langem Lauf<lb/>
haben dergleichen lokale Wech&#x017F;el &#x017F;o gut wie keinen Einfluß.<lb/>
Die An&#x017F;chwellungen &#x017F;ind der Ausdruck des <hi rendition="#g">mittleren</hi> Feuch-<lb/>
tigkeits&#x017F;tandes im ganzen Becken; &#x017F;ie treten Jahr für Jahr<lb/>
in den&#x017F;elben Verhältni&#x017F;&#x017F;en auf, weil ihr Anfang und ihre<lb/>
Dauer eben auch vom <hi rendition="#g">Durch&#x017F;chnitt</hi> der &#x017F;cheinbar &#x017F;ehr ver-<lb/>
änderlichen Epochen des Eintrittes und des Endes der Regen-<lb/>
zeit unter den Breiten, durch welche der Haupt&#x017F;trom und<lb/>
&#x017F;eine Nebenflü&#x017F;&#x017F;e laufen, abhängig &#x017F;ind. Es folgt daraus,<lb/>
daß die periodi&#x017F;chen Schwankungen im Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;tande der Ströme,<lb/>
gerade wie die unveränderliche Temperatur der Höhlen und<lb/>
der Quellen, &#x017F;ichtbar darauf hinwei&#x017F;en, daß Feuchtigkeit und<lb/>
Wärme auf einem Striche von beträchtlichem Flächenraum<lb/>
von einem Jahre zum anderen regelmäßig verteilt &#x017F;ind. Die-<lb/>
&#x017F;elben machen &#x017F;tarken Eindruck auf die Einbildungskraft des<lb/>
Volkes, wie ja Ordnung in allen Dingen überra&#x017F;cht, wo die<lb/>
er&#x017F;ten Ur&#x017F;achen &#x017F;chwer zu erfa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, wie ja die Durch-<lb/>
&#x017F;chnittstemperaturen aus einer langen Reihe von Monaten<lb/>
und Jahren den in Verwunderung &#x017F;etzen, der zum er&#x017F;tenmal<lb/>
eine Abhandlung über klimati&#x017F;che Verhältni&#x017F;&#x017F;e zu Ge&#x017F;icht be-<lb/>
kommt. Ströme, die ganz in der heißen Zone liegen, zeigen<lb/>
in ihren periodi&#x017F;chen Bewegungen die wundervolle Regel-<lb/>
mäßigkeit, die einem Erd&#x017F;triche eigen i&#x017F;t, wo der&#x017F;elbe Wind<lb/>
fa&#x017F;t immer Luft&#x017F;chichten von der&#x017F;elben Temperatur herführt,<lb/>
und wo die Deklinationsbewegung der Sonne jedes Jahr<lb/>
zur &#x017F;elben Zeit mit der elektri&#x017F;chen Spannung, mit dem Auf-<lb/>
hören der Seewinde und dem Eintritte der Regenzeit eine<lb/>
Störung des Gleichgewichtes verur&#x017F;acht. Der Orinoko, der<lb/>
Rio Magdalena und der Kongo oder Zaire &#x017F;ind die einzigen<lb/>
großen Ströme im Aequinoktial&#x017F;triche des Erdballes, die in der<lb/>
Nähe des Aequators ent&#x017F;pringen und deren Mündung in<lb/>
weit höherer Breite, aber noch innerhalb der Tropen liegt.<lb/>
Der Nil und der Rio de la Plata laufen in zwei ent-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0179] langen Reihe von Jahren die Unterſchiede im durchſchnittlichen Betrage der Temperatur, der Feuchtigkeit und des Luftdruckes von Monat zu Monat ganz unbedeutend ſind, und daß die Natur, trotz der häufigen partiellen Störungen, in der Reihen- folge der meteorologiſchen Erſcheinungen einen feſten Typus befolgt. Die großen Ströme ſammeln die Waſſer, die auf einer mehrere tauſend Quadratmeilen großen Erdfläche nieder- fallen, in einen Behälter. So ungleich auch die Regenmenge ſein mag, die im Laufe der Jahre in dieſem oder jenem Thale fällt, auf den Waſſerſtand der Ströme von langem Lauf haben dergleichen lokale Wechſel ſo gut wie keinen Einfluß. Die Anſchwellungen ſind der Ausdruck des mittleren Feuch- tigkeitsſtandes im ganzen Becken; ſie treten Jahr für Jahr in denſelben Verhältniſſen auf, weil ihr Anfang und ihre Dauer eben auch vom Durchſchnitt der ſcheinbar ſehr ver- änderlichen Epochen des Eintrittes und des Endes der Regen- zeit unter den Breiten, durch welche der Hauptſtrom und ſeine Nebenflüſſe laufen, abhängig ſind. Es folgt daraus, daß die periodiſchen Schwankungen im Waſſerſtande der Ströme, gerade wie die unveränderliche Temperatur der Höhlen und der Quellen, ſichtbar darauf hinweiſen, daß Feuchtigkeit und Wärme auf einem Striche von beträchtlichem Flächenraum von einem Jahre zum anderen regelmäßig verteilt ſind. Die- ſelben machen ſtarken Eindruck auf die Einbildungskraft des Volkes, wie ja Ordnung in allen Dingen überraſcht, wo die erſten Urſachen ſchwer zu erfaſſen ſind, wie ja die Durch- ſchnittstemperaturen aus einer langen Reihe von Monaten und Jahren den in Verwunderung ſetzen, der zum erſtenmal eine Abhandlung über klimatiſche Verhältniſſe zu Geſicht be- kommt. Ströme, die ganz in der heißen Zone liegen, zeigen in ihren periodiſchen Bewegungen die wundervolle Regel- mäßigkeit, die einem Erdſtriche eigen iſt, wo derſelbe Wind faſt immer Luftſchichten von derſelben Temperatur herführt, und wo die Deklinationsbewegung der Sonne jedes Jahr zur ſelben Zeit mit der elektriſchen Spannung, mit dem Auf- hören der Seewinde und dem Eintritte der Regenzeit eine Störung des Gleichgewichtes verurſacht. Der Orinoko, der Rio Magdalena und der Kongo oder Zaire ſind die einzigen großen Ströme im Aequinoktialſtriche des Erdballes, die in der Nähe des Aequators entſpringen und deren Mündung in weit höherer Breite, aber noch innerhalb der Tropen liegt. Der Nil und der Rio de la Plata laufen in zwei ent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/179
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/179>, abgerufen am 04.05.2024.